Hogwarts verschwand vor meinen Augen, als ich mich um mich drehte und aus dem Raumgefüge hinausglitt. Die Luft wurde mir in der Lunge zusammengedrückt, doch bereits Augenblicke später, konnte ich wieder frei atmen und vor meinen Augen breitete sich ein Anblick aus, den ich lange nicht mehr gesehen hatte – oder, wenn man nur mein neues Leben rechnete, nie zuvor. Ich stand oberhalb einer Kalkstein-Klippe. Rechts von mir lag das Keltische Meer, dass gegen die Felsen donnerte, links weites, flaches Heideland. Vor mir ragte eine ungepflegte Hecke in die Höhe und dahinter erblickte ich ein grosses, weisses Haus mit blauen Fensterläden und rotem Ziegeldach. Vor mir lag Adria's Edge, der Ort, an dem meine Familie über Generationen hinweg gelebt hatte, bis Voldemort uns vor etwa fünfzehn Jahren allesamt getötet hatte. Ja, mich auch, so hatte man mir zumindest gesagt. Seit etwas weniger als einem Jahr weilte ich wieder unter den Lebenden, leider jedoch ohne den grössten Teil meiner Erinnerungen. Wie genau es dazu gekommen war, wusste ich immer noch nicht, doch ich wusste, dass ich nicht mehr länger untätig in Hogwarts herumsitzen konnte. Ich musste etwas tun. Ich musste einen Weg finden, Voldemort für die Ermordung meiner Familie zur Rechenschaft zu ziehen. Ich musste eine Möglichkeit finden, ihn zu töten.
Ich folgte einem schmalen, ausgetretenen Pfad über die Heide auf das Haus zu. Er war fast vollkommen zugewuchert, so lange war es schon her, dass das letzte Mal Füsse über ihn geschritten waren. Der Pfad führte zu einem Gartentor in der Hecke, dass in deren Zweige beinahe nicht mehr zu sehen war. Das Tor war verschlossen oder aber derart verrostet, dass ich es von Hand nicht öffnen konnte. Ein Alohomora verschaffte abhilfe und das laute, schrille Quietschen, das folgte, als ich das Tor nach innen drückte, bestätigte meine zweite Theorie. Bilder blitzten vor meinen Augen auf, als ich durch das Tor trat, von meiner Zwillingsschwester Lynn, von Severus Snape, der für uns wie ein Bruder war, und von mir, wie wir uns beim Versteckspiel mit meinen anderen Schwestern durch das Gartentor hinausgestohlen hatten, um nicht gefunden zu werden. Ich war hier einst glücklich gewesen, so unglaublich glücklich und unbeschwert, wie nur Kinder es sein konnten.
Der Garten war ebenfalls ganz verwuchert, von dem schönen englischen Rasen, auf den mein Onkel so stolz gewesen war, war nichts mehr zu sehen und auch die Gemüsebeete waren nicht mehr existent. Was allerdings geblieben war, war der kleine Hain am anderen Ende des Gartens. Als Kinder hatten wir ihn immer gemieden, er war uns unheimlich gewesen, jetzt zogen mich meine Schritte dorthin. Ich duckte mich unter den verwilderten Bäumen hindurch, bis ich an eine kleine Lichtung gelangte. In ihrer Mitte stand ein Schrein, ein kleines Haus aus Stein, das mit vielerlei kleinen Metalltafeln geschmückt war, dazwischen rankte sich ein gemalter Baum. Am Fuss des Schreins standen Kerzengläser, die Kerzen darin waren schon lange ausgebrannt und die Gläser bis oben hin mit Regenwasser gefüllt. Ich trat näher an den steinernen Bau heran und kniete mich dort nieder, wo sich das Wurzelwerk des aufgemalten Baums befand. Zwei Metallplättchen waren hier befestigt. Sie waren mit Moos bedeckt, doch auch sonst hatte der Zahn der Zeit dafür gesorgt, dass ihre Inschriften kaum noch zu lesen waren, doch ich wusste auch so, was dort zu lesen war. Galahad Adria, stand da, 1289 - 1357, Erbauer von Adria's Edge, und auf der Tafel daneben: Eilantha Adria, geborene Dulac, 1300 – 1388. Meine beiden Urahnen. Mein Vater hatte in meiner Kindheit oft mit mir hiergestanden und mir unseren Familienstammbaum gezeigt. Ich hatte es faszinierend gefunden, wie der Stammbaum sich immer und immer weiter verzweigte und viele Enden schliesslich in grossen, gemalten Blütendolden endeten, wenn sich die Verwandtschaftsverhältnisse weiter von der Erblinie entfernten, doch der eigentliche Grund, weshalb mein Vater mich immer und immer wieder hierhin gebracht hatte, waren die Namen auf den goldenen Täfelchen. Anders als alle anderen Täfelchen waren sie auch nach all den Jahrhunderten hell und glänzend und die Namen konnten problemlos gelesen werden. Die erste dieser Tafeln befand sich im dicken Stamm gleich über denen von Galahad und Eilantha Adira. Abraham Adria, 1317 – 1438. Ich erinnerte mich daran, was mein Vater über die goldenen Tafeln zu mir gesagt hatte: «Das sind all deine Vorfahren, die deine Gabe in sich getragen haben. Sie allen hatten die gleiche, unvergleichbare Magie, wie auch du sie hast, Lucy.» Tränen traten mir in die Augen, als diese Worte in meinem Kopf widerhallten. Ich vermisste meinen Vater so unendlich und auch meine Mutter, meine Schwestern und Onkel Lars. Ich folgte den gemalten Zweigen des Baums bis weit hinauf in die obersten Äste, wo die Tafeln meiner Familie angebracht waren. Als erstes fand ich die von Onkel Lars, einen Ast weiter dann den Rest meiner Familie: Timethy Adria, 1927 – 1978; Corinne Adria, 1931 – 1978; meine Eltern. Liam Adria, 1953 – 1956. Liam wäre mein älterer Bruder gewesen, doch er war nur wenige Jahre nach seiner Geburt gestorben und mit ihm auch der letzte Erbe unseres Familiennamens. Ich hatte seinen Tod immer bedauert, doch richtig verstehen konnte ich die Trauer meiner Eltern um ihn nie, ich hatte ihn nicht einmal kennengelernt. Danach kam Sandra, meine älteste Schwester und die einzige, deren Tafel kein Todesdatum aufzeigte. Ehrlich gesagt war ich überrascht, Sandras Tafel hier überhaupt vorzufinden. Die Tafeln und Namen verschwammen vor meinen Augen, als mich die Erinnerung einholte.
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Lucy Adria - Die Kräfte des Wassers (HP FF)
FanfictionAls Lucy Adria in Hogwarts auftaucht, kann sie sich an absolut nichts erinnern ausser an das, was nur wenige Augenblicke zuvor geschehen ist. Zudem herrscht überall helle Aufregung, was nicht gerade dabei hilft, das Chaos, das sich ihr Leben nennt...