Am darauf folgenden Tag reisten nicht nur die Schüler sondern auch die Gäste aus Beauxbatons und Durmstrang ab. Alle hatten sich in der Eingangshalle versammelt, die nun hoffnungslos überfüllt war. Die Schüler wuselten umeinander herum, verabschiedeten sich und tauschten Adressen aus, um einander zu schreiben. Es sah so aus, als hätten sich tatsächlich einige Freundschaften zwischen den Schülern und den Gästen gebildet. Severus stand etwas abseits und überwachte das Treiben. Ich hatte mich unter die Schüler gemischt, einfach um die Atmosphäre in mich aufzunehmen. Anders als am Vorabend, war sie nicht mehr traurig und bedrückt, sondern fast schon fröhlich. Die Vorfreude auf die Ferien, auf das Wiedersehen mit der Familie. Letzteres versetzte mir einen kleinen Dämpfer.
„Lucy!"
Irritiert drehte ich mich nach der Person um, die mich gerufen hatte und entdeckte Luna, die auf mich zukam. „Was wirst du jetzt machen? Nach deinem Abschluss und so." Ein leichtes Zwinkern und ein Zucken ihres Mundwinkels verrieten mir, dass Luna mir meine kleine Notlüge nicht übel nahm.
„Tut mir leid, dass ich gelogen habe", entschuldigte ich mich trotzdem.
„Schon vergessen. Aber kannst du dich wieder erinnern?", hakte sie nach.
„Mich wieder erinnern?", ich war ehrlich irritiert, „Woher weisst du, dass ich mich an nichts erinnern kann?"
„Nun, das wissen doch alle: die Lehrer, die Ravenclaws, die Gryffindors, die Hufflepuffs, die Slytherins, die Beauxbatons und die Durmstrangs. Alle eben. Ich weiss, du hast dich bemüht nicht aufzufallen, was dir tatsächlich einigermassen gelungen ist, als du noch bei uns am Schülertisch sassest, aber nach deiner Ankunft zusammen mit Harry und dem Toten Cedric, muss ich dir leider sagen, dass diese Mühe vergebens war."
„Oh, Morgana...", ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen, „Wie peinlich."
„Das muss dir nicht peinlich sein. Du kannst schliesslich nichts dafür", erklärte mir Luna tröstend, was allerdings nicht wirklich half. Jeder wusste, wer ich war und dass ich mich an nichts erinnern konnte. Ich stand im Zentrum der Gerüchteküche und hatte es nicht einmal bemerkt.
Später an diesem Tag spazierte ich mit Severus den langen Weg vom Schloss Richtung Hogsmead hinab. Sobald wir das Schlossgelände verlassen hatten, würden wir disapparieren. Professor McGonagall, die mir inzwischen das Du angeboten hatte, begleitete uns. Wären die Umstände andere gewesen, hätten wir wahrscheinlich über den neusten Klatsch und Tratsch der Zaubererwelt oder etwas in der Art geredet, aber stattdessen gingen wir schweigend nebeneinander her.
Erst als wir an der Grenze angekommen waren, ergriff Minerva das Wort: „Nun, ich nehme an, man sieht sich bald wieder. Gehe ich recht in der Annahme, dass du dich uns anschliessen wirst, Lucy?"
„Mich wem anschliessen? Was meinst du damit?", fragte ich.
Sie warf Severus einen vorwurfsvollen Blick zu. „Ich dachte, Severus hätte es dir bereits gesagt. Nun, ich wollte wissen, ob du sich dem Widerstand anschliessen wirst."
„Dem Widerstand gegen Voldemort?", fragte ich. Minerva zuckte zusammen, nickte aber. „Natürlich will ich mich dem anschliessen", beschied ich ihr, „Er hat meine Eltern auf dem Gewissen!"
Minerva zuckte wieder zusammen. „Du erinnerst sich also wieder?", fragte sie.
Entnervt verdrehte ich die Augen. „Nur ein weiteres Bruchstück, sonst nichts. Ich hab' kaum etwas Nennenswertes vorzuweisen, was meine Erinnerungen anbelangt. Leider", ich seufzte, „Und wie's aussieht, werde ich den gesamten Schulstoff nochmals überfliegen müssen, nur um ihn wieder zu können."
Minerva war entsetzt: „Du musst alles von Grund auf neu lernen?"
„Nicht von Grund auf", schaltete sich jetzt Severus in unser Gespräch ein, „Ihre Fertigkeiten sind alle noch vorhanden. Lucy reagiert instinktiv, wenn sie zum Beispiel angegriffen wird und dann kann sie auf ihr ganzes Repertoire zurückgreifen, allerdings scheint ihr aktiver Zugriff auf dieses Wissen irgendwie ... „verschüttet" zu sein."
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Lucy Adria - Die Kräfte des Wassers (HP FF)
FanfictionAls Lucy Adria in Hogwarts auftaucht, kann sie sich an absolut nichts erinnern ausser an das, was nur wenige Augenblicke zuvor geschehen ist. Zudem herrscht überall helle Aufregung, was nicht gerade dabei hilft, das Chaos, das sich ihr Leben nennt...