Kapitel 17

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Knut eilte schnurstracks zu seinen immer noch daliegenden Zitronen und begann sie akkurat zu zerhacken. Nicht nur in Viertel, sondern penibelst in winzige Würfel, als würde er nicht wirklich anwesend sein. Sein leicht irrer Gesichtsausdruck mit den starr auf das große Hackmesser fixierten Augen und seinem wahnsinnigen Grinsen, jagten Chris eisige Schauer über den Rücken. Etwas war hier gründlich schief gelaufen!

Mit etwas Abstand rief er:"Hey Knut, alles ok?" Als würde er aus einer Trance erwachen, blickte er Chris überrascht an:"Ja, klar warum? Ich schneide die Zitronen." Plötzlich fiel sein Blick auf das riesige Hackmesser und den über das Brett laufende Zitronenmatsch.  Schuldbewusst senkte er den Kopf. 

Chris sah ihn skeptisch an. "Könntest du vielleicht das Messer weglegen", fragte er vorsichtig. Knut hielt es noch immer in seiner Hand. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht! 

Das Café leerte sich etwas, die übrigen Gäste hatten ihre Getränke und waren auch sonst versorgt. Er nahm Knut beiseite. "Was ist los mit dir", fragte er besorgt. Knut atmete tief durch, ehe er antwortete, dann gab er ihm einen Abriss des Telefonats. Chris schlug die Hand vor den Mund. Kein Wunder, daß Knut nicht mehr Herr seiner Sinne war! "Montag müssen sie deshalb vor Gericht aussagen", schloß er seinen Bericht.  Er nickte verständnisvoll. "Ich mach uns nen Kaffee und dann setzten wir uns auch mal auf den Po", grinste er aufmunternd. Knut nickte:"Aber erst rühr ich aus dem Zitronenmus ne Zitronencreme an, die kann man gut verkaufen!" Chris schaute ihm dabei zu, wie er die Schalen rauspickte und den restlichen Zitronenmatsch, erst durch ein Sieb strich und dann langsam mit Zucker und Eiern zu einer Creme kochte. Kurz darauf war die Kreation fertig und bereit verkostet zu werden. Chris probierte ein Löffelchen:"Ist das lecker!" Knut kicherte, somit waren die Zitronen doch zu etwas nützlich. Dann tranken sie entspannt ihren frisch gebrühten Kaffee, ehe sie sich weiter an ihr Tagewerk machten. 

Am Abend eilte eine junge Frau ins Café , sie wirkte irgendwie fahrig. Abrupt blieb sie am Tresen stehen. 

"Ist Chris da?" Knut nickte, da kam er schon aus dem Personalraum geeilt. "Oh, hi Michelle", abrupt blieb er stehen. Er hatte gerade so gar keine Lust auf sie und zwar in jeglicher Hinsicht. 

Knut bediente gerade Sarah, die tiefdekoltiert an ihrem Irish Coffee nuckelte und gierig die Sahne vom Löffel leckte. Er wandte sich Michelle zu:"Was darf ich ihnen kredenzen?". Sie blickte den dunkelhaarigen Mann an, als rede er in einer ihr unbekannten Sprache. Sarah flötete:"Knut, kannst du mir noch etwas von der Sahne auf den Kaffee machen?" Übertrieben sexy setzte sie sich an die Seite des Tresens und zupfte ihr Oberteil zurecht. Leicht angeekelt nahm Knut eine kleine Untertasse und sprühte etwas Schlagsahne darauf, die Chris ihr brachte. Sarah blickte ihn an und flüsterte sichtlich verärgert:"Ich hätte gern Knut gehabt." Chris verbiss sich das Lachen. Knuts Blick bei ihren Flirtkünsten waren alles andere als begeistert gewesen. 

Michelle stand noch immer, wie bestellt und nicht abgeholt da. Knut fragte sie erneut:"Was darf ich ihnen kredenzen?" Langsam dämmerte ihr, daß sie etwas ordern sollte. "Ein Tütchen bitte", näselte sie. 

Chris blieb, wie angewurzelt stehen. Bitte, das hatte sie nicht gesagt! Ihm wich die Farbe aus dem Gesicht. Knut zuckte für einen Augenblick zusammen und sah Chris beschwörend an. Wenn er hier diesen Rotz verkaufte, würde er höchstpersönlich die Bullerei rufen und zwar sofort! Doch Chris'entsetzter Blick sagte ihm, daß das nicht auf der Karte stand. Er schaltete schnell genug und brühte ihr einen Kaffee to go, dem er ein Zuckertütchen beifügte. Laut sagte er:"Natürlich mit einem Zuckertütchen, der Kaffee to go!" 

Chris schlich langsam, wie ein geprügelter Hund,  wieder hinter den Tresen, während Knut ihr den Becher reichte. Verstört blickte sie auf den Becher in ihrer Hand. Ehe sie noch etwas sagten konnte, beugte sich Chris zu ihr. Er zischte:"Du hast nen Tütchen bekommen und nun verschwinde hier gefälligst, nächstes Mal hast du Hausverbot!" Verstört, als sei sie auf einem gänzlich anderen Planeten nickte sie und verließ das Café. Knut zog angefressen bis innerlich wutschnaubend die Augenbraue hoch. Na bravo, dachte Chris, nun denkt Knut auch noch ich deale. Fuck! 

Sarah kam häufiger ins Café, besonders in den letzten Wochen, seit dieser unverschämt heiße Typ hinterm Tresen stand. Er sah einfach zum Anbeißen aus in seiner schwarzen Kleidung mit der grünen Baristaschürze. Sie hatte ihn eines Morgens entdeckt gehabt und hoffte ihn auch mal nachmittags zu Gesicht zu bekommen. Normalerweise kam sie selten her, denn Chris und sie hatten lediglich eine Fickbeziehung und sie schlief meist bis in die Puppen, aber dieser Hottie hier, lies sie schon morgens aufstehen. Wer konnte schon diesen tiefen dunklen Augen widerstehen?  

"Hast Du ne Minute, Knut", fragte Chris betont lässig.Er presste die Lippen zusammen und folgte ihm in den hinteren Teil des Cafés. Außer Hörweite für die Gäste platzte Chris heraus:"Knut, das war eben nicht geplant, Fuck, verdammt". Fahrig strubbelte er sich durch seine Haare. Knut blieb noch immer stoisch stehen. Was sollte er auch sonst tun? Das Chris kein Engel war, wußte er schon vom ersten Tag an. Das diese Gestalten immer mal wieder kämen, auch. Also, warum war er heute besonders verstört? 

Chris sah ihn an. "Sauer?" Knut schüttelte den Kopf. Chris ließ die Schultern hängen. Er fühlte sich miserabel, dealen war nicht seines und das Zeug nutzte er zum privaten Vergnügen. Knut atmete tief durch. Eindringlich mahnte er:" Chris, was hier gelaufen ist, ist nicht mehr ok. Wenn einer der Kunden begreift, was hier als Schattenwirtschaft läuft, bist du dran!" 

"Ich deale nicht!" Chris verzweifelte bald. Wobei, Knut hatte ja recht, welcher Richter glaubte bitte einem Junkie? Keiner. "Und nun", fragt er sichtlich mitgenommen "ich kann kein Schild aufstellen: Junkies unerwünscht." Er dachte nach. Das Chris nicht dealte, konnte er ihm glauben, seine Reaktion war nicht diese übertriebene Verneinung, aber auch keine Freude. Es war ehrliches Entsetzen gewesen. 

Das Café lag strategisch günstig für Gäste aller Schichten. Am einen Ende der Hauptstraße war das Bankenviertel mit allen gängigen , großen Finanzhäusern, die mit ihren Glasfassaden wie der Zukunft entsprungen anmuteten .  Der Park, der diese gläsernen Riesen durchzog , bot nicht nur Kurzweil für alt und jung, sondern lud auch andere Suspekte ein, die dort ihren Geschäften nachgingen.  Der Hauptbahnhof, mit seinen aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Haupthaus, bot für Touristen einen eben solchen Anziehungspunkt, wie gute Laufkundschaft für das Café. 

Chris lehnte sich an die Zimmerwand, eine gute Lösung wollte ihm partout nicht einfallen. Knut hingegen nickte zufrieden vor sich hin, denn er hatte schon einen Plan. 

Die Uhr zeigte kurz vor sechs an, höchste Zeit sich auf den nächsten Ansturm der Gäste vorzubereiten! Chris und Knut eilten an den Tresen.

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