KAPITEL DREIUNDVIERZIG
K E E P T H E B U R R I E D
O N E S I N Y O U R H E A R TLiebe Grace,
ich bin wirklich sehr stolz auf dich. Ich weiß, es war ein schwerer Schlag zu erfahren, dass dein Vater und ich wieder zusammen sind, und ich kann verstehen, wenn du dich hintergangen fühlst, aber wir tun das alles nur für unsere Familie und für dich. Ich weiß auch, dass du nie zu diesen Menschen gehören wolltest, aber dies ist nun dein Leben und du solltest es respektieren. Maximilian kann dir etwas bieten und er wird gut für dich sorgen, vertrau mir.
Ich schnaubte verächtlich und hob den Kopf von dem zerknitterten Brief, den mir meine Mutter geschrieben hatte. Ich schloss die Augen und atmete kurz tief durch, dann öffnete ich sie wieder und stellte zu meinem Bedauern fest, dass sich nichts an meiner derzeitigen Situation geändert hatte. Ich saß nach wie vor auf meinem Bett im Gemeinschaftsraum der Gryffindors, ein Bein an gewinkelt, dass andere von der Kante baumelnd. Und nach wie vor hatte ich den goldenen Ring am Finger meiner rechten Hand. Ich seufzte leise. Ich war noch immer mit Max verlobt. Und das würde sich auch nicht ändern, solange ich nichts dagegen tat.
Gedankenverloren strich ich über die kleine Wölbung meines Bauches, die man mit Leichtigkeit übersah, doch von der ich ganz genau wusste, dass sie da war. Professor Dumbledore hatte mir sein Wort gegeben, dass ich die Schule beenden durfte und dass er mir helfen würde, den Bauch in den letzten Monaten der Schwangerschaft vor den anderen Schülern zu verstecken. Es wäre nicht klug, sie von dem Baby wissen zu lassen. Außer den Professoren Dumbledore und McGonagall und Flo hatte ich niemandem davon erzählt und das sollte vorerst auch so bleiben.
Und auch der Winter verging und immer wieder wurde von neuen Angriffen auf Muggel und muggelstämmige Familien berichtet. Mehr und mehr meiner Mitschüler wurden von ihren besorgten Eltern aus der Schule genommen und als Hogsmead, das kleine Dorf, in dem nur Hexen und Zauberer lebten, erneut angegriffen wurde, geschah eine schreckliche Tragödie.
Es war der erste März. Knapp ein Jahr nach der Attacke am Valentinstag, doch dieses Mal war es anders, es war schlimmer, viel schlimmer. Ich war an jenem Tag oben im Schloss geblieben, weil mir die Schwangerschaft zusetzte, doch man konnte die Schreie und Explosionen bis hinauf in die alten Mauern hören. Vor meinem inneren Auge spielte sich schon wieder das schreckliche Szenario von Flo, blutüberströmt auf dem Boden liegend, und Jonas, der davon humpelte, ab und ich hoffte, betete, dass die beiden und alle anderen es heil da raus schafften.
Doch so war es nicht. Nicht dieses Mal.
Der späte Nachmittag des ersten März war ruhig. Glocken ertönten von irgendwoher und Rauch stieg von ausgebrannten Gebäuden in die Luft. Eine einsame Leere lag über dem Tal. Schüler mit Ruß im Gesicht, zerrissener Kleidung und Schürfwunden an Ellenbogen und Knien bahnten sich ihren Weg in den Krankenflügel, Schwerverletzte wurden direkt aus dem Dorf von Heilern und Mitarbeitern des St. Mungos abgeholt und zu allem Unglück gab es an diesem Tag mehr als einen Toten.
Ich lief gerade unruhig vor der Großen Halle auf und ab, als plötzlich die Eingangstür aufging und ein Haufen Schüler hereinkam. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und hielt, leicht verzweifelt, nach Flo und Azra. Irgendwann entdeckte ich den Rotschopf dann in der Menge der Mädchen und Jungen, die teils verängstigt, teils wütend drein blickten. „Oh mein Gott, Flo!", rief ich und rannte dann auf meine beste Freundin zu. „Dir geht es gut", stellte ich fest und sie nickte.
Getrocknete Tränenspuren klebten in ihrem Gesicht und ihre roten Haare waren zerzaust. „Hey, alles in Ordnung. Ich bin okay", sagte sie erschöpft und strich sich wehmütig über ihre zerfetzte Jacke. „Verdammt, die mochte ich am liebsten."
Daraufhin lachte ich leise und schloss sie dann in die Arme. „Wo ist Azra?", fragte ich anschließend, nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten.
Flo zuckte mit den Schultern und sah sie suchend um. „Ich weiß es nicht. In Hogsmead waren wir noch zusammen, aber als dann das Chaos losbrach, wurden wir irgendwie voneinander getrennt", sagte sie ratlos.
„Immerhin ist dir nichts passiert—", sagte ich erleichtert.
„Grace", unterbrach Flo mich jedoch und verwundert erwiderte ich ihren ernsten Blick.
„Was ist?", fragte ich und die Rothaarige schluckte schwer.
„Miles, er—" Sie schüttelte den Kopf, Tränen brannten in ihren Augen und hastig zog sie die Nase hoch.
Ich starrte sie voller Entsetzen an. „Was ist mit ihm?", fragte ich mit bebender Stimme und Flo räusperte sich, ehe sie fortfuhr: „Er ist tot, Grace. Sie haben ihn umgebracht."
Ich sah sie ungläubig an.
Das konnte nicht sein.
„Warum sagst du das?", fragte ich und Flo sah mich mitleidig an.
„Es tut mir leid", sagte sie und ich biss mir auf die Unterlippe, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.
„Wie ist er—?" Ich konnte den Satz nicht beenden, doch Flo verstand mich auch so.
„Der Avada Kedavra", antwortete sie mit hohler Stimmer.
„D-Das kann nicht sein", murmelte ich fassungslos. „Er war doch—" Ich schüttelte den Kopf und brach dann in Tränen aus.
„Ist schon okay", sagte Flo beruhigend, nahm mich in die Arme und strich mir behutsam über den Rücken.
Ich konnte nicht anders, als zu weinen.
𓆸
Die Beerdigung der Opfer fand ein paar Tage später statt. Ich war mir nicht sicher, ob ich hingehen sollte, deshalb ließ ich es bleiben. Ich wollte Mila nicht in die Augen sehen. Ich konnte es einfach nicht. Erst als alle Trauernden wieder gegangen waren, wagte ich mich auf die etwas abgelegenere Schlossgründe hinunter, um den Toten zu gedenken und ihnen die letzte Ehre zu erweisen.
Ich war geschockt über die vielen weißen Grabsteine aus Marmor, die in drei säuberlich Reihen angeordnet waren und vor welchen Kränze aus Blumen lagen. Mit Tränen in den Augen betrachtete ich sie. Der erste gehörte zu Penny Haywood, einer Sechstklässlerin aus Hufflepuff, danach folgten vier weitere, die ich nicht kannte. Auch Kiran O'Dare befand sich unter den Opfern. Er war aus der zweiten Klasse und hatte sich offenbar mit ein paar seiner Freunde durch einen der unzähligen Geheimgänge einen Weg nach Hogsmead gesucht. Ein flaues Gefühl machte sich in meinem Magen breit, als ich auf seinen Grabstein hinab schaute. Was für ein dummer, kleiner Junge.
Ich seufzte leise und wandte mich dann ab. Meine Augen brannten unangenehm und rasch hielt ich nach Miles' Grabstätte Ausschau. Schließlich fand ich sie in einer der hinteren Reihen neben der von Ida Zorellian. Mit Tränen in den Augen starrte ich auf die in den weißen Stein eingravierte Schrift hinunter.
Miles Bellisario
geboren am 6. August 1960
gestorben am 1. März 1979
Wer geliebt wird, kann nicht sterben, denn Liebe bedeutet Unendlichkeit.Ich presste die Lippen aufeinander, zog dann meinen Zauberstab aus der Tasche und schwang ihn einmal durch die Luft. Aus dem Nichts tauchte plötzlich eine weiße Rose in der Luft auf und schwebte dann sachte auf das Grab hinunter. „Es tut mir so leid, Miles", sagte ich leise, dann wandte ich mich ab und ging.
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the beauty of grace, 𝐒𝐈𝐑𝐈𝐔𝐒 𝐁𝐋𝐀𝐂𝐊
FanfictionTHE BEAUTY OF GRACE | ❝Wir waren alle unzertrennlich. Bis die Liebe kam. Und der Krieg.❞ Grace Carter war sich bisher immer sicher gewesen, ihren Platz in der Welt zu kennen. Ihr Leben war bis auf Weiteres verplant: Sie wollte die Hogwartsschule fü...