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PoV Dner

Mein Schädel pochte unangenehm als ich versuchte meine Augen zu öffnen. Ich hob mein Gesicht vom kühlen Laminat und schaffte es endlich etwas zu sehen.
Wo war ich?
Erinnerungsfetzen hingen in meinem irgendwie vernebeltem Verstand. Zwei große braune Augen sahen mich an.
''R-Rotpilz?''
Der Kleinere rutschte sofort ein Stückchen näher an mich heran.
''Es tut mir so Leid...''
''Was tut dir Leid?''
Ich zog an den Fesseln, was nur zu noch mehr Schmerzen führte.
So weit wie ich konnte sah ich über meine Schulter. Stellte mit einem Stöhnen fest das ich wohl an der Heizung gefesselt war.
''Versuch nicht dich zu bewegen.''
Zu spät.
Ich streckte meine Beine aus. Ließ meinen Hinterkopf gegen die kalten Rohre knallen.
''Was ist passiert?''
Der Braunhaarige zögerte.
''Es...Es war Rewi...''
Rewi?
''Wir hatten Streit und er ist irgendwie, wie soll ich sagen... Ausgerastet...''
''Ausgerastet?''
Nach dem Grund für den Streit fragte ich nicht. Noch nicht.
''Ja... Dann hat er mich nicht mehr gehen lassen und jetzt wurdest du da auch noch mit reingezogen...''
Ich stockte.
Einen kurzen Moment, dann realisierte ich. Mein immer noch pulsierender Kopf realisierte.
''Er hält dich gefangen?...''
Es klang mehr wie eine Frage als eine Aussage. Der Kleinere schwieg. Doch seine wässerigen Augen sprachen soviel wie tausend Bände.
''Was ein Hurensohn...''
Schluchzend sah mich Rotpilz an.
''S-Sag so was bitte nicht...''
''Wie soll ich ihn sonst nennen? Einen Freund? Eine 'nette' Person mit der ich gerne meine Zeit verbringe?''
Jetzt rollte ihm eine Träne nach der anderen die Wangen hinunter. Sie waren leicht gerötet im Gegensatz zu dem Rest seines unnormal bleichem Gesichts.
''Rewi... Er ist einfach noch Rewi. Auch wenn er zur Zeit so...''
''Merkwürdig ist?''
Felix seufzte. Nickte.
''Also ist das nur eine Phase?''
Er biss sich auf die Unterlippe. Schien zu überlegen.
''Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht... Aber du kommst hier schon wieder bald raus...''
Ich verengte meine Augen zu Schlitzen.
''Und was ist mit dir?''
''Ich bin egal... Ich passe auf ihn auf... Ich schaff das schon irgendwie...''
''Felix... Kein Mensch kann so stark sein. Ich meine eine vertraute Person die das eigene Vertrauen nur ausnutzt. Das ist doch kein Leben!''
Fast meinte ich ein 'Ich habe auch schon vorher nicht gelebt...' zu hören. Doch das konnte nicht sein. Nicht von diesem sonst so lebenslustigen Jungen.
''Rewi brauch Hilfe! Und zwar professionell. Das wissen wir Beide.''

In dem Moment wurde die Tür mit einem Klacken aufgeschlossen.
Sekunden später schlenderte Rewi in das Zimmer, so als wäre alles beim Alten. Er schaffte es sogar ein fast normales Grinsen aufzusetzen. Doch was war bei ihm noch normal. Ich wusste es nicht.Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen Griff er nach Felix's Arm und zog ihn daran hoch.Ich zerrte an den Fessel. Ignorierte das Brennen.
Er konnte ihn doch nicht einfach mitnehmen!
Doch der Jüngste machte keine Anstalten sich zu wehren.
Hatte er schon aufgegeben?
In diesem Moment spürte ich Wut in mir aufkochen.
Wut die der Braunhaarige jetzt eigentlich über sich selber hegen sollte.
Aber ich kam einfach nicht los. Die Fesseln waren zu fest. Kraftlos sank ich zurück an die Heizung. Warm rann Blut über meine Handflächen. Ich seufzte. Nun hatte ich mir auch noch die Handgelenke aufgeschürft.
Mein Blick fiel auf die Beiden vor mir. Zögerlich verschränkte Felix seine Finger mit denen des Dunkelblonden. Er stand vor mir. Fast als wollte er mich vor etwas schützen.
Basti lehnte sich vor. Hauchte etwas in sein Ohr. Ich sah wie er begann zu Zittern. Trocken schluckte und dann nickte.
Wieder folgte er dem Größeren wie eine Marionette nach draußen. Ich meinte schon die Kristallfäden, die von Rewis Fingerkuppen ausgingen und an Felixs Lippen endeten, zu sehen. So sehr gehorchte er ihm.
Er zog ihn auf den Flur. Rotpilz presste sich schon fast an ihn. Die Tür fiel zu. Das letzte was ich sah waren die vor Angst aufgerissen Augen von dem Kleineren.

Ich hörte ein Knallen. Ein Wimmern.
Angepisst stampfte ich auf den Boden. Rieb meine Schläfen notdürftig an meinem Knie.
''Felix...''
Leise.
Fast meine ich es war nur ein Windhauch. Ein Luftzug. Doch alle Fenster waren geschlossen.
Dieser kranke Sadist ließ uns lieber ersticken als uns auch nur einen Fluchtweg zu geben. Als ob wir aus dem fünften Stock springen würden. Früher hätte ich das vielleicht sogar in Erwägung gezogen.
Doch seit Izzi weg ist... Ich fühle mich einfach so als würde ich ihn verletzten wenn ich daran dachte. Als würde ich ihn damit kränken. Ihn hintergehen.
Was hatte dieser Junge nur an sich das er sich so tief in mein Herz gebrannt hat?
''Ich weiß es nicht.''
Ein Lachen neben mir. Sein Lachen. Verwirrt schreckte ich aus meiner Starre.
Steifes Grau traf verboten schönes Blau.
''Alex?''
Ich wollte mich losreißen. Doch Izzi kam mir zuvor. Er vergrub sein Gesicht an meinem Hals. Strich über meine Wirbel, über meine Schürfwunden.
''Bin ich jetzt auch noch verrückt geworden?''
Ganz nah an meinem Ohr nahm ich wieder sein so süßes Lachen wahr. Ich hatte es so vermisst.
''Keine Sorge. Nur ein wenig. Temporär. Zeitlich begrenzt. So wie meine Anwesenheit.''
''Deine Anwesenheit hier?''
Er sah mir in die Augen. Deutete auf mein Herz.
''Auch meine Anwesenheit hier. In dir.''
Ich stockte.
''Aber... Was tust du hier?''
''Dir sagen das es okay ist mich zu vergessen. Mich loszulassen.''
''Eine Sache muss dir klar sein...''
''Ja?''
Er sah mich fragend an.
''Das wird nie geschehen. Egal was ich tue. Dein Name ist auf mein Herz graviert.''
''Wunden heilen. Narben verschwinden. Du musst nur eine Zeit lang warten.''
Diesmal war ich es der lächelte.
Lehnte mich zu dem Kleineren. Ein Stück vor seinen Lippen blieb ich stehen. Heiß spürte ich seinen Atem auf meinen Lippen.
''Aber du warst nie eine Verletzung für mich. Du warst eher der Grund warum es weiterschlägt...''
Er konnte nichts erwidern.
Nun legte ich vorsichtig meine Lippen auf die Seinen. Hatte Angst wie er reagiert.
Dann spürte ich einen sanften Gegendruck. Es war als würden alle Uhren der Welt stoppen. Nur für einen Moment. Feines Kribbeln durchzog meinen Körper.
Gierig nahm ich mir das was ich so lange gebraucht hatte. Bewegte meine Lippen stürmischer doch immer noch mit soviel Liebe. Ich war es der sich zuerst abwendete. Lächelte ihn sanft an. Er zog noch atemlos hinter meinen Lippen her. Strich enttäuscht über meine Wange.
''Ich wusste du bist nicht nur eine Halluzination...''

Er wollte gerade etwas erwidern doch in dem Moment stolperte ein Felix in das Zimmer.
Und Alex war verschwunden. Alles was ich noch von ihm hatte waren meine leicht geröteten Lippen und seine Augen wenn ich meine Augen schloss. So deutlich wie lange nicht mehr hatte ich das Gefühl geliebt zu werden.
Ich dachte an den Brief den ich seit dem Tag immer in meiner Hosentasche trug. Ich konnte ihn schon auswendig. Trotzdem strich ich immer wieder über jeden einzelnen der Buchstaben. Denn das war das Letzte was er geschrieben hatte. Seine letzten Worte.Ich liebe dichhatte er gesagt. Und ich glaubte es ihm. Denn ich erwiderte es. Seine letzten Berührungen galten mir. Nur mir.
Ein Aufschrei von Rotpilz riss mich aus meiner Trance.
''Oh Shit...!''
Er humpelte zu Rewis Bett. Ließ sich auf den Bauch fallen. Rutschte soweit vor dass er fast vor mir lag.
Seine rote Wange erschreckte mich nicht so sehr wie sein blutender Hals. Und ich wollte gar nicht erst wissen weshalb er humpelte.
''Wieso humpelst du Felix...?''
Okay. Vielleicht wollte ich es doch erfahren.
Er antwortete nicht. Presste nur verkrampft seine flatternden Lider zusammen.
''Rewi?''
Er öffnete seine glänzenden Augen.
Ein Spiegel. Symbolsierte in diesem Moment Angst, Schmerz, Wut und Kälte. Nur einmal hatte ich solch einen ungeheuerlich Ausdruck in meinem Leben gesehen.
Bei Ardy.  

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