9.

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Er?

Er spuckte noch einmal auf den, der mich angegriffen hatte und sah mir dann direkt in die Augen. Noch immer liefen mir die Tränen runter und beruhigen konnte ich mich nur schwer, da ich das ganze Geschehen von eben einfach nicht wahrhaben konnte. Er kam auf mich zu, nahm mein Gesicht in seine Hände und strich mir mit seinem Daumen die Tränen von meinen Wangen. "Sht" murmelte er und fuhr mir dann durch die Haare. Ich sah vermutlich schrecklich aus, aber daran konnte ich wenig denken. Ich hatte niemals gedacht, dass mir je so etwas passieren konnte und das ich eigentlich genau wusste, was ich in solchen Situationen hätte tun müssen, aber da hatte ich mich wohl getäuscht. 

"Bist du verletzt?" er sah mir wieder tief in die Augen, woraufhin ich mit dem Kopf schüttelte. Jedoch hatte ich immer noch starke Angst, da der Kerl, der mich anfasste, immer noch in meiner Nähe auf dem Boden lag. Schon wieder packte mich eine eisige Kälte und ich begann zu zittern. Als er meine Hand nahm, erschrak ich und wollte erst meine Hand wegziehen, beruhigte mich jedoch schnell wieder. Er zog mich in die andere Richtung, ließ den Mann einfach auf dem Boden liegen und ich folgte ihm. Bei seinem Auto stieg ich ohne zu zögern ein, der Geruch, welcher mich umhüllte beruhigte mich sofort und ich hörte tatsächlich sogar auf zu weinen. 

"Will?" ich sah ihn an und er drehte sich fast sofort zu mir. Ich versuchte, ein Wort herauszubringen, jedoch klappte es nicht und ich hatte das Gefühl, dass ich erstickte. Irgendwann nach einer Weile spürte ich, wie sich seine Arme um mich schlangen und mich zu sich auf seinen Schoß zogen. Nun saß ich auf seinen Oberschenkeln, mein Kopf lag auf seiner Schulter und seine Arme hielten mich fest. Normalerweise würde ich so etwas nicht zulassen, aber gerade half es mir so sehr. Ich begann einfach zu weinen, ohne mich zu schämen und ohne Hemmungen. 

Ich schämte mich. Schämte mich dafür, dass ich nichts gemacht habe, schämte mich, weil ich es zugelassen hatte und schämte mich für mein Weinen. Nach einer Weile, packte er mein Gesicht und sah mich an. "Beruhige dich!" sagte er in einem bestimmenden Ton und tatsächlich, hörte ich auf zu weinen. "Du bist in Sicherheit!" und genau das war der Satz, den ich brauchte um wieder klar zu kommen. Ich schloss meine Augen, atmete tief durch und legte meinen Kopf wieder auf seine Schulter. Wir blieben noch ein ziemliche Weile so sitzen, bis ich irgendwann bemerkte, in welcher Situation ich mich gerade eigentlich befand und wurde prompt rot. Sofort versuchte ich mich von seinem Schoß zu winden und er ließ mich machen. Die Situation fühlte sich komisch an, da ich noch nie so nah mit einem Jungen gekommen war, geschweige denn auch nur irgendeine Erfahrung mit einem Jungen hatte. Auch wenn ich auf diese hätte verzichten können. 

Ich war ziemlich unbeholfen und wusste nicht, was ich tun sollte, weswegen ich einfach Danke sagte. Danach war es lange Zeit sehr still, in der ich merkte, wie er mich einfach nur ansah und weil mir das ziemlich unangenehm war, sah ich auf meine Hände, mit denen ich spielte. "Wirst du schlafen können?" die Frage kam plötzlich und so unvorbereitet, dass sie mich erschrak. Ich wusste, dass lügen nichts bringen würde, weswegen ich nur mit den Schultern zuckte. Kurz danach spürte ich, wie das Auto losfuhr und schnallte mich schnell an. Fragend sah ich ihn an, was er schon bemerkte ohne das er gucken musste. "Du kommst mit zu mir!" erwiderte er so bestimmend und mir klappte der Mund auf. 

"Nein, das geht nicht. Meine Eltern!" hielt ich lautstark dagegen und ich bildete mir fast ein, dass er sich vor meiner Schroffheit erschrak. Er musste merken, dass ich es ernst meinte, da er sofort das Auto wendete und in Richtung meiner Straße fuhr. Relativ schnell waren wir da und weil ich ihn nicht mehr ansehen konnte, murmelte ich noch ein Danke und stieg schnell aus dem Auto. Vor der einfahrt war es leer, weswegen ich vermutete, dass meine Eltern Essen waren und das war mir im Moment nur recht. Im Gehen zog ich mir meine Alltagskleidung aus und stieg in der oberen Etage dann in die Dusche. Ich hatte zwar schon geduscht heute, fühlte mich aber so eklig, dass ich da erstmal von meinem Körper abwaschen musste. Doch es war egal, wie heiß das Wasser war, das Gefühl ging nicht weg. Erst als meine Haut ganz schrumpelig war, verließ ich die Dusche und zog direkt frische und vor allem dicke Sachen an. 

Mir war immer noch sehr kalt und deswegen verschwand ich auch schnell unter meiner Bettdecke. Davor schmiss ich die Klamotten jedoch in den Müll, denn egal wie schön sie waren oder wie viel Geld ich darin investiert hatte, sie würden mich immer an dieses Ereignis erinnern und das könnte ich ertragen. Bevor ich jedoch die Augen schloss, zog ich unter meiner Matratze ein kleines Büchlein und einen Stift hervor. Ja, ich schrieb Tagebuch. Aber für jemanden, der sehr gerne las war das glaube ich kein Wunder und ich schrieb ja auch nur herein, wenn es Ereignisse in meinem Leben gab, welche ich nur so verarbeiten konnte. Nach drei ehrlichen und gefühlvollen Seiten, hatte ich dann schließlich alles von der Seele geschrieben und konnte dann meine Augen schließen. 

Schnell driftete ich in eine Traumwelt mit dunklen Gassen, gefährlichen Kreaturen und eisblauen Augen. 

With all my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt