Behutsam setzte er sie auf einen Stuhl, ehe er zum zweiten Mal für heute das Café abschloss.
"Magst du einen Espresso?" Sie schüttelte den Kopf.
Victoria fluchte innerlich, wie ein Rohrspatz! Ausgerechnet jetzt hatte sie einen Shutdown, ihr Körper gab buchstäblich den Geist auf! Das allerschlimmste dabei war, daß sie verstummte! Oh, wie sie es hasste! Mühsam deutete sie auf die Kühltheke in der Säfte, Snacks und Kaffee to go platziert waren.
Chris ging zur Theke. "Kaffee?" Sie hob den Finger. Er nahm eine der kleinen Flaschen und stellte sie ihr geöffnet hin. Ihre Hände zitterten noch immer unkontrolliert. Sie war nicht in der Lage diese Flasche zu trinken!
Am liebsten hätte sie vor Zorn diese dämliche Flasche vom Tisch gefegt! Sie fühlte sich erbärmlich, was sie sowas von wütend machte! Sie war tough, hart, durch nichts von den Socken zu holen! Und jetzt? Saß sie hilflos, wie ein Baby vor dieser gottverdammten Flasche und konnte sie nicht einmal festhalten um etwas zu trinken!
Chris beobachtete sie. Arme Prinzessin, irgendetwas stimmte nicht. Sie sprach nicht und zitterte, als stünde sie im Bikini in der Arktis. Sie stand unter Schock, soviel war ihm klar, aber trotzdem, etwas war da noch. Spontan steckte er ihr, als sie vergeblich sich mühte einen Schluck Kaffee zu erhaschen, einen Strohhalm in die Flasche, die er ihr festhielt.
Langsam nuckelte sie ihren Kaffee. Innerlich jedoch tobte sie! Irgendwie war ihr die Situation peinlich, ungewohnt. Was den Effekt des Shutdowns verstärkte.
"Prinzessin, ich komme gleich wieder. Ok?" Sie nickte, während sie ihren Kaffee nuckelte.
Er schlich in den hinteren Teil des Cafés. Kurz vorm Personalbereich sackte er zu Boden.
Chris war eine Weile weg, als sie ein leises Schluchzen hörte. Da ihr Körper ihr zumindest ansatzweise wieder gehorchte, ging sie dem Schluchzen auf den Grund.
Chris lehnte an der hellen Wand und schluchzte leise. Victoria tapste zu ihm und setzte sich. Vorsichtig lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter. Chris legte einen Arm um sie.
Sie kochte, wie ein Dampfkessel. Mittlerweile war sie wenigstens soweit wieder Herr ihrer selbst, daß sie sich bewegen konnte. Lediglich ihre Sprache war noch verschwunden, was sie zwar einschränkte, aber nicht davon abhielt Rache zu nehmen! Dieser Schmierlappen würde nicht ungestraft davon kommen! Plötzlich hatte sie eine Idee. Sie zog ihr Smartphone aus der Hose und tippte:Bring mich zur Polizei!
Chris schreckte zurück, als er die Nachricht las. Sie wollte zur Polizei! Warum? Wegen ihm? Er blickte sie an. In ihren schokobraunen Augen loderte unermesslicher Zorn. War sie vor einigen Minuten noch verängstigt, saß sie nun zum allem entschlossen hier. "Warum zur Polizei", murmelte er. Die Antwort las er prompt: Weil dieses Arschloch mir mein Konzert versaut hat, mich in einen Shutdown getrieben und dich zum Weinen gebracht hat!!
Chris grinste gequält. Er wußte nicht, was ein Shutdown war, aber er schien Prinzessin ziemlich zu frustrieren und das allein reichte. "Tut mir leid", flüsterte er erschöpft. Victoria setzte sich kerzengerade hin und schrieb: Was tut dir leid? Das du mir geholfen hast? Oder das der Typ nicht zum Ziel kam?
"Das ich dir Angst gemacht habe. Ich wollte..." Er brach ab. Was wollte er? "Wenn es nicht du gewesen wärst, wäre es mir ehrlich gesagt, scheißegal gewesen, was der Typ macht."
Victoria riss die Augen auf. War Chris nun völlig verrückt geworden?!
"Ich weiß, wie bösartig ich werden kann und wie gnadenlos", erzählte er gelassen, "es hat mir bisher ne Menge Ärger, viel Trouble und eine dicke Akte eingebracht. "
Sie quietschte entsetzt!
Doch Chris sprach einfach weiter:" Ich hab mir geschworen, daß ich mich aus sowas raushalte. Es ist den Ärgern einfach nicht wert. Naja, bis heute Abend. Ich konnte einfach nicht daneben stehen, während der Typ seine Drecksfinger an dich legt!" Lakonisch zuckte er mit den Schultern. "Bin halt nicht der Ritter aufm Gaul."
Victoria lehnte sich an die Wand. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, daß Chris so eiskalt sein konnte. Ihre Stimme kam langsam wieder, trotzdem schrieb sie: Warum bei mir?
Verlegen strubbelte er sich durch seine Haare. Ehm ja, warum bei ihr? Klar, wußte er die Antwort, aber ihr das so einfach zu sagen... Andererseits, was sollte er ihr denn sonst erzählen? Sie las ihn, wie ein Buch! Er zog seine Knie an und legte seinen Kopf darauf.
Sie schaute ihn nachdenklich an. Irgendwie sah er so ziemlich niedlich aus. Sie fand den Surferboy noch immer abscheulich, aber jetzt saß Chris da, zwar im Surferboylook, aber als er selbst. Ohne diese aufgesetzte Fröhlichkeit, ohne die gebleckten Zähne, die einer Fratze ähnelten.
"Ich mag dich, Prinzessin." Schüchtern schaute er sie an. Normalerweise hatte er keine Probleme einem Mädchen zu sagen, daß er sie toll fand, aber bei ihr war das etwas völlig anderes! Sie war nicht irgendein Betthupferl für ein paar Nächte!
Victoria traute ihren Ohren nicht! Perplex schaute sie ihn an. "Dein Ernst", fragte sie krächzend. Er nickte.
"Fuck." Victoria war keineswegs erfreut darüber, im Gegenteil, das gefiel ihr ganz und gar nicht!
"Ich hätte wohl besser lügen sollen", kommentierte er betrübt. "NEIN", brüllte Victoria,"nein, ich bin nur in Sachen Jungs nicht gerade bewandert", ergänzte sie leiser. "Die Jungs sind nach etwa drei Wochen geflüchtet. Hat weh getan. Will keinen Kerl mehr." Trotzig verschränkte sie ihre Arme vor dem Körper.
Chris nickte. Ohne lange zu fackeln nahm er sie erneut in den Arm. "Ich mag dich trotzdem, Prinzessin", stellte er lapidar fest. "Ich bring dich zu den Bullen."
"Bevor wir zur Polizei gehen, sollten wir dich etwas aufhübschen. Du siehst aus, wie nen Vampir nach nem all you can eat buffet!"
Brummelig ließ er sie los und stand auf. Dann half er ihr hoch. Chris lief in den Personalraum und schaute in den Spiegel. Victoria hatte untertrieben! Er hätte ausgezeichnet in einen dieser Splattermovies gepasst.
Er wusch sich das mittlerweile getrocknete Blut vom Gesicht. Auch seine Kontaktlinsen nahm er raus und schmiss sie in den Müll.
Lässig lehnte sie in der Tür und schaute ihm zu. "Jetzt siehst du besser aus", schmunzelte sie.
Da sein Hemd auch schon bessere Zeiten gesehen hatte, zog er aus. Victoria hielt sich die Hand vor Augen. "Keine Bange, ich hab n' T-Shirt drunter." Sie nahm die Hand runter, während er ein frisches Hemd aus seinem Rucksack holte. "Ich mag es nicht, wenn mich jemand nackt sieht." "Och so hässlich siehst du jetzt nicht aus." Chris schnaubte spöttisch. "Weisst du , Prinzessin. Ich werde täglich von Mädels angebaggert und irgendwann ist da wie ne Sperre. Sie wollen mit dem Surferboy ins Bett und das wars. Da hilft die Kleidung sie auf Distanz zu halten."
Victoria sah ihn nachdenklich an. Unvermittelt fragte sie:" Gehst du mit vielen ins Bett?" Chris knöpfte sein Hemd gelassen zu. "Nur mit Tanja habe ich ne Fickvereinbarung. Wir treffen uns, haben Sex und Ende. Triebbefriedigung. Sie sieht mich ohne Kleidung, aber nie nackt."
Sie blieb überraschend gelassen, stellte er fest. Spöttisch fragte er:"Demontiere ich gerade den weißen Ritter?" Sie zog übertrieben eine Augenbraue hoch:"Nö, ich bin keine Prinzessin, ich muß nicht gerettet werden. Ich bin ne Königin und bekomm' den Kram schon hin!" Er trat auf sie zu:"Für mich bist du Prinzessin. Und nun ab zur Bullerage."
"Es heißt Polizei, Chris", ermahnte sie ihn süffisant. Mit galanter Verbeugung öffnete er ihr die Hintertür des Cafés, sie traten in die Nacht hinaus und machten sich auf den Weg.
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Star Café
RomanceChris ist der Inbegriff des Sunnyboy und Inhaber des Star Café. Da er die Arbeit nicht alleine machen kann, sucht er eine Aushilfe. Knut mag soziale Interaktion ebenso gerne, wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Doch die Aussicht für das Üben...