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  PoV Ardy

Am nächsten Morgen saßen wir schweigend am Frühstückstisch. Ich stocherte in meinem Rührei herum. Taddl tippte stumm auf seiner Handytastatur.
''Du Ardy...''
Ich hob meinen Kopf.
''Hm?''
'Was wollte er denn jetzt?'
''Weißt du noch den Abend wo ich dich gefunden hab?''
Natürlich wusste ich.
Wie sollte ich es auch je vergessen können?
''Das sollte dich jetzt nicht verletzen.''
Sein Blick wurde besorgt.
'Verletzt?'
Wirkte ich verletzt? Sollten mich seine Worte kränken?
Ich lächelte ihn schwach an.
''Können wir das nach dem Frühstück besprechen?''
Ich wollte ungern den Tisch vollkotzen.
''Dann aber erst heut Abend, weil ich wollte noch eine Longboardtour mit Dner und Unge machen.''
Seine Worte versetzten mir einen Stich.
''D-Das ist doch okay oder? Wenn nicht kann ich absagen un-...''
''Nein, Nein is gut!''
'Du solltest wirklich mal lernen ehrlich zu sein.'
Ehrlichkeit wird überbewertet.
''Okay.''
Er schob sich noch die letzte Gabel in den Mund. Und schon wieder überfiel uns diese Stille. Ich beobachtete aufmerksam jede seiner Bewegungen.
Das Klirren, welches das Geschirr im Waschbecken verursachte, ließ mich zusammenzucken.
Unangenehm.Unglaublich Unangenehm.
Der Blonde drehte sich zu mir.
''Dann geh ich jetzt mal.''
Ich nickte. Er strich mir noch einmal über den Kopf.
Mein Kopf zuckte.
Er sah mich überrascht an.
'Sag ihm doch er soll nicht gehen. Oder willst du dir wieder die Kante geben?'
Tatsache.
Dann schob sich erneut seine Hand durch meine Haare. Diesmal ließ ich es über mich ergehen.
''Dann bis später. Ruf mich an wenn etwas ist und mach bloß keine Dummheiten.''
''Ich bin kein Baby mehr Brudi.''
Er lachte. Ich lachte.
Wenn der nur wüsste.

Ich verharrte noch am Tisch bis das bekannte Türklicken ertönte. Langsam richtete ich mich auf. Schlich zum Fenster und legte meine Fingerspitzen auf das kühle Glas.
Draußen erschien Taddl und sah noch einmal hoch zu unsere Wohnung. Er grinste mich an und winkte. Ich drehte mich nur kalt vom Fenster weg.

Schnell öffnete ich meinen Koffer und kramte eine kleine schwarze Schachtel hervor.
'Willst du das jetzt echt machen?'
Willst du mir jetzt die Moral vorhalten?
'Ich mein ja nur... Kann ja nicht zu lassen das du böser wirst als ich...'
Ich musste schmunzeln.
Vielleicht bin ich ja schon längst die böse Seite von uns?
Mein anderes Ich schwieg beleidigt. In mir breitet sich eine wohlige Ruhe aus. Ich nahm mir ein paar der weißen Amphetamine.
Crystal Speed. Pep. Oder wie auch immer man es nennen will.
Ich spürte meinen Herzschlag. Wie die chemische Energie durch meine Adern floß und meine Synapsen zum pulsieren brachte.
Auf mein Gesicht legte sich ein Lächeln,
Ich schloss meine Augen, sprang im nächsten Moment stocksteif auf. Ich wusste ich musste irgendwas machen. Doch wenn ich jetzt rausgehe wird wieder irgendwas schief gehen.
Also schlich ich nur ungeduldig, wie eine hungrige Raubkatze, durch die Wohnung. Obwohl ich nicht wirklich Hunger hatte. Den Drogen sei Dank.

Unter meine Hand verbreitete sich ein Kribbeln. Ich zitterte. Spürte kalten Schweiß auf meiner Stirn. Ich wusste gleich kommt das Down.
Plötzlich bekam ich schreckliche Kopfschmerzen. Das Licht schien zu flackern und meine Beine konnten mich nicht mehr halten. Ich sah auf meine Arme.
Täuschte ich mich oder bewegte sich die blasse Haut?
Langsam wurde das Kribbeln unerträglich. Wie Insekten und Käfer die sich immer weiter durch den schmalen Spalt zwischen Haut und Fleisch pressten. Bei der Vorstellung wurde mir schlecht. Ich taumelte ins Bad und krallte mich an dem kalten Porzellan fest.
Dreh ich durch?
Ich meinte schon das Knacken und Keuchen ihrer Füße und Münder zu hören. Wie sie von meinen Händen bis zu meinem Hals krabbelten.
Ich legte stöhnend meine Hände um meinen Nacken. Blickte in das erstarrte Spiegelbild. Ich meinte schwarze Schatten unter meiner Haut zu sehen die umher wuselten als wäre Höchstsaison. Das strahlende grün meiner Augen wich einem dumpfen Farbton.
Ich konnte förmlich spüren wie die Adern wie Kletten über meine Augen wucherten.
Verzweifelt schloss ich meine Lider. Das Blut wog durch meinen Körper. Schien das Ungeziefer in mir zu nur noch schnelleren Bewegungen an zu treiben.
Mein Shirt klebte nass an meinem Körper.
Ich begann zu schwanken. Meine Beine fühlten sich an als würden sie gerade von Termiten zerfressen werden. Ich traute mich schon gar nicht mehr meine Augen zu öffnen.
Zu viel Angst hatte ich vor dem Anblick der sich mir bieten würde.
In solchen Momenten wurde mir bewusst weshalb ich zögerte mir nicht einen Schuss nach dem Anderen zu verpassen.
Doch ich wusste ich werde sie nach dem Trip wieder brauchen. Sie gehörten nun mal zu mir wie früher meine Liebe zu Taddl.
Ja... Ist sie vergangen?
Erloschen?
Eingeschlafen?
Abgeschaltet wie ein sich immer wiederholender Werbespot?
Ich legte meinen Kopf in den Nacken. Schlug meine zerbissenen Hände auf das Waschbecken. Und schrie mir die verfickte Seele aus dem Leib.
Mein Gesicht war von Trauer und Panik zerfressen.

Plötzlich rissen mich jedoch zwei Arme zurück auf den Erdboden. Hinaus aus den Sphären der Ruhe die so wunderbar den Schmerz in meinen blutenden Knöcheln verdrängt haben.
Mir war auf einmal so kalt.
Kraftlos brach ich an dem überraschten Blonden zusammen. War zu schwach um meine Augen zu öffnen.
Wird eh immer viel zu dramatisch gesehen.
Apropos gesehen. Ich konnte jetzt nicht seinen Blick kreuzen.
Ich wüsste er würde mir nur Dreck entgegen werfen.
Dreck wie ich es war.
Von meinem Selbstbewusstsein war nichts mehr übrig. Nun war ich nur noch der kleine Ardy. Der kleine Haufen Schmutz. Jederzeit konnte er wie Staub davon getragen werden.
Taddl ließ mich jedoch nicht fallen. Ich hörte ein Murmeln. Versuchte die Silben in meinem stechenden Kopf zu Worten und logischen Sätzen zu bilden.
Wusste mein Brudi überhaupt was er da sagte?
Denn ich wusste es nicht.
Konnte es mir aber denken.
Warum tust du das?
Was ist los?
Man kann dich echt nicht allein lassen.
''Es tut mir Leid...''
Ich schreckte auf. Hatte er das gerade wirklich gesagt?
''Es tut mir so verdammt Leid...''
Tatsächlich. Ich legte mein Ohr gegen seine Brust. Spürte seinen viel zu schnellen Herzschlag.
Ich schnaubte.
Er sah mich an. Seine Augen waren rot. Doch ich wette nicht so rot wie die meinen.
Als er das wohl auch feststellte, hörte ich ein Knallen. Einen Wimpernschlag später traf auch der ziehende Schmerz in meiner Wange ein. Ich wimmerte.
Der Größere zog mich wieder schluchzend an sich.
'Jetzt bin ich verwirrt.'
Und ich erst.
Ich genoss die Streicheleinheiten die er mir verpasste. Irgendwann war es wieder still und man hörte nur mein schnurren.
Taddl half mir mein Oberteil auszuziehen. Willenlos ließ ich ihn passieren. Er schubste mich in die Duschkabine doch zog mich dann nochmal an seine Brust. Das Wasser ging an und er prüfte mit seiner Hand die Temperatur.
Ungewöhnlich liebevoll von ihm.
Meine Innere Stimme knurrte misstrauisch.
Er schob mich unter den lauwarmen Wasserstrahl und ich zuckte bei dem erneuten Kribbeln zusammen.
Diesmal war es nicht so stark. Zum Glück.
Ich krallte mich sacht in seine Schultern als er über meinen Rücken strich.
Stück für Stück verschwanden auch die letzten Überreste des Trips.
Ich lehnte mich gegen seine Brust. Keinen von uns Beiden interessierte die Nässe dabei.

Die Tropfen verstummten prompt und er half mir, immer noch wortlos was mich nur umso mehr beunruhigter machte, aus der Kabine.
Meine durchnässte Boxershorts landete in irgendeiner Ecke und der Blonde streifte mir einen seiner, mir viel zu großen, Pullis über und gab mir auch eine neue Unterhose.
Ich folgte Taddl ins Wohnzimmer und setzte mich zögernd auf den Platz neben Ihm als er auffordernd auf den schwarzen Samtbezug klopfte.
Wieder Schweigen.
Dann ein Einatmen seinerseits.
Er drehte sich zu mir.
''Wir müssen reden!''  

CrystalisedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt