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PoV Rotpilz

Mal wieder konnte ich mich nur fragen wieso er mir das antat. Wieso er mir das Herz brach. Wieso er mir auch auf körperlicher Ebene wehtat.
Doch ich musste stark bleiben. Ich konnte jetzt nicht weinen. Nicht kaputt gehen. Nicht vor Dner. Einmal im Leben musste ich stark sein.
Sonst kommen wir wahrscheinlich nie hier weg. Aber irgendwann sollten uns doch unsere Freunde vermissen.
Vorausgesetzt ihr lebt dann noch.
Ich schluchzte. Krallte mich in die Bettdecke.
Der Braunhaarig zog noch einmal an seinen Fesseln.
Es war sinnlos. Sinnlos wie jeder Versuch von diesem durchgedrehten Jungen den ich einmal so geliebt hatte loszukommen.
Mit jedem Atemzug rückten wir doch eh nur unserem Ende näher. Ich presste meine Lippen aufeinander.
Ließ meine Gedanken noch einmal fallen. Fallen in ein Loch voll mit wundervollen Erinnerungen. Das zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen, welches Felix wohl sehr verstörte.
''Alles okay?''
Doch seine Worte kamen kaum bei mir an.
Meine Stimmung stieg ins manische und leise lachte ich vor mich hin. Immer noch liefen die Tränen unaufhaltsam. Ich strich über die weiche Decke.

So schnell wie das Hoch kam sank es auch wieder und ich vergrub mein Gesicht in dem dünnen Stoff. Spürte wie er langsam immer nasser wurde.
''Wir kommen hier wieder raus Felix...''
Verschwommen erschien sein Gesicht vor mir.
''Hilf mir erst mal irgendwie die Fesseln loszuwerden.''
Ich glitt vom Bett. Auf den kratzigen Teppichboden.
Krabbelte zu dem Größere. Ich sog scharf die Luft ein als ich sah welche Wunden die Seile hinterlassen haben.
''Ist es sehr schlimm?''
Ich zögerte. Mir wurde schlecht. Ich konnte den Anblick von fremdem Blut noch nie ertragen.
''N-Nein...''
Er lachte nur heiser auf. Glaubte mir wohl nicht.
Vorsichtig zupfte ich an dem Hanf. Zuckte sogleich zurück. Dner stöhnte auf.
''Scheiße...''
''Geht es noch?''
Felix atmete tief durch.
''Klar mach weiter.''
Wieder zog ich. Diesmal etwas heftiger. Der Gefesselte schrie diesmal schon fast auf.
''Wir müssen uns was anderes überlegen...''
Presste er hervor.
''Such nach irgendetwas Scharfem...''
''Klar...Etwas Scharfes...scharf...''
Ich krabbelte von einer Ecke zur Anderen.
Doch fast schien es so als hätte Rewi schon vorgesorgt. Selbst seinen Schreibtischinhalt hatte er aussortiert. Von Rasierklingen fehlte hier eh jede Spur.

Mit einem Seufzen lehnte ich mich an die Bettkante.
''Hier ist einfach nichts Dner... Tut mir Leid...''
Wieder stiegen Tränen in meine Augen. Nur wegen mir hockte er hier jetzt mit drin.
''Schon okay...''
Er klang müde.
''Wir überlegen uns was anderes... Du musst dich für nichts entschuldigen. Wir finden schon einen Weg...''
Blanke Hoffnungslosigkeit spiegelte sich in seinen Worten wieder.
Ich erwiderte nichts. Schloss einfach nur meine Augen.
Leise prasselte Regen an die Scheibe. Ich betrachtete die Tropfen. Sie schimmerten und schienen fast im Laternenlicht zu leuchten.
Wie ein billiger Ersatz für den Sternenhimmel.
Billig.
Wie in einem billigem Psychothriller. Amateure als Schauspieler. Mit einem vorprogrammierten Bad End.

