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PoV Taddl

Ardy war verschwunden... Mein Ardy.
Ich meine...
Hatte ich überhaupt das Recht ihn so zu nennen?
Dner hatte mir alles erklärt.
Ich war so dumm. So dumm zu glauben mein Brudi konnte mit einer einfachen Freundschaft klar kommen. Wobei ich damit selber nicht mal leben konnte.
Und jetzt?
Jetzt saß er wahrscheinlich zu Hause und heulte sich wegen mir die Augen aus. Ich hatte natürlich in den letzten Tagen nichts besseres zu tun als bei meiner Freundin zu sein.
Seit gestern war dann auch Schluss zwischen uns.
Feige wie ich war hatte ich ihr noch nicht mal den wahren Grund genannt.
Ob sie sich geekelt hätte? Ob sie es akzeptiert hätte?
Ich weiß es nicht. Werde es auch wahrscheinlich nie erfahren.
Ich wollte sie einfach hinter mir lassen.
Und vor allem herausfinden weshalb Ardy mich um den Verstand brachte.
Mit allem was er tat.
Mit allem was er sagte.
Weshalb alle meine Zeigerwerte in seiner Nähe austickten.
Wieso er mich Nachts um meinen Schlaf brachte.
Ich wusste er liebt mich.
Doch liebe ich ihn auch?
Wenn ja.
Würde er meine Entschuldigung annehmen?
Würde er mich hassen?
Tat er das nicht eigentlich schon...?
In meinem Körper zog sich wohl jeder Muskel zusammen.

Zögerlich schob ich den Schlüssel in das Loch und das Schloss sprang mit einem, in meinen Ohren, schrillen Klicken auf.
''Ardy?''
Keine Antwort.
Ich ging in sein Zimmer. Sein Kleiderschrank war aufgerissen. Die Klamotten lagen wahllos verstreut auf dem Boden.
Doch null Ardy.
''Brudi?''
Meine Stimme wich ins panische.
Was wenn er sich wieder etwas angetan hat?
Mein Herz schlug mir bis zum Hals als ich durch die Wohnung hetzte. Selbst die leere Schale Müsli stand noch auf dem Tisch. Die Pampe darin glich aber eher trockener Pappe.
Komisch. Dabei war er bei so was immer penibel.
In meinem Zimmer angekommen, merkte ich das auch mein Schrank offen stand. Jedoch fehlte nur mein Brudi Pulli.
Wollte er mir damit irgendwas sagen?

Fünf Minuten später musste ich feststellen dass mein bester Freund wie vom Erdboden verschlouckt war.
Ich fummelte hektisch mein Handy aus meiner Hosentasche.
Tippte schwitzend eine Nachricht an Ardy.
Keine Reaktion.
Versuchte ihn ein paar Mal anzurufen.
Aber auch das war sinnlos.
Ich raufte mir die Haare.
Diese Vorwürfe taten weh.
Mein Herz schien unter dem Druck zu zerbersten.
Ich schniefte.
Meine Sicht verschwamm.
Mit zitternden Fingern wählte ich Dner's Nummer.
''F-Felix?''
''Taddl...''
Er stellte kühl fest wer der Anrufer war.
''Ardy er...''
Ich schluchzte.
''Was ist mit Ardy??''
Plötzlich war er ganz Ohr.
Ich gab nur ein gurgelndes Geräusch von mir.
''Fuck Taddl! Was ist los??''
Dner schrie schon fast in den Hörer.
''Er ist weg...''
Stille.
''Wie weg?''
''Verschwunden. Als ich gerade wieder kam...''
Er unterbrach mich.
''Wann wiederkam?''
Mein Blick fiel auf die in der Dunkelheit schwach leuchtende Digitaluhr.
Ich stockte.
''Vor fünf Stunden...''
Fünf Stunden?
Fünf verdammte Stunden kauerte ich schon hier wo ihm sonst noch was passiert sein könnte.
''Okay... Ich denke er brauch einfach nur etwas Auszeit. ''
Am anderen Ende der Leitung ertönte ein Pling.
Eine Nachricht?
''Dner?''
''Ja?''
Er klang auf einmal so abwesend.
''Ach vergiss es. Melde dich bitte wenn du was erfährst. ''
''Klar. Bye.''
Ein monotoner Piepton ertönte.
Mit knirschenden Zähnen musste ich feststellen, dass Dner wohl vorerst nicht mehr zu meinem Freundeskreis gehörte.

