35.

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Mir klappte die Kinnlade runter und ein kalter Schauer zog sich über meinen Körper. Der Mann vor mir, war mir nur all zu bekannt und ich wünschte, dass er mich in Ruhe lassen würde. Es war der, der mir Nachrichten schickte, mich verfolgte und schließlich auch anfasste. Und jetzt stand er hier, vor mir. Mitten in der Schule. Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie viel Angst ich tatsächlich hatte, aber ich glaubte, dass mich das Zittern meines Körpers verriet. Ich verfluchte mich selber, dass ich wegen des Telefonats in eine ruhige Ecke gegangen bin, denn hier war weit und breit kein einziger Mensch zu sehen, der mir hätte helfen können. 

Er stand sehr nah bei mir und streckte die Hand nach mir aus, woraufhin ich sofort einen Schritt nach hinten wich. "Na na, kleines Mädchen. Wir wollen doch nicht frech werden", sagte er, so leise, dass ich es gerade noch so verstand. Seine Stimme klang so bedrohlich, dass ich mich nicht bewegen konnte. Alles in meinem Kopf schrie, dass ich wegrennen musste, aber meine Beine bewegten sich nicht. Stattdessen starrte ich diesen Mann vor mir mit großen Augen an und hoffte, dass er dort blieb, wo er sich befand. 

Es war aber so, als könnte er meine Gedanken hören und bewegte sich auf mich zu. mein Atem wurde schneller und ich hatte das Gefühl, dass mein Herz kurz vorm explodieren war. Als er nur noch ein paar Zentimeter vor mir stand, streckte er seinen Arm aus und wickelte sich eine Strähne von meinen Haaren um den Finger, welche mir wohl aus dem Dutt gefallen war. "So ein schönes Mädchen, mit so schönen Haaren", murmelte er und ich hatte das Gefühl, dass er das eher zu sich selbst sagte. Meine Angst stieg mit jeder Sekunde und mittlerweile war jeder meiner Muskeln so angespannt, dass mir das Atmen mittlerweile richtig schwer fiel. 

"Aber", er setzte zum Sprechen an und sah mir dabei nun ganz genau in die Augen. "Wieso hast du, schönes Mädchen, so Probleme damit, zu hören?", er ließ die Strähne wieder los und sah mich auffordernd an. Meine Unterlippe zitterte, die Tränen stiegen mir in die Augen und ich hatte das Gefühl, dass meine knie nachgaben. Diesmal war es mein Kinn, was er in seine Hände nahm und ich glaubte, dass er sich mein Gesicht genauer ansah. "So viel Potential und das alles verschwendet", er wurde zum Satzende hin ein wenig lauter und ließ mein Kinn wieder los. Dann setzte er zum Gehen an und ich hatte kurz die Hoffnung, dass er mich in Ruhe lassen würde, doch da hatte ich mich getäuscht. Denn stattdessen ging er um mich herum und begann, zu schreien. "Verschwendet, für was? Liebe?", er fing an, zu lachen. Es klang krank und verbittert, als würde er das alles wirklich nicht verstehen. Seine Hände hatte er über dem Kopf verschränkt und er lief auf und ab. 

Ich verstand überhaupt nicht, was er mit all diesen komischen Sätzen meinte und vor allem, was er von mir wollte. Immerhin kannte ich diesen Mann gar nicht und hatte ihm, oder auch nur sonst nie irgendjemandem etwas getan. Ich spürte, wie mir die erste Träne über die Wange lief und wollte einfach, dass das alles aufhörte. Plötzlich stand er wieder genau vor mir und diesmal so nah, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. "So schön, so unberührt", er flüsterte die Worte und strich mir währenddessen über die Wange. "Oh ich weiß genau, was ich zuerst mit dir machen werde!", sagte er dann schließlich direkt an meinem Ohr und mich überkam ein Schauer. Er redete gerade davon, mir etwas anzutun und ich wusste nicht, wie skrupellos dieser Mann war. 

"Wieso?", hauchte ich nur und hatte nicht mal wirklich die Kraft dazu, zu weinen. "Oh, du fragst wieso?", er lachte wieder. "Weil es mir Spaß macht!" Ich war über seine Antwort nicht mal wirklich geschockt. Dieser Mann war einfach nur krank und ich hoffte, dass er es einfach schnell hinter sich brachte. Ich wusste natürlich, dass ich mich hätte wehren können, aber ich wusste nicht, welche Ausmaße das hätte annehmen können. Immerhin hatte er meine Nummer herausfinden können, wo ich zur Schule gehe, meinen Namen und damals ja auch, wo ich war.

Ich spürte seine Hände auf meiner Hüfte und schloss gleich die Augen, da ich mir das nicht mit anschauen wollte. Als sie über meinen Körper fuhren, kam mir der Würgereiz und alles in mir sträubte sich gegen dieses Gefühl. Es war nicht so, wie bei Will, nicht mal ansatzweise und jetzt konnte ich es noch weniger verstehen, wie manche Menschen so etwas ohne Gefühle machen konnten. Gerade, als seine Berührungen in Richtung meines  Dekolletés wanderten, verschwand plötzlich das Gefühl von seinen Händen und vorsichtig öffnete ich meine Augen. 

Der Mann, dessen Namen ich immer noch nicht kannte, lag auf dem Boden und über ihm standen ebenfalls zwei mir unbekannte Männer und schlugen auf diesen ein. Ganz zu meinem Erschrecken, wehrte sich mein Angreife nicht einmal, sondern lächelte zwischen den brutalen Schlägen nur vor sich hin, was ihn noch ein wenig gruselige machte, als er sowieso schon war. Wie gebannt starrte ich auf das Geschehen und das Blut, welches mittlerweile schon auf den Boden tropfte. 

"Heat!", hörte ich jemanden rufen und als mein Blick in die Richtung fiel, konnte ich erleichtert aufatmen. Will kam auf mich zu und ich hatte mich im Leben noch nie sicherer gefühlt. Bei mir angekommen, umfasste er mein Gesicht mit seinen großen Händen und wischte mit seinem Daumen die Tränen von meiner Wange. Ich drückte mein Gesicht an seine Brust und versuchte, mich zu beruhigen. Er jedoch, nahm mein Gesicht davon weg und presste seine Lippen auf meine. Tatsächlich beruhigte mich das viel mehr und ich erwiderte ohne zu zögern. 

Nach kurzer Zeit jedoch, beendete er den Kuss, hielt mir seine Hand hin und sagte "Komm, wir gehen", und ich nahm seine Hand in meine und folgte ihm. Ich hatte viele Fragen und auch er wusste, dass er mir jetzt so einiges erklären musste. 

With all my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt