33.

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Mein Herz schlug mir bis zum Hals und als ich die Tür aufschloss, war es dann ganz vorbei. Es war nicht so, dass ich so unbedingt Angst vor ihm hatte, sondern eher davor, was er sagen könnte. Denn nur er schaffte es, mich alleine schon mit seinem Blick nieder machen zu können und dann könnte man sich ja vorstellen, was er mit Worten anstellen konnte. Die Bindung zu meinem Großvater war nie da, aber erst nach dem Tot meiner Oma, zeigte er mir deutlich, dass er mich hasste. 

Ich öffnete die Tür so leise, wie ich konnte und versuchte auch sonst, keine weiteren Geräusche von mir zu geben. Aus dem Wohnzimmer hörte ich deutlich seine Stimme und die meiner Eltern. Sie schienen sich wegen irgendetwas aufgeregt zu unterhalten, weshalb auch die Stimmen so deutlich zu hören waren. Ich konnte nur hier und da ein paar Wortfetzen aufgreifen, aber nichts, was mich etwas anginge. Leise zog ich mir die Schuhe aus und blieb bei jedem Geräusch, welches ich machte, starr stehen, aus Angst, dass die mich hören könnten. 

Gerade, als ich die erste Stufe der Treppe betreten wollte, konnte ich aus dem Zimmer meinen Namen hören und ich blieb wie angewurzelt stehen. Ich spitzte meine Ohren und versuchte, noch mehr zu hören, was aber kläglich scheiterte. Kurz überlegte ich, ob ich nicht einfach in mein Zimmer gehen und warten solle, bis er wieder weg ist. Aber dann dachte ich mir, dass ich ein Recht darauf habe, zu wissen warum sie über mich redeten. Deshalb stieg ich wieder von der Treppe herunter und näherte mich dafür der Wohnzimmertür. 

Ich hielt mein Ohr an die weiße Tür und bemerkte schnell, dass das gar nicht so nötig war, da sie wirklich sehr laut sprachen. Soweit ich es verstehen konnte, ging es um Geld. Jedoch verstand ich nicht, was ich damit zu tun hatte. Ich wusste zwar, dass er mir für alles die Schuld geben konnte, aber was ich mit seinem Geld zu tun hatte, konnte ich mir nicht einmal ansatzweise vorstellen. 

"Was wird die Göre mir jemals geben können? Sie wird ja nicht mal den Familiennamen weiter tragen!", verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen. Seine Stimme war rauer, als ich sie kannte, eben die eines alten Mannes und sie durchschnitt die Stille wie ein Feuer das Eis.  Ich verstand nicht, was er da sagte. Ich konnte mir keinen Zusammenhang daraus erschließen. Meine Mutter antwortete darauf etwas, was ich aber nicht verstand. Kurz danach jedoch, konnte ich es mir jedoch genau zusammenreimen. 

"Das Geld, war niemals für sie gedacht und das weißt du! Ich wollte einen Enkelsohn!", er betonte das Sohn sehr stark und auf einmal leuchtete es mir ein wenig auf. "Jemand, der den Namen weiter trägt, der die Firma übernehmen kann und wenn ihr euch von Anfang an gegen das Gör entschieden hättet, wäre das alles gar nicht passiert!", mir klappte die Kinnlade herunter und ich konnte nicht fassen, was ich da gerade gehört hatte. Sich gegen mich entschieden? Wovon redete er da bitte? 

Auf einmal ertönte die Stimme meines Vaters und ich könnte schwören, dass ich ihn noch nie so wütend erlebt hatte. "Sei still! Wir wollen dein Geld gar nicht! Das, was damals passiert ist, war schrecklich, ja das stimmt", wovon redete er da? Mein Vater konnte seinen Satz auch nicht zu Ende sprechen, da er direkt von seinem Elternteil unterbrochen wurde. "Ja! Und sie ist daran Schuld gewesen. Und mit dem kriminellen, mit dem sie sich jetzt abgibt, kann aus ihr sowieso nicht werden, außer einer Dirne am Straßenrand!", ich hielt den Atem an und konnte vor Schock auch erstmal nicht weiter atmen. Das war auch der Moment, in dem alles in mir explodierte und ich in den Raum platzte. 

Alle Blicke richteten sich sofort auf mich und während meiner Eltern leicht geschockt wirkten, so breitete sich auf dem Gesicht des alten Mannes ein selbstgefälliges Grinsen. Ich sah, das meine Mutter weinte und die Ader auf dem Hals meines Vaters sehr stark angeschwollen war. "Was ist hier los?", fragte ich mit ungewöhnlicher starker Stimme und setzte noch meinen arrogantