Ich hatte mich für den Rest des Wochenendes in meinem Schlafsaal vergraben und über Sandra nachgedacht. Ich hatte nicht sehr viele Erinnerungen an sie. Sie war fünf Jahre älter als ich und ich war gerade mal sechs Jahre alt gewesen, als sie nach Hogwarts kam. Die meisten Erinnerungen, in denen Sandra vorkam, stammten aus irgendwelchen Ferien und oft hatte sie sich auch dann zurückgezogen oder etwas mit ihren Freunden aus Hogwarts unternommen. Es kam mir so vor, als hätten wir kaum miteinander zu tun gehabt – dabei waren wir doch Schwestern. Wieder einmal fluchte ich über die verlorenen Erinnerungen. Es kam mir so vor, als würde ich diese Person, meine Schwester, gar nicht kennen, aber das konnte ja kaum so gewesen sein.
Als ich dann am Montag das erste Mal seit meinem Zusammenbruch am Freitag wieder in der grossen Halle auftauchte, folgte mir Gemurmel. Ich hörte die anderen Schüler darüber flüstern, dass Snape mich aus der Halle gezogen hatte und ich danach nicht mehr aufgetaucht war, und darüber, dass eine Verwandte von mir eine Todesserin war. Ich setze mich zu meinen Klassenkameraden an den Ravenclawtisch, als plötzlich Cho Chang nur wenige Plätze entfernt aufstand und aus der Halle rannte. Einige ihrer Freundinnen folgten ihr, nur Marietta blieb noch zurück und kam zu mir herüber.
«Das du dich überhaupt noch zu uns an den Tisch setzt. Jemand wie du, jemand der mit Todessern verwandt ist, sollte an dem Tisch sitzen.» Sie zeigte zum Tisch der Slytherins hinüber, bevor sie dann ebenfalls Cho aus der Halle folgte. Verwirrt starrte ich ihr hinterher und plötzlich veränderte sich die Halle um mich herum.
*****
Lynn und ich beugten uns über den Klitterer, den unsere Schwester Kathrin abonniert und wie immer uns überlassen hatten, nach dem sie selbst mit ihm durch war. Wie immer hatten wir die Seite mit der Liste der Gefallenen aufgeschlagen. Die Ausgabe war vom 4. November und scheinbar hatten die Todesser Beschlossen den Tag der Toten – Halloween – auf ihre Art zu feiern. Die Liste war diese Woche viel länger als sonst. Besorgt lasen Lynn und ich die Spalte mit den Toten durch. Als ich am Ende angekommen war, seufzte ich erleichtert auf. Niemand den wir kannten war dabei. Doch dann stiess Lynn mich in die Seite und deutete auf einen Namen in der Spalte der Täter. Sandras Name stand dort. Nicht nur einmal. Zweimal, dreimal, viermal, ... einundzwanzigmal insgesamt. Schockiert starrte ich auf den Namen meiner Schwester und las dann die anderen Namen und die Informationen, die daneben standen.
Sandra Adria, Bellatrix Lestrange, Rudolphs Lestrange, Amycus Carrow. Verantwortlich für ein Massaker an 21 Muggeln.
Dann hatte Sandra wahrscheinlich gar nicht alle einundzwanzig ermordet, sondern nur einen Teil davon. Was allerdings immer noch fünf Morde waren. Mindestens.
«Was ist los?», fragte Thomas Thrive, ebenfalls ein Ravenclaw, der wie Kathrin in der Siebten war.
«Sandra war an einem Massaker beteiligt», sagte Lynn leise, jedoch nicht leise genug als dass niemand sonst sie hätte hören können. Die Information verbreitete sich wie ein Lauffeuer und bald sprach die ganze grosse Halle darüber, dass die älteste Adria-Schwester zusammen mit drei anderen Todessern einundzwanzig Menschen ermordet hatte. Nur die Slytherins schien diese Neuigkeit nicht zu kümmern.
Es war ja eigentlich nichts neues, dass Sandra eine Todesserin war und ihr Name erschien auch hin und wieder im Klitterer, doch das ... ein Massaker ... das hätte ich meiner Schwester nie zugetraut. Grundsätzlich nicht, dass sie sich den Todessern anschloss. Sandra war eine Adria und unsere Familie stand für Toleranz, für Akzeptanz, für Weltoffenheit. In unserer Familie spielte es keine Rolle, ob jemand nun reinblütig war oder von Muggeln abstammte. Sandra war ja auch selbst mit einem Muggel befreundet gewesen, sie war mit Josh befreundet gewesen. Trotz all der Beweise für Sandras Bruch mit den Werten unserer Familie war es für mich immer noch unverständlich, wieso sie das getan hatte.
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Lucy Adria - Die Kräfte des Wassers (HP FF)
FanfictionAls Lucy Adria in Hogwarts auftaucht, kann sie sich an absolut nichts erinnern ausser an das, was nur wenige Augenblicke zuvor geschehen ist. Zudem herrscht überall helle Aufregung, was nicht gerade dabei hilft, das Chaos, das sich ihr Leben nennt...