Kapitel 50

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Der Abend war herrlich ereignislos, sie aßen Eintopf und unterhielten sich locker über dies und das.  

Am nächsten Morgen war es endlich soweit, die Fäden würden heute rauskommen. Wie hatte sich Chris nach dem Tag gesehnt! Endlich wieder ins Café. Doch in seine Freude mischte sich auf Traurigkeit. Es bedeutete nämlich um Umkehrschluss, daß die Zeit mit Prinzessin beendet sein würde. Mit gemischten Gefühlen ging er ins Wohnzimmer. 

Prinzessin war nicht da, ihr Teller noch unberührt. Verwirrt blickte er auf die Uhr, es war kurz nach acht! Er wartete noch ein paar Minuten, als sie nicht kam, ging er in ihr Zimmer. 

"Hallo Prinzessin", vorsichtig setzte er sich zu ihr ans Bett. Sie schreckte hoch. Spontan umarmte er sie:"Alles gut, ich wollte dich wecken." Sie entspannte sich wieder. "Wie spät ist es?" "Kurz nach acht." Sie schoss erneut hoch , ihr Kopf traf Chris voll am Kinn. Etwas benommen ließ er sie los und hielt sich seinen Kiefer. Entsetzt schaute sie ihn an:"Alles ok?" Wütend drehte er sich weg. Vorsichtig rutschte sie an ihn:"Chris..." Langsam ließ der Schmerz nach. Er stand wortlos auf und ging raus. 

Mit gesenktem Kopf schlurfte sie ins Wohnzimmer. Er saß ruhig am Tisch und trank Kaffee. Ihr Blick ließ ihn seine Wut vergessen, er sah ihr an, daß es ihr unglaublich leid tat. Wortlos trank sie ihren Kakao und nagte lustlos auf ihrem Brot herum. "Fahr heute allein zum Doc, ist besser ich bleibe hier." Sie stand auf und räumte ihr Geschirr in die Küche. Chris fing sie ab, als sie in ihr Zimmer gehen wollte:"Nix da, du kommst mit." Sie schüttelte den Kopf. "Doch, Prinzessin. Ich mußte nur gerade raus, sonst hätte ich dir im Affekt eine geknallt. Du hast den kompletten Unterkiefer erwischt." Erschrocken sah sie ihn, ehe sie wie ein Häuflein Elend in sich zusammensank. Chris hielt sie fest:"Ist schon gut, es geht wieder. Ich bin nicht mehr sauer." 

"Tschuldigung, das wollte ich echt nicht", schniefte sie leise. Er hielt sie noch einen Moment an sich gedrückt. Liebevoll streichelte er ihr über ihr Haar:"Alles gut, Prinzessin." Ein wenig humorvoller fügte er hinzu:"Mein kleiner Dickschädel."  Sie schaute ihn an, behutsam wischt er ihr ein Tränchen aus den Augen. 

"Ich geh mich anziehen", dann rannte sie fast aus dem Raum. Er blickte ihr nach. Sein Kiefer moserte noch immer. Vorsichtig renkte er ihn wieder ein. Kurz darauf kam Victoria wieder. Sie trug ein Blümchenkleid und Ballerinas, etwas, was er so noch nie an ihr gesehen hatte. "Hatte keinen Bock mich anzuziehen", erklärte sie entschuldigend. Einen Moment lang schaute er sie an, nahm sie bewusst wahr, ihre lange Haare , die sie zum Zopf geflochten hatte. Das dunkelblaue Blümchenkleid, daß sie ungemein jung wirken ließ. Die dunkelblauen Ballerinas, die den ganzen Look so gut unterstrichen. "Du bist wunderschön." Sie errötete leicht. "Komm jetzt, der Doc wartet." 

Chris brachte sie immer wieder an ihre Grenzen! Sie hatte den Wecker einfach nicht gehört, obwohl sie ihn gestellt hatte. Sie wußte nicht, wie sie mit seinen Komplimenten umgehen sollte. Der einzige, der ihr sonst Komplimente machte war Knuti-San. Es war zum irre werden! Das einzige was sie davon abhielt völlig am Stock zu gehen, war ihre Logik, die die Oberhand behielt. Sonst hätte sie wirklich nicht gewusst, wie sie ihm gegenübertreten konnte. 

Sie hakte sich bei ihm unter. Chris lächelte zufrieden. Bisher hatte sie sich nur bei Knut und ihm untergehakt. Etwas sagte ihm, daß sie langsam Vertrauen zu ihm fasste. Und das machte ihn unwahrscheinlich glücklich!

"Herr Silberberg, bitte." Wie oft hatte sie diesen Satz in den letzten Tagen gehört? Sie standen auf und gingen ins Behandlungszimmer. Dr. Avicenna saß gut gelaunt, wie immer, im Stuhl. "Wie geht es ihnen?" Chris nickte:"Gut. Die Nase heilt. Habe eines auf die Kauleiste bekommen. Können wir draufschauen?" Victoria sank im Stuhl zusammen. Es tat ihr unwahrscheinlich leid. Doch der Arzt gab Entwarnung:"Alles heile. Holen wir die Fäden aus der Nase." Chris bekam etwas Muffensausen. Das Lösen der Fäden ziepte etwas, war aber erträglich. Kurz darauf wars geschafft! 

Als sie vor der Praxis standen, meinte Chris:"Endlich wieder ins Café." Victoria nickte etwas abwesend:"Werde die Tage vermissen."  Er lächelte vor sich hin. "Du könntest ja öfter im Café vorbeischauen", schlug er vor. Sie schüttelte den Kopf:"Knuti-San mag das gar nicht so kontrolliert zu werden! Deshalb bin ich nur dort, wenn ich ohnehin in der Nähe bin. Der steigt sonst ausm Hemd!" Chris nahm ihre Hand:"Ich würde mich tierisch freuen, dich öfter zu sehen." Unsicher antwortete sie:"Mal schauen. Dieses Wochenende werde ich endlich lesen. Band vier der Magisterserie." Er kicherte:"Habe dich ja lange genug davon abgehalten." Ärgerlich zog sie ihre Hand weg. Doch er nahm sie erneut:"Ist doch so, immerhin wachst du mit Argusaugen darüber, daß ich keinen Unfug baue." Victoria schmunzelte. Er hatte ja recht und wenn er ihr nicht irgendwie wichtig wäre, hätte sie ihn schon längst zum Teufel geschickt! "Trotzdem fahren wir jetzt heim und ich lerne Spanisch, sonst wird das nix." "De acuerdo seniorita princesa", antwortete Chris gelassen. Sie schaute ihn mit offenem Mund an.  Verschmitzt grinste er:"Vamonos a casa." Noch immer sprachlos, zog Chris sie mit sich zum Zug. Als sie drin saßen , fand Victoria ihre Sprache wieder. Verblüfft fragte sie:"Woher kannst du Spanisch?" Chris lachte leise:"Mußte ich fürs Abi lernen. Das oder Latein." 

Dieser Kerl! Er überraschte sie immer wieder aufs Neue. Sie war fasziniert davon , neue Facetten zu entdecken. 

Zu Hause setzten sie sich an Spanisch. Victoria wühlte sich durch Grammatik und die Begrifflichkeiten der Konversation.  Nach zwei Stunden hatte sie genug:"Eso suficiente para hoy." "Du hast das es vergessen", verbesserte Chris. Fragend blickte sie ihn an. Es heißt:" Eso es suficiente para hoy."  Sie klappte das Buch zu:" Egal. Langt trotzdem für heute." 

"Ich koche Espresso und wir erholen uns etwas", lockte er sie warmherzig. Schüchtern schaute sie ihn an:"Könntest du dich bitte vorher entigeln?" Verstört blickte er sie an, was zum Teufel meinte sie mit entigeln? "Deine Stoppel aus dem Gesicht machen", erklärte sie freundlich. Plötzlich lachte er laut auf:"Du meinst rasieren?!" Sie nickte. "Endlich kann ich ja wieder", damit entschwand er ins Bad. 

Kurz darauf stand er frisch rasiert vor ihr:"Bittesehr." Frech deutete er auf sein Gesicht:"Testen, ob es ordentlich ist. " Sie wurde etwas rot. Er sah zwar auch mit den Stoppel gut aus, aber so sauber rasiert gefiel er ihr bedeutend besser! Zart streichelte sie über seine Wange. "Sehr ordentlich, dafür gibt es Kaffee." 

Ihre vorsichtige Berührung machte ihn kribbelig, betrübt brummte er, als sie damit aufhörte. 

Entspannt saßen sie am Tisch und tranken Espresso. Er mochte es den Nachmittag so ausklingen zu lassen. Während er einen der Kekse knabberte, beobachtete er Prinzessin. Zufrieden lümmelte sie auf dem Stuhl herum. Er fand es faszinierend wie sie sich verknoten konnte und das auch noch bequem zu sein schien! 

"Womit verwöhnst du uns eigentlich heute", fragte er plötzlich Seit er hier war, hatte sie jeden Abend ein himmlisches Essen auf den Tisch gestellt gehabt. "Laut Essensplan , Pfannkuchen." "Die hatte ich ewig nicht mehr", rutschte ihm heraus. Sie sah ihn befremdlich an. 

Dann fiel ihr wieder ein, daß Chris nicht wirklich kochen konnte und sicherlich auch niemand hatte, der dafür sorgte, daß er etwas Vernünftiges aß. Betrübt schüttelte sie den Kopf. Sie vergaß manchmal, daß nicht jeder diese Regel kannte. "Mindestens einmal am Tag essen Knut und ich zusammen, meist Abends. Damit beenden wir den Tag." Chris lächelte nachdenklich, in den letzten Tagen hatte er diese Struktur zu schätzen gelernt. Aber wie sollte er das bei sich implementieren? 

"Auch etwas, was ich vermissen werde", bemerkte er ruhig.  Victoria seufzte. Eine Lösung hatte sie auch noch nicht gefunden. Aber das späte Abendessen würde sie wirklich nicht vermissen! "Es wird sich schon was finden", meinte sie lakonisch, "und Pfannkuchen machen bringe ich dir heute bei, das ist echt leicht!" Er schaute sie skeptisch an, er hatte, wenn es um Kochen ging, echt zwei linke Hände!

Doch Victoria erwies sich als überraschend geduldige Lehrerin. Beim Abendessen bemerkte sie humorvoll:"Chris kann immerhin schon Pfannkuchen backen." Knut, der gerade einen weiteren auf seinen Teller verfrachtete, meinte dazu nur:"Schmeckt lecker."  

Chris lag später an diesem Abend auf seinem Bett und sinnierte über die letzten Tage. Einerseits brannte er, wieder im Café zu sein, andererseits wurde seine Sehnsucht nach solchen Abenden immer größer! Wie merkwürdig, dachte er bei sich. Das, was ich in der WG hasste, diese gemeinsame Zeit, ist jetzt etwas, was ich mag. Vielleicht, überlegte er, lag es einfach an den Menschen, die ihn umgaben. 

Zufrieden schlief er ein. 

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