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PoV Taddl

Shit.
Ich starrte in den Spiegel. Das Bild das sich mir bot war schrecklich.
Da war nichts mehr von dem einst so glücklichem Jungen.
Mal wieder konnte ich mich nur fragen was geschehen war. Wie alles so schnell den Bach runtergehen konnte.
Mal wieder stundenlang über diese Frage den Kopf zerbrechen war meine Lieblingstagesbeschäftigung geworden.
Dann ab und zu meistens wenn ich gerade eingeschlafen war, rief mir mein Gehirn wieder auf das ich die Antwort auf diese Frage schon längst wusste.
Ardy.
Dieser verdammte Junge. Doch dieses Mal schoss mir der Gedanke Morgens durch den Kopf. Das heißt ich durfte den ganzen Tag lang ruhig bleiben.
Ich seufzte. Eine angenehme Vorstellung. Angenehmer als wieder stundenlang in seinem Bett zu liegen wie damals.
Es war schon auf irgendeine Weise lächerlich... Jetzt haute er schon das zweite Mal vor mir ab.
War es echt so schwer mit mir zusammen zu leben?
Schon wieder zogen mich meine eigenen Gedanken runter.
Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. Ich fühlte mich verdammt unwohl. Vorsichtig strich ich mir über die Oberarme. Doch auch das half nicht.
Mein Magen knurrte. Ich ging in die Küche. Öffnete den Kühlschrank. Schon wieder war nichts drin.
Wann war ich das letzte Mal einkaufen?
Keine Ahnung. Interessierte mich nicht. Ich schlug nur wieder die Tür zu und schlich zurück zum Wohnzimmerfenster.
Wo ich so oft stand. Einfach hinab sah auf die ganzen Menschen. Wie sie hektisch ein eigenes Leben lebten. Während ich eher vor mich dahinvegetierte. Ich merkte, ich war kurz vor dem Zusammenbruch. Mental.
Ob mir ein bisschen frische Luft helfen würde?
Ich wusste nicht.
Mein Herz lag in seiner Hand, in meiner nur der Schmerz... Seit wann waren meine Gedanken so poetisch?
Schnell streifte ich mir meine Jacke über. Nahm noch meinen Schlüssel und mein Handy.

Es gewitterte. Doch das störte mich unter meiner Kapuze nicht wirklich.
Ich fror. Die Kälte lenkte mich ab. Also lief ich weiter. Werde wahrscheinlich krank sein.
Die Brücke breitete sich vor mir aus und ich schlenderte weiter. Schimmernd führte der Asphalt mich weiter. Irgendwie... Ich blieb auf der Mitte der Brücke stehen. Wählte seine Nummer.
''Hallo?''
Irgendwie... Ich stockte. Mein Herz schlug schneller.
''Ardy?''
Ein Tuten.
Irgendwie... Ich trat mit voller Wucht gegen den Pfeiler.
Irgendwie hatte mein verdammtes Leben keinen Sinn mehr!
Kraftlos krallte ich mich an dem Brückengeländer fest. Sah über die Brüstung.
Das mitternachtsschwarze Wasser tobte. Wirkte wie ein bedrohlicher Schlund ohne Wiederkehr. Mir war als würde er mich rufen. Der Tod.
Als hätte er die letzte Zeit gewartet bis ich nur noch auf blanken Knochen lebte.
Ich hatte noch nie einen Gedanken an Selbstmord verschenkt. Es klang in meinen Ohren lächerlich. Wie konnte man nur ein Leben aus reinem Egoismus ausschalten.
Wie konnte man nur all seinen Verwandten und Freunden das Herz brechen.
Wie kann man nur ertragen dass wenn die kleine Schwester in der Schule gefragt wird wo ihr Bruder ist, diese sagen muss: Er hat sich das Leben genommen.
Mir stiegen Tränen in die Augen.
Doch mein einziges Familienmitglied hatte ich mit Ardy verloren.
Kälte. Nicht nur auf meiner Haut. Nein. Auch in meinem Kopf.
Ich hätte für ihn diese Welt aus den Angeln gerissen.
Hat dieses armselige Leben gleich ein Ende gefunden?
Ich hatte es in der Hand.
Seit langer Zeit konnte ich wieder etwas entscheiden. Doch es war irgendwie nicht real. Es schien als wäre ich in Watte gepackt. Als wäre ich nur ein Beobachter. Ein Zuschauer. Von einem beschissenen Film. Als würde ich kurz davor sein den Fernseher auszuschalten. Doch meine Sensationsgeilheit hielt mich davon ab.
Ob der Blonde sich umbringen würde? Oder ob ihn Ardian retten würde?
Ich lachte fast schon hysterisch auf. Das war kein Film. Niemand wird mich retten. Und ich denke so ist das auch gut.
Ich lugte noch einmal über die Brüstung. Ich weiß ich würde auf der Oberfläche, die gleich so hart wird wie Beton, zerschellen. Wenn ich mir nicht sofort das Genick breche, breche ich mir im Gegenzug dazu ein paar Knochen. Würde ertrinken. Würde nicht kämpfen.
Selbst wenn nichts brechen würde, würde ich nicht versuchen zu schwimmen. Die Kälte erledigt den Rest.
Ich atmete einmal tief durch. Kletterte über die Bande. Stand auf dem schmalen Sims. Der Regenschauer wurde stärker. Schwarz wich einem undurchsichtigem matschbraun.
Ab und zu passierten Äste, Bäume und Müllstücke den Weg unter mir. Ich sah hinauf. Der Himmel glich dem Flusswasser. Eine trübe, unkreative Mischung. Ein Farbenspiel aus braun, schwarz und grau. So wie in meinem verdammtem Kopf.
Wann sie mich wohl finden würden?
Wer mich wohl finden würde?
Ich schüttelte meinen Kopf. An so was durfte ich nicht denken. Dann schloss ich meine Augen. Atmen Taddl... Ruhig atmen.
Das Wasser auf dem Geländer hitzte sich unter meinen Handflächen auf.
Als letzte Tat ließ ich los. Von meinem Leben. Von meiner Existenz. Und ich lächelte. Es war ein schöner Gedanke gleich alles zu vergessen, an nichts mehr denken zu können, keine Gefühle mehr zu haben.

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