''Ich habs!''
Scheiße.
Ich zuckte viel zu heftig zusammen.
''Musst du mich so erschrecken...''
''Was?''
''Nichts... Also was ist dein Plan?''
''Also es gewittert doch ne?''
Ich sah raus. Ein grelles Leuchten. Fast sofort ertönte ein grollender Basslaut.
''Anscheinend.''
Ich knurrte. Hatte keine Lust auf Ratespiele.
''Und der Donner ist so laut da würde man noch nicht einmal was zerspringen hören oder?''
''Ja?''
Langsam nervte er mich.
''Na dann. Das Fenster. Er würde es nicht mitbekommen wenn du es zerschlägst!''
Endlich kamen seine Worte bei mir an.
Das war der Plan!
''Dner du bist ein Genie!''
Er lachte auf.
''Ich weiß.''
''Idiot.''
Doch gleichzeitig musste ich schmunzeln. Stand auf atmete einmal tief durch. Ich ging zu dem Fenster.
Als ich die Scheibe jetzt von nahem sah schien es doch sehr unwirklich.
War ich nicht zu schwach dafür?
''Felix. Du schaffst das. Schlag einfach mit der Faust. Vertrau mir.''
Ich begann zu Zittern.
''Was wenn ich es nicht schaffe?''
''Ey! Sieh mich an.''
Ich drehte mich zu Dner.
''Stell dir einfach vor es wäre die Person die du am meisten hasst. Nehmen wir doch einfach Rewi.''
Ich nickte verkrampft.
Sah wieder in den dunklen Nachthimmel.
Vor mir erschienen seine Gesichtszüge.
In mir brodelte es. Die Ungeduld stieg. Meine Nerven waren zum zerreißen gespannt. Dann erhellte endlich ein Blitz den Himmel.
''Jetzt!''
Mit einem Mal holte ich aus... Und streifte das Glas nur knapp.
Meine flache Hand blieb auf seiner Spiegelung liegen. Auf seinem sanften Lächeln. Mein Blick hing an seinen so warmen Augen.
Der Junge neben mir schrie rum. Doch der Donner hüllte mich in einen schalldichten Raum.
Ich würde es nicht schaffen ich würde versagen. Jämmerlich verrecken.
Plötzlich wurde der Spiegelrewi von einer Gestalt umgerissen.
Sekundenbruchteile vergingen wie in Zeitlupe. Seelenloses Weiß traf Rehbraun.
Und wieder durchzuckte meinen Arm Kraft. Ich holte aus. Traf mit voller Wucht. Und die Scheibe zersprang mit einem ohrenbetäubendem Klirren.
Mein Herz schlug bis zu meinem Hals als das Grollen abnahm. Ich betrachtete die zersplitterte Scheibe vor mir. Die Scherben die wie scharfe Berge aus dem Rahmen stachen. Kühl schlug mir der Gewitterregen entgegen.
''Felix! Los!''
Ich riss mich aus meiner Starre und brach eine der Scheibenstücke ab. Meine Hand brannte. Heißen Blut lief meine Finger entlang.
Instinktiv säbelte ich die Seile durch. Der Braunhaarige sprang auf und schloss mich in seine Arme. Perplex schloss ich meine Hand noch etwas fester um die Scherbe.
''Wir müssen weiter!''
Ich nickte und ließ mich perplex mitziehen. Dabei fiel der scharfe Gegenstand auf den Boden. Ich würde sie hier zurücklassen. Wie auch Rewi.
''Shit...''
Natürlich war die Tür abgeschlossen.
''Was jetzt?''
Er murmelte irgendwas.
''Heh?''
''Geh mal aus dem Weg!''
Bei seinem herrischen Ton zuckte ich zusammen. Sofort wurde seine Miene wieder weicher und er schob mich fast schon sanft zur Seite.
Dann zählte er an seinen Fingern ab wann der nächste Donner kam und warf sich in dem anschwellenden Grollen gegen die Tür. Sie wackelte. Doch weiter geschah nichts.
Noch mal traf er sie Frontal mit der Schulter. Dner biss seine Zähne aufeinander und stürmte mit einem Schrei wieder auf die Tür zu. Mit einem Knall brachen die Schlösser und der Größere taumelte in den Flur. Konnte sich gerade noch an der Wand abstützen.
Ich rannte sofort zu ihm. Strich beruhigend über seinen Rücken. Er schluckte schwer.
''Alles Okay?''
''K-Klar...''
Er brauchte ein paar Sekunden um wieder zu sich zu kommen.
Danach griff er nach meiner Hand.

Wir mussten jetzt am Wohnzimmer vorbei. Und aus eben diesem Drang das leise Geräusch des Fernsehers.
Ich begann zu zittern. Felix schlich los, wollte mich hinter sich herziehen doch ich bewegte mich kein Stück.
Ich konnte es einfach nicht.
''Komm schon Felix... Wir schaffen das...''
Ganz leise flüsterte er mir diesen Satz ins Ohr und drückte meine Hand.
Zögerlich nickte ich. Bekam nun auch endlich einen Fuß vor den Anderen.
Ganz langsam kamen wir dem Türrahmen immer näher. Damit auch dem Ausgang. Doch mit dem Gedanken es schon fast geschafft zu haben konnte ich mich nicht anfreunden.
Ich schluckte.
Starrte krampfhaft auf meine Füße. Dner stand schon auf der anderen Seite der Tür, lächelte mich aufmunternd an.
Schau ihn bloß nicht an Felix. Bloß nicht anschauen...
Doch ich konnte mich nicht zurückhalten.
Kurz, nur ganz kurz wollte ich einen Blick auf ihn werfen. Bevor ich ihn nie wieder sehe.
Ich entdeckte einen dunkelblonden Haarschopf. Meine Augen wurden feucht. Ich durfte jetzt nicht anfangen zu weinen.
Sekundenbruchteile. Doch es hatte gereicht mich zum Schluchzen zu bringen. Ganz leise. Und doch drehte er sich schockartig um.
Schnell griff jemand nach meinem Arm. Zog an ihm mit voller Wucht. Ich wimmerte.
Und da war es wieder. Dieses verfluchte Herzklopfen. Dieses Kribbeln in meinen Fingerspitzen. Seine Miene war hart doch seine Augen spiegelten Wärme wieder.
Es war wie Liebe auf den ersten Blick. Mal wieder.
Augenblicklich schlich sich ein Lächeln auf meine geröteten Lippen. Kaum sichtbar.
Er sprang auf. Ich erstarrte zu Stein.
In seiner Hand ein glänzendes Messer. Gezackte Klinge. Edelstahl.
Seit wann besaß er sowas?
Bedrohlich kam er noch etwas näher. Doch ich schlug immer noch Wurzeln.
Dner schrie irgendwas. Es kam nicht bei mir an. Ich war hoffnungslos in meinen Erinnerungen versunken.
Ganz langsam streckte Rewi seine Hand aus. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Kurz bevor er mich berühren konnte holte jedoch Felix zu einem Schlag aus. Traf auch verdammt gut.
Der Dunkelblonde knickte ein. Knurrte. Schnitt mit dem Messer durch die Luft. Panik lag in der Luft. Setzte sich wie beißender Rauch in meinen Lungen fest.
Mit einem Schrecken musste ich feststellen das er nicht nur die Luft getroffen hat.
Felix drückte sich eine seiner Hände auf den Bauch. Presste die Lippen aufeinander.
Dann ging alles ganz schnell.
Der Dunkelhaarige schnappte sich das Messer von Rewi, der nur verdreht grinste. Rammte es ihm ins Bein.
Er griff wieder nach meiner Hand. Diesmal konnte ich mich nicht wehren. Konnte nicht zurück sehen.
Schnell stemmte er die Tür auf. Wir sprangen die Treppen hinunter. Todesangst in Beiden unseren Augen. Rote Blutflecken wo wir vorbei waren.
Es wird gleich zu Ende sein.
Schwere Schritte folgten uns. Unregelmäßig. Als würde jemand humpeln.

Endlich schlug uns die kalte Luft entgegen. Regen klatschte in mein Gesicht.
Wir rannten auf den Parkplatz. Der Größere ließ atemlos meine Hand los. Meine Lunge brannte. Wie auch mein Herz.
Tränen der Erleichterung rollten über meine Wangen.
Doch in dem Moment sah ich etwas das meine Adern gefrieren ließ.
Rewi stand unter dem kleinen Vordach und... weinte!
Unfähig mich zu rühren sah ich wie Träne für Träne sein Gesicht herunterfloss.
''Komm Felix! Weg von hier!''
An seinem Bein war ein blutiger Fleck.
Ich realisierte.
Dners Worte ignorierend raste ich wieder auf Basti zu.
Schritte vor ihm kam ich wieder zu stehen. Er sah mich aus verzweifelten Augen an.
Doch ich warf mich ihm in die Arme. Vergrub mein Gesicht in seinem T-shirt. Schluchzte laut los. Man könnte meinen das was ich jetzt tat war dumm. Und ich könnte nicht widersprechen.
Aber da gab es noch eine Sache der ich nicht widersprechen könnte. Ich legte meine Hände auf die geröteten Wangen meines Gegenübers. Seine Haut war so verdammt weiß. Kühl. Doch nicht unangenehm.
''S-Solltest du nicht verschwinden?''
Seine Stimme brach mir schon fast mein Herz. Ich atmete einmal tief durch. Musste mich konzentrieren. Wollte nicht noch einmal Fehler begehen.
''Du bist so ein Idiot...''
Er sah mich an. Unsere Blicke kreuzten sich. Endlich war da wieder dieses flüssige Gold in seinen Augen. Die harte Wand der Eifersucht und der Wut schien zu bröckeln.
''So ein verdammter Dummkopf...''
Sanft presste ich meine Lippen auf die Seinen.
''Ich liebe dich verdammt nochmal! Und das Lebenslänglich...''
Ich seufzte.
''Auch wenn es mehr ein Fluch ist, als ein Segen...''  

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