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Ich gab mich dem Kuss völlig hin, auf der einen Seite natürlich, weil ich ihn vermisst hatte. Auf der anderen Seite jedoch hatte ich gehofft, dadurch dieses Gesicht aus meinen Gedanken zu kriegen und vielleicht auf andere Gedanken zu kommen. Zu meinem Glück, ging Will direkt darauf ein, presste seinen Körper gegen meinen und gab sich mir komplett hin. Es war mir jedes Mal ein Rätsel, wie es sich immer noch so unglaublich krass anfühlen konnte. 

Der Kuss hätte ewig dauern können, wenn Edwin ihn nicht durch sein Räuspern unterbrochen hätte. Ich löste mich von ihm und sah, dass Will ihm den Mittelfinger zeigte, woraufhin ich nur die Augen verdrehte. Edwin dagegen begann zu grinsen und dann schlugen die beiden sich ein. Ich habe den Umgang von Jungs untereinander noch nie wirklich verstanden. Ich verstand es schon, wenn man sich gegenseitig manchmal ein wenig stichelte, aber oftmals übertreiben Jungs da einfach richtig und das fand ich einfach nur ein wenig merkwürdig. Ich musste aber auch sagen, dass ich mich gerade bei den beiden darüber freute, dass die sich endlich verstanden. Da es mich schon echt quälte. 

"Was siehst du eigentlich so scheiße aus?", fragte Will direkt an Edwin gerichtete und da musste sogar ich mir da Lachen verkneifen. Ich sah mir Edwin genau an und musste gestehen, dass es das erste Mal war, wo ich ihn so fertig sah. Er hatte Augenringe, welche selbst der beste Concealer machtlos gewesen wäre. Er trug eine Cap und an den Haaren, welche aus der Seite heraus guckten, konnte man erkennen, dass er diese nicht gemacht hatte. In seinem Gesicht sah man tatsächlich einen leichten Schatten und auch seine Kleidung war wahllos zusammengewürfelt. Er selbst seufzte, rieb sich die Augen und antwortete "Ja, die Zwillinge sind beide krank und machen mich absolut fertig", ich nickte verständnisvoll und umarmte ihn. Ich wusste ja, dass Kinder manchmal nerven konnten, er hatte mir oft genug davon erzählt. Aber wenn sie krank waren, brauchten sie natürlich noch mehr Aufmerksamkeit und Zuneigung. 

Wir gingen wieder zusammen zum Unterricht und am liebsten wäre ich direkt wieder gegangen, als ich den fetten Röhrenfernseher vor dem Lehrerpult sah. Die meisten Mitschüler stöhnten ebenfalls und ich konnte schwören, dass heute kein Lehrer wirklich Bock hatte und die das alle mit Absicht machten. Ich war nämlich so eine Person, die gerne lernen wollte und deswegen zur Schule ging. Aber wenn man dann natürlich nur so etwas geboten bekommt, kann man sich die Schule auch gleich sparen. 

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Meine Vermutung hatte sich bestätigt und zur Krönung durften wir dann schlussendlich sogar früher gehen. Das war mir jedoch lieber, als sich ein Film nach dem anderen rein zu ziehen. Ich verabschiedete mich schon von Will, da er noch einige Dinge zu erledigen hatte. Ich war froh, dass ich jetzt alles alleine machen durfte und das er mich auch nicht mehr kontrollierte. Jedoch war ich heute ein wenig nervöser, als sonst, da och ja die ganze Zeit diesen Mann gesehen hatte. Gott sei dank konnte ich fast die Hälfte des Weges mit Edwin gehen, nicht nur, weil ich wieder Angst hatte hin zu fallen, sondern weil mir dann nichts passieren würde. Ich sagte ihm aber auch nichts, weil ich dachte, dass ich mir das alles nur einbildete. 

Egal, wo wir gerade waren oder wo wir lang gingen, ich hatte die ganze Zeit dieses merkwürdige Gefühl, beobachtet zu werden und guckte mir daher jede Seitenstraße auch noch einmal genauer an. Bei jeder Person, die ich von weitem wahrnehmen konnte, begann mein Herz wie wild zu schlagen. Ich hatte nebenbei auch Angst, dass Edwin etwas passierte. Ich kannte diese Menschen ja nicht, aber das was mir Will alles erzählte, flößte mir genug Respekt ein um zu realisieren, dass die keine Skrupel zeigten. 

Wir kamen an dem Punkt an, an dem ich mich von Edwin verabschieden musste. Ich versuchte, mich so normal wie möglich zu verhalten und Gott sei dank, war er so fertig, dass er meine zitternde Stimme nicht bemerkte oder zumindest, dass er nichts dazu sagte. Sobald er sich von mir wegdrehte, kramte ich mein Handy aus der Tasche heraus. Ich hatte mal gehört, dass Kidnapper sich davon abschrecken lassen, wenn man ein Telefon am Ohr hat. 

  Ich machte mich auf den Weg nach Hause, lief ein wenig schneller wie sonst und versuchte nebenbei Will zu erreichen. Ich rief dreimal an und immer war die Mailbox dran. Edwin wollte ich nicht anrufen, da er zu Hause schon genug Stress hatte. Auch bei meinen Eltern ließ ich es sein, da sie sich sonst zu viel Sorgen machten. Immerhin wussten sie nichts von all dem und sie würden mir sofort den Kontakt zu Will verbieten. Nach einigen Momenten tat ich einfach so, als hätte ich Jemanden am Telefon. Auch, wenn es für mich sehr bescheuert war, so würden andere hoffentlich abgeschreckt werden. 

Als ich in meine Straße einbog und nur noch ein paar hundert Meter von meinem Haus entfernt war, steckte ich mein Handy schnell in meine Tasche und begann zu laufen. Jedoch kam ich nicht besonders weit, da ich schon nach ein paar Sekunden mit voller Wucht in Jemanden rein rannte. "Oh mein Gott, es tut mir so leid", entschuldigte ich mich sofort und raffte mich wieder auf. Ich sah an mir herunter und  sah, dass meine Hose an einer Stelle ein wenig eingerissen war, jedoch war mir das egal und ich sah wieder zu der anderen Person hinüber, um zu realisieren, dass ich lieber direkt weiter gelaufen wäre. 

"Oh topolino, wie schön, dass wir uns endlich kennen lernen!", ich sah dem Mann in die Augen und realisierte, dass ich den ganzen Tag über nicht geträumt hatte. Er war real gewesen und jetzt stand er vor mir, mit diesem Grinsen, welches mir zeigte, dass ich keine andere Wahl hatte. "Ist schade, dass ich die Freundin meines Sohnes unter solchen Umständen treffen muss", erst da machte es Klick und mir wurde bewusst, wie sehr ich wirklich in Gefahr war. Das war Will's Vater. 

Ich blickte zur Seite und ging in meinem Kopf durch, wie ich schnell von hier abhauen könnte, als ich auch schon von hinten fest an meinen Schultern gepackt wurde. "Versuch es erst gar nicht und sag erstmal Gute Nacht, ragazza ingenua", bevor ich überhaupt verstand, was er da sagte, wurde mir schwarz vor Augen und ich verlor das Bewusstsein. Das letzte, was ich erkennen konnte war mein Telefon, Ich wurde gerade von Will angerufen. 

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Oh shoooot. 

It's going up on THAT way!

xx Lucy















With all my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt