Crystalised

13

  PoV Ardy

~Mehrere Monate später~

Hier hockte ich nun.
Auf den kalten, nassen Stufen der Tiefgarage. Die Luft war trotz der Kälte des Steins ungewohnt warm. Heiß und stickig. Ich kämpfte gegen die Übelkeit in mir an.
Es stank nach Pisse und Abgasen. Wieder würgte ich.
Scheiße.
Meine Hände zitterten.
Ich brauchte es. Jetzt.
Unaussprechlich was geschehen würde, würde ich jetzt nicht fein säuberlich, so gut es hier unten möglich war, das Geschirr ausbreiten.
Ich griff nach der Spritze und zog mit ihr die klare und so unscheinbar wirkende Flüssigkeit auf.
Mein Mund war trocken und ich leckte mir vor freudig über die aufgescheuerten Lippen.
Mein Handy vibrierte in einem regelmäßigen Takt.
Ich wusste dass es Pete war.
Ich wusste dass er sich Sorgen machte.
Und ich wusste dass er heute zu einem Typen musste vor dem er tierische Angst hatte.
Ich ignorierte ihn trotzdem. Wie eigentlich jedes Telefonat in letzter Zeit.
Machte mich das zu einem schlechten Menschen?
'Warst du das nicht schon?'
Ich zwang mich auf meinen Arm zu starren. Suchte hektisch die auffällig blaue Ader. Sie war schon zerstochen. Also fand ich sie leicht.
Ich setzte die Spitze an. Und obwohl sie so klein war spürte ich ihre Temperatur intensiver, als die unter meinem Arsch.
Ich atmete noch ein Mal tief durch und bohrte den Metallhalm in meinen Arm.
Zuerst verdrängte ich damit die Haut und eine Delle entstand. Dann rutschte sie in das vernarbte Fleisch. Ich konnte nicht verhindern aufzustöhnen. Es war immer eine Tortur für mich.
Einen Wimpernschlag später spritzte ich auch schon die Droge in meinen Arm.
Eine, zwei und drei Sekunden vergingen. Dann ein Schlag in meiner Brustgegend, ich keuchte begeistert auf. Ließ mich fallen, in das Wirrwarr aus unsinnigen Gedankensträngen und farbigen Bildern.

Als ich wieder zu mir kam hatte sich nichts geändert. Es war immer noch verdammt kalt.
Nicht wie in diesen Fanfiktions wenn man dann plötzlich in den Armen seiner großen Liebe lag. Ich knirschte mit meinen Zähnen.
Meine Ärmel trieften da sie in eine lauwarme Pfütze gefallen waren und auch so klebte mir all meine Klamotten durch den Schweiß eng an der Haut.
Angewidert, das ich es mal wieder geschafft habe mir selbst die Kante zu geben schleppte ich mich das Treppenhaus hoch. Hinaus in den sanften Sprühregen.
Es war einer dieser warmen Sommertage wo man ins Freibad ging. Außer man war so jemand wie ich.
Aber wer war ich eigentlich?
Ich atmete scharf aus und schlenderte dann in Richtung Hotel.
Mal wieder hatte ich eine Nacht auf der Straße verbracht, es war immer so. Kaum schlief ich eine Nacht bei Pete und Michael, entweder wie Heute in Fluren oder unter Brücken wenn ich mich zudröhnte, oder bei Freiern wenn ich fickte und... mich auch zudröhnte.