Ich starrte aus dem Fenster und schlürfte in das alte Zimmer meines Brudis. Ich setzte mich auf die Bettkante, strich vorsichtig eine der Falten glatt.
Verträumt dachte ich daran wie ich ihn hier Morgens immer nicht gerade liebevoll geweckt hatte.
Ich legte mich auf die Matratze und starrte an die Decke.
Wie oft er hier wohl gelegen hat und so über mich nachdachte wie ich jetzt über ihn?
Ob ich meinen Ardy nochmal wieder sehen werde?
Ich keuchte auf. Spürte wie heiße Tränen ungehindert meine Wangen runterfließen.
Ja ich MUSSTE ihn wieder sehen!
Ich krallte mir sein Kissen und presste es an meine Brust. Vergrub mein Gesicht in dem Stück Erinnerung.
Ich jaulte und beklagte mich über meine eigene Dummheit. Meine Finger bohrten sich immer mehr in den Kissenbezug.
Er roch also nach Pinien.
Ist mir das noch nie zuvor aufgefallen?
Ich öffnete wieder meine verheulten Augen. Und entdeckte dann einen Zettel auf dem Nachttisch.
Ihr wollt wissen wer ich bin? Okay.
Einerseits bin ich der Glückliche, der immer schon Verrückteste und der Fühlende.
Auf der anderen Seite bin ich der, der die Stille genießt und gerne mal hört wie seine Tränen runterfließen.
Ich begann unkontrolliert zu Zittern. Es war die Schrift meines Brudis.
Ich zwang mich dazu jede einzelne Zeile dieses Briefs hinunterzuwürgen.
Vielleicht war es das letzte was er an mich schreiben würde?
Die Stille genießt...kannte ich Ardy so schlecht?
Hätte ich merken sollen wie beschissen es ihm ging?
Höchstwahrscheinlich. Doch ich war zu sehr mit Lisa beschäftigt.
Ich betrachtete weiter das stürmisch geschriebene.
Und ja ihr habt mich enttäuscht, vor allem du Taddl, doch ihr bleibt immer ein Teil von mir.
Das bestätigte meine Vermutung. Ich hatte ihm sein Herz zerrissen. Und trotzdem... Ich wimmerte... trotzdem liebte er mich noch...
Ich wollte mich nur noch mal für die Sache von heute Morgen entschuldigen.
Du sagtest du würdest mich hassen.
Die Buchstaben verwischten als meine von Tränen nassen Hände das Papier noch fester umklammerten. Ich musste weiterlesen. Durfte jetzt nicht die Fassung verlieren.
Ich sollte stark sein aber ich kann nicht mit dem Schmerz dich, den besten Freund den ich je hatte, für immer verloren zu haben leben.
Er dachte er hätte mich verloren. Mir lief bei dieser Erkenntnis ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter.
In Liebe, Ardian.
In Liebe... Ich fuhr mit meiner Fingerkuppe über diese beiden Worte. Die Tinte verflüssigte sich.
Mit einem unterdrücktem Schrei glitt mir der Zettel aus der Hand.
Ich verhedderte mich in seinem Bettzeug und kramte wieder mein Handy hervor.
Er hatte meine Nachrichten immer noch nicht gelesen...
Seufzend rief ich sein Profilbild auf.
Da waren ich und er. Lachend. Glücklich.
War wirklich alles nur Schein?
Ich schaltete den Bildschirm aus. Sah meine eigene Hand vor Augen nicht. Doch hell schien sein Gesicht in meinem Gedächtnis.
Ich umklammerte die Decke. Stellte mir mit all meiner menschlichen Kraft vor es wäre Ardy.
Hörte nichts. Mein Gehirn spielte immer wieder alte Dialoge von uns Beiden ab. Und kaum waren sie vorbei drückte ich auf die Rückspurtaste.
Stille bei klingelnden Ohren.
Ich wär gerne da wo du bist. Wenn ich dich wieder treffe geh ich nie mehr weg.
Wir waren wie Bonny und Clyde.
Nur zu zweit waren wir komplett.
Wir waren wie Verstand und Herz.
Gemeinsam bauten wir Luftschlösser.
Wir waren wie Tom Sawyer und Huckelberry Finn.
Zusammen tanzten wir im Regen.
Ich dachte an sein wundervolles Lächeln, das ich früher immer als viel zu verständlich angesehen hatte.
Ich wählte dann doch noch einmal seine Nummer. Ließ es Klingeln.
''Hey hier ist Ardy, bin anscheinend zu Zeit bei meinem Brudi. Nachricht nach dem Piep.''
''H-Hey...''
Meine Stimme kratzte ab.
''Ardy? Falls du das hören solltest... Ich wollte nur sagen wie sehr ich dich vermisse. Du kannst mir doch nicht einfach so einen Schreck einjagen. Ich meine... Ich verspreche dir was okay?''
Ich schwieg einen Moment als würde ich auf eine Antwort warten die nie kommen wird.
''Wenn du wieder kommst hauen wir ab. Einfach mal weg. Raus hier. Weißt du? So wie wir es schon immer geplant hatten...Ich will mit dir weglaufen... Und schläfst du schon? Oder was machst du gerade?''
In der Dunkelheit spürte ich die Einsamkeit.
''Ich hätte dich jetzt gerne bei mir...Es war immer so schön...''
Dann drückte ich auf den roten Hörer. Kraftlos viel ich zurück in sein Kissen.
Und mit einem Mal überfiel mich wieder diese Angst.
Bitte lass ihm nichts passiert sein.
Ich zog seine Decke bis zu meiner Nasenspitze hoch und starrte in die Finsternis.
Mir war so verdammt kalt. Ohne Ardy war es hier nicht mehr das Selbe. Es war einfach kein Zuhause mehr. Es fühlte sich an als hätte er alles hier mitgenommen als er gegangen war.
Bitte meide die zwielichtigen Gassen...
Ich wünschte mir nichts sehnlicher als ihm zu zeigen das er nicht mehr allein war. Er sollte sich an meine Schulter lehnen.
Ich wünschte ich wäre heute Nacht sein Superheld.
Ein kindischer Gedanke?
Er soll unter meiner Aufsicht stehen. Er sollte seinen Stress vergessen. Ich wollte ihn nie aus den Augen verlieren.
In meinem Herz zog eisiger Regen ein.
Gedanken hing ich nach, die in die Irre führen.
Kein Vogel wird mehr singen...
Unbemerkt von meinem zerbrechenden Herzen glitt ich in einen tranceartigen Schlaf.  

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