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Drei Tage.

Ganze drei Tage lang hatte ich nichts von ihm gehört. Mittlerweile war Freitag und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Er war nicht in der Schule, nicht bei mir und hatte mir nicht eine einzige Nachricht geschickt. Ich wusste nicht wo er war, was er machte und vorallem, was er fühlte, aber ich fühlte mich hintergangen.

Für mich war es komisch, dass er einen Tag nachdem er mir meinen ersten Kuss raubte, verschwindet. Vielleicht hatte es ja nichts damit zu tun und es war einfach sein Wesen,  aber ich konnte damit nicht umgehen. Denn genau das war es, wo vor ich immer Angst hatte. Das ich abhängig von jemandem werde, der es nicht zu schätzen weiß, der wieder geht.

Im großen und ganzen war ich ein Wrack, welches sich am liebsten den ganzen Tag im Bett verstecken würde. Ich ging nur zur Schule, um meine Mutter nicht aufmerksam zu machen und um zu sehen, ob er nochmal kam. Traurig, dass ich einem Menschen so schnell mein Herz schenkte und noch trauriger, dass ich ihm hinterher lief, obwohl er es zerbrach.

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In der Schule versuchte ich alles auszublenden, ob es nun der Unterricht an sich war, die Menschen um mich herum oder Edwins besorgten Blick, den er mir schon seit drei Tagen versucht unauffällig zuzuwerfen. Und obwohl ich mich deswegen eigentlich schlecht fühlen sollte, spürte ich in diesem Moment nichts. Edwin tat mir schon leid, aber ich musste mit solchen Dingen selber fertig werden und da kam mir schon wieder diese Frage in den Kopf. "Womit eigentlich?" Es war ja nicht so, dass Will und ich ein Paar gewesen wären oder wir eine besondere Zeit zusammen hatten. Ich wusste nicht einmal, was das war und ich kapselte mich so sehr von allem ab um etwas zu vergessen, was nicht echt war. Vielleicht hatte ich mir das alles ja nur eingebildet. Vielleicht gibt es Will ja gar nicht. Egal wie ich es wendete, ich sah immer aus wie der Vollidiot und ich stand mit einem gebrochenem Herzen da.

Am ersten Tag hatte ich tatsächlich noch versucht, Ausreden zu finden, welche ich akzeptieren würde. Wie zum Beispiel, dass es etwas familiäres gäbe oder er aus beruflichen Gründen weg müsse. Auch dachte ich mir, dass er es vielleicht nicht kannte, jemandem alles von einem zu erzählen und Dinge lieber für sich zu behielt. Mittlerweile allerdings, dachte ich lediglich das er ein Arschloch war und mich ausgenutzt hatte. Wie weit wäre es wohl noch gekommen, wenn ich es nicht realisiert hätte? Hätte ich ihm wirklich meine Jungfräulichkeit geschenkt ? Die Antwort auf diese Frage wusste ich und ich war froh, dass es nicht so weit gekommen war.

Die Stunden vergingen, dank meiner Gedanken, wie im Fluge und ehe ich mich versah, war es schon Nachmittag und ich konnte nach Hause gehen. Die Freudenschreie in meinem Inneren ließ ich natürlich nicht nach außen und ging so, mit einem monotonen Gesichtsausdruck nach draußen. Tatsächlich hatte ich nicht einmal geweint und das lag vielleicht daran, dass sich mein Inneres vermutlich schon auf so eine Situation vorbereitet hatte. Es wäre doch auch zu kurios gewesen. William, der Bestaussehenste von der ganzen Schule und Savannah, das Mauerblümchen.

Die Schulflure waren schon leer, als ich aus dem Klassenzimmer trat, was vielleicht daran lag, dass meine Schrittgeschwindigkeit in den letzten Tagen dem Tempo einer Schnecke glich. Immerhin hatte ich ja nichts mehr, was auf mich warten könnte. Auch die Eingangstür öffnete ich nur mit geringer Lust und quälte mich dann nach draußen. Es war mittlerweile unendlich kalt geworden und das sah man mir auch an. Ich war blass und hatte überall rissige und trockene Haut. Und weil ich mich nicht darum kümmerte, sah man das auch ziemlich deutlich.

Obwohl es so kalt war, beschleunigte ich auch draußen meinen Gang nicht, was man auch ein paar Minuten später an meiner roten Nase erkennen konnte. Ich hatte das Gefühl, dass sämtliche Körperteile am erfrieren waren. Um mich von der Kälte abzulenken, ließ ich meinen Blick über den Hof gleiten und erkannte noch einige Schüler, die sich unterhielten. Einige untereinander und andere mit Lehrern, die sie auf dem Weg zum Auto noch erwischt hatten. Es war allerdings niemanden, den ich kannte. Dachte ich zumindest, bis mein Blick auf dem Parkplatz fiel und ich an einer bestimmten Person hängen blieb.

Ich stoppte in meiner Bewegung und starrte ihn an. Mein Herz machte Sprünge und ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Die Gefühle in meiner Brust und die Gedanken in meinem Kopf könnten sich nicht einigen, da mein Herz mir sagte, ich solle mich an ihn heranschmeißen und mein Kopf mir mitteilte, was für ein Schwein er war. Ich wusste nicht, wie lange ich da so stand und ihn einfach ansah, als ich jedoch zu mir kam, waren meine Hände und Nase schon taub von der Kälte. Ich setzte mich wieder in Gang und ließ ihn nicht aus den Augen. Er schien nach irgendwas zu suchen und ich betete, dass es nicht nach mir war.

Tatsächlich wurde ich schneller, aber auch nur damit ich ihm nicht begegnen musste. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte und vorallem, was ich sagen würde. Er sollte wissen, dass ich wütend war und das er, obwohl ich so ein kleines dummes Mädchen war, mich nicht behandeln konnte, wie den letzten Dreck.

Da er seine Blick jedoch direkt auf das große Tor gerichtet hatte, bemerkte er es sofort, als ich dadurch lief und bewegte sich sofort auf mich zu. Ich kam mir bescheuert vor, weil ich vor ihm weg lief, aber wenn ich es nicht tun würde, dann würde ich vermutlich weinen und diese Genugtuung werde ich ihm defintiv nicht geben.

Ich war tatsächlich ziemlich schnell und das spürte ich auch. Meine Atmung verschnellerte sich und ich hörte sich an, als wäre ich Kettenraucherin. Er begann, meinen Namen zu rufen und bei dem Ton seiner Stimme, stellten sich sämtliche Haare auf meinem Körper auf. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich seine Stimme, dass ich ihn nicht vermisst hätte. Aber änderte nichts an der Situation.

"Gott, Heat. Jetzt bleib doch mal stehen!", das war auch der Satz, der mich zum Stehen brachte. Dieser Kosename und die Art, wie er es sagte, machten mich so wütend, dass mir die Tränen kamen. Wie konnte er es wagen?

Das war der Moment, indem ich mich umdrehte und platzte.

With all my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt