50. Kapitel - Bei allen sieben Weltmeeren

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«Miss Adria?»

Eine aufgeregte Stimme drang in mein Bewusstsein und ich blinzelte verwirrt. Ich war wieder in Hogwarts und in dieser Realität, in der ich fast all meine Erinnerungen und meine ganze Familie verloren hatte. Viel lieber wäre ich bei meinem neunjährigen Ich verweilt, dass sich vor dieser Geschichte um ihre Tante Tiriana und Voldemort zwar gegruselt, aber sie nicht wirklich verstanden und auch nicht wirklich als real angesehen hatte.

«Miss Adria.»

Ich sah hoch in Professor Flitwicks Gesicht und diese kleine Bewegung reichte, mir jeden Muskel und Knochen in meinem Leib schmerzlich in Erinnerung zu rufen. Wie lang hatte ich auf dem harten Boden gesessen?

«Alles in Ordnung bei Ihnen?», fragte mein Hauslehrer.

Ich versuchte mich an einem Lächeln. «Alles gut, ich bin nur zu lange hier gesessen und jetzt tut mir alles weh davon.»

«Aha. Und das ist so schlimm?» Flitwick deutete auf den Boden zu unseren Füssen, der gut fünf Zentimeter tief unter Wasser stand. Wie war das denn geschehen? Klar hatte ich eine Erinnerung gehabt, aber normalerweise hatte ich doch Angst, wenn die Pfützen erschienen. Hm, die Geschichte meines Vaters hatte meinem neunjährigen Ich Angst gemacht. Aber dass es deswegen gleich so eine grosse Wasserlache gab?

Und dann begriff ich es. Es war nicht nur die Geschichte über Tante Tiriana, die mir Angst machte, vielmehr war es die Erinnerung an meine eigene Geschichte. Ich hatte meine Gabe verstecken wollen, um mich zu schützen, aber ich war aufgeflogen. Aber wahrscheinlich hätte es nichts geändert, wäre das nicht passiert. Sicher wäre meine Familie dann trotzdem verfolgt worden. Von Voldmort. Weil er die Gabe der Adrias – meine Gabe – für sich hatte nutzen wollen. Wut, Trauer und Angst tobten in mir. Voldemort hatte alle Mitglieder meiner Familie verfolgt, sie gezwungen, sich ihm anzuschliessen, wie es meine grosse Schwester Sandra getan hatte, oder sie getötet, wie meine Eltern, wie Kathrin, wie meine Zwillingsschwester Lynn, wie Stephanie, Onkel Lars, meine anderen Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins und sicher auch Tante Tiriana. Und jetzt gab es nur noch mich, ich war diejenige, die er wollte – aber er hatte nichts mehr gegen mich in der Hand. Ich hatte nichts mehr zu verlieren, nur noch etwas zu gewinnen. Rache. Ein harter Ausdruck breitete sich auf meinem Gesicht aus und mein Mund verzog sich zu einem zähnebleckenden Lächeln. Rache.

«Miss Adria! Sie müssen damit aufhören! Miss Adria! Hören Sie sofort auf damit!», hörte ich Flitwicks schrille Stimme, doch ich war zu sehr in meine Gedanken versunken. Rache, ich würde Rache üben. Ich würde meine Familie rächen, koste es was es wolle.

«Bei Merlins zerbrochenem Zauberstab!», hörte ich Flitwick murmeln, dann schoss ein silbernes Etwas an mir vorbei und kurz darauf hörte ich, wie sich weitere Schritte näherten.

Rache an all denen, die meiner Familie wegen dieser Gabe etwas angetan hatten, an all denen, die mir deswegen etwas angetan hatten, an all denen, die dafür sorgten, dass andere glaubten, sich vor mir fürchten zu müssen.

*****

„Du bist eine Missgeburt, Lucy Adria! Eine Missgeburt, hörst du?", schrie der Junge mich an und spuckte mir direkt ins Gesicht. Mit voller Absicht.

Die Augen zu Schlitzen verengt starrte ich ihn an. Er war ein Hufflepuff; ein Jahr älter als ich. Ein Siebtklässler. Ich hatte ihm nie irgendwas getan, auch nicht schlecht über ihn geredet oder so. Ich kannte ihn nicht einmal, das heisst nur vom Sehen.

„Scher' dich zu deiner Todesserschwester! Mit deinen dunklen Kräften passt du perfekt zu denen!"

Dunkle Kräfte? Ich begriff nicht, wovon er sprach. „Was meinst du damit?"

Lucy Adria - Die Kräfte des Wassers (HP FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt