Kapitel 9

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Die nächsten Tage und Wochen spielten sich langsam die nötigen Muster ein.
Knut übernahm nach zwei Wochen Einarbeitung die Frühschicht komplett alleine.

Chris hätte ihn knuddeln können, endlich etwas länger schlafen und sich erholen!

Victoria ging einmal wöchentlich ins Modehaus arbeiten.

Gut drei Monate später, an einem sonnigen Märztag, stürmte ein Mädchen mittags ins Café.

Chris war gerade angekommen um den Ansturm der Schüler am Mittag etwas abzufedern, als sie schwungvoll die Tür aufriss.
Sie konnte wohl nicht älter, als vielleicht fünfzehn sein mit ihrem zu großen Flecktarnparka und den neonpinken Boots.

Im perfekten militärischen Stechschritt trat sie an den Tresen
"Einen Caffé dopio, bitte", orderte sie außer Atem. 

Chris wollte ihr gerade erklären, daß Jugendliche leider nur entkoffeinierten Kaffee bekämen, als Knut ihr ohne mit der Wimper zu zucken eine Tasse hinstellte.

Zitternd wollte sie die Tasse vom Tresen nehmen, doch er war schneller:"Setzt dich an den kleinen Tisch um die Ecke, ich bring dir den den Caffé , Maus."
Damit trug er ihr die Tasse an den Tisch.
"Overload?" Sie nickte.

Es war ein fürchterlicher Tag in der Arbeit gewesen! 
Ihre Cheffin war ein paar Tage in Urlaub gefahren und gerade erst zurückgekehrt.
In dieser Zeit hatte die Stellvertreterin zwei neue Leute eingestellt, die leider keine Ahnung von Bekleidung hatten.
Auch hatte sie die restlichen Mitarbeiter herumkommandiert und die Dienstpläne nach el gusto modifiziert, damit sie die Leute zusammenfalten konnte, weil sie angeblich zu spät kamen. 
Heute nun war es komplett eskaliert, als das komplette Ausmaß ihrer Eigenmächtigkeiten herausgekommen war. 
Selten hatte es so ein Gebrüll im Personalraum gegeben gehabt. 
Für Victoria war von vorne herein klar gewesen, daß sie diesen Job nicht bis an ihr Lebensende machen würde, aber heute hatte sie nach dem ganzen Ärger beschlossen, zu kündigen. 
Zittrig hob sie die Tasse zu Mund und trank hastig einen Schluck der stark gesüßten, dunklen Flüssigkeit. 
Langsam kamen ihre Lebensgeister soweit wieder, daß das verflixte Zittern aufhörte. 
Knut hatte den doppelten Espresso gleich mit ein paar Löffeln Zucker versehen gehabt, da er ziemlich genau wußte, wie sie sich  fühlte und was schnell half. 

Chris nahm Knut beiseite.
"Was ist mit ihr?"
"Überreizt", antwortete Knut lapidar, dann ergänzte er:"Einfach einen Kaffee hinstellen und in Ruhe lassen."
Chris nickte. Arme Prinzessin. 
Obwohl, heute sah sie nach jungem Mädchen aus , er hatte sich derart verschätzt, als sie hereinkam.
Das passierte ihm sonst sehr selten. 

Der nachmittägliche Ansturm wogte etwas ab, als sie ihre Tasse dankbar lächelnd auf den Tresen stellte.

Chris blickte von seinem Tee hoch: 
"Geht es dir besser?"
Sie sah noch immer so zerbrechlich aus, daß es ihn erhebliche Mühe kostete, sie nicht augenblicklich in eine warme Decke zu kuscheln und ins Bett zu bringen. 
Ihr Dutt war etwas aufgelöst, feine Löckchen kringelten sich vorwitzig um ihr Gesicht. 
Der offene Parka gab den Blick auf einen feinen hellgrauen Pullover frei.
Sie nickte.

Zwischenzeitlich hatte sich Knut umgezogen.
"Bin fertig für heute", erklärte er Chris lapidar.
Dieser antwortete:"Dann husch nach Hause."
Die Jungs lachten, es war ihre Verabschiedung. 

Knut bot Victoria seine Arm an, damit sie sich, wie sonst immer einhaken konnte.
Sie schüttelte den Kopf.
"So schlimm?", fragte er.
Sie nickte.

Sie fuhren nach Hause und Victoria schrieb ihre Kündigung. 

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