Endlich war ich angekommen.
Ich schlich die alte Treppe hoch und stieg mit einem Satz über den ominösen dunklen Fleck auf dem dreckig, türkisen Teppichs.
Aus dem Zimmer drang kein Laut und auch als ich die Tür vorsichtig aufstieß waren die Vorhänge zu und ließen kaum Licht in den Raum.
Auf dem Bett lag ein kleines Bündel.
Ich setzte mich auf die Bettkante und strich über Petes Rücken. Er quiekte auf und ich verlagerte meine Hand zu seinem Haar.
Leise schluchzte er vor sich hin.
"Er hat mich geschlagen... ''
"Oh Shit. "
Ich hoffte ich klang mitleidig. Denn erschreckender Weise fühlte ich bei seiner Aussage nichts.
Ich drehte mich in Richtung Bad doch dann krallten sich seine Hände in mein Oberteil.
Wie gekonnt er den Gestank der von mir ausging ignorierte.
"Bitte... Bleib... ''
Ich wollte ihn schon abwimmeln doch er kam mir zuvor.
"Nur fünf Minuten. "
Endlich blickte er mich an.
Ich murmelte ein Okay und legte mich neben ihn. Sofort kuschelte er sich an mich und ich fuhr wieder durch sein rot-schwarzes Haar.
Er wimmerte nur noch und Sekunden später war er eingeschlafen.
Er hatte bestimmt eine schrecklich und schlaflose Nacht hinter sich.
Ich hatte auch schon solche 'kranken' Typen. Nur die wirklichen Psychos suchen sich immer die unschuldigsten, in diesem Fall Pete aus.
Vorsichtig, darauf Bedacht den Kleineren nicht zu wecken schob ich ihn von meiner Brust und ging ins Bad.
Erleichtert streifte ich die feuchten Kleidung ab.
Warf noch ein Blick in den Spiegel. Bei meinem Anblick wurde mir kalt.
Gefühlskälte.
Ich riss mich von dem fremden Anblick los und stellte das heiße Wasser an. Doch egal wie fest ich schrubbte es blieb immer noch ein bisschen unsichtbarer Dreck hängen.
Der Dampf vernebelte meine Sicht und ich stolperte ein paar Minuten später fast blind aus der Dusche.
Band mir mein Handtuch um
An der Wand tastete ich mich zum Zimmer und kramte in der hintersten Ecke meines Schrankes. Ich zog überrascht meinen alten 'Brudi' Pulli hervor. Doch dieser landete sofort an der andere Zimmerwand.
Zu viele Gefühle.
Ich spürte wie ich begann zu zittern.
Das war der Pulli von Taddl, der Pulli mit dem ich geflüchtet bin.
Angespannt nährte ich mich dem Oberteil wieder, als wäre es gefährlich. Das war es wahrscheinlich auch. Also für den gut versteckten Ardy Teil in mir.
Denn dieser schrie lauthals 'Rebellion' als ich den schwarzen Stoff über meinen Kopf streifte.
Ich kramte in der Bauchtasche und zog ein zerknülltes Bild hervor.
Taddl.
Ich strich über das Papier wo ich und mein alter bester Freund lauthals über irgendeine Scheiße lachten. Ich konnte es fast schon hören.
Letzten Endes begriff ich, ich konnte nicht leugnen ihn auf irgendeine Weise zu vermissen.
Ich zog mir noch eine Jeans und meine alten Schuhe an. Dann schob ich meine Ärmel runter und schnappte mir mein Longboard, welches schon seit Monaten vor sich herum vegetierte.
Noch eine Beanie und der alte Ardy-Look war perfekt.
Naja, bis auf den Piercing, die Haare und meine bleiche Haut. Die Narben waren ja zum Glück verdeckt.
Ich stopfte das Bild wieder in die Tasche und rannte hinaus in die Stadt in der mittlerweile wieder die Sonne strahlte.
Das schon lange vergessene Rattern ertönte in meinen Ohren und ich nahm mir vor in Zukunft wieder öfter zu fahren.
Ja... Die Zukunft...
Was wird wohl geschehen?
Ob ich mich wohl weiterhin verstecken kann?
'Du rennst doch eh nur vor ihm Weg.'
Ich schüttelte meinen Kopf. Was wohl von außen ziemlich komisch ausgesehen haben muss.
Nein.
Ich lief vor niemandem Weg. Schon gar nicht vor Taddl.
Ob er wohl noch an mich denkt?
Oder Dner jetzt sein neuer beste-

Boom.
Mit einem Knall riss ich eine Person mit mir zu Boden.
Ein gequältes Stöhnen erklang unter mir und ich rappelte mich schnell wieder auf.
Fuck.
Wieso passierte so was immer mir?
'Lass mich nachdenken. Vielleicht weil deine motorischen Fähigkeiten fürn Arsch sind?'
"Sorry. "
Ich drehte mich schon wieder zum gehen als mich etwas gefrieren ließ.
"Ardy? "
Langsam, für meinen Geschmack etwas zu langsam drehte ich mich um und blickte in die großen Augen von... Rewi?!
Was jetzt?
'Leugnen!'
Die Wahrheit sagen?
Der Braunhaarige wartete immer noch auf eine Antwort.
Doch seine sich aufhellende Miene verriet mir das eine Antwort sinnlos wäre. Trotzdem rang ich mich zur Wahrheit durch.
"Ja? "
"Kennst du mich noch? "
Er klang in meinen Ohren viel zu begeistert.
"Klar.. Rewi. "
"Ich habe nichts mehr von die gehört seit... Ja seit du mit Youtube aufgehört hast. "
So nannte Taddl das also.
Aufgehört.. Ich stempelte das Wort als Scheiße ab.
"Und was machst du hier? "
Ich wusste noch das Basti hier eigentlich nicht wohnte.
"Ich besuche meine Tante. Zusammen mit Felix. "
Ohh Rotpilz war also auch hier?
Da hatte ich ja noch die angenehmere Seite des Rewilz-Duos erwischt. Felix hätte wahrscheinlich sofort getweetet wen er gerade in München getroffen hat.
"Willst du? "
"Huh? "
Hatte er mich was gefragt?
"Ob du mit zu meiner Tante willst. Weißt du, ein bisschen zocken und so. "
Ich ging meinen imaginären Terminplan durch.
"Uhm. Klar wieso nicht. "
"Cool. Jetzt schon? "
Ich warf einen Blick auf die Uhr am Rathaus. Dann nickte ich und folgte Rewi durch das Getümmel.
Er wird schon nichts sagen.
'Wenn du dir da mal nicht zu sicher bist.'

Nach einer gefühlten Ewigkeit schloss er die milchige Glastür eines Hochhauses auf.
Auf dem Weg hat er mir erzählt was er in letzter Zeit so gemacht hatte. Ich hörte mal wieder nicht hin. Hab ich schon mal erwähnt dass der Typ meine Nerven strapaziert?
"Also was wollen wir zocken? "
Ich stand in dem ungewöhnlich hübsch eingerichtetem Wohnzimmer. Die ausgezogene Couch und die zerknüllte Wäsche deutete darauf hin das dieses zu Rewis Schlafzimmer umfunktioniert wurde.
"Mhm. Egal. "
Er sah mich schief an doch drehte sich dann zu seiner Tasche und kramte ein Spiel heraus.
Castle Crashers.
Ob er sich daran erinnerte dass ich solche Indie Spiele vergötterte?
"Und? "
"Gute Wahl. "
Rewi grinste mich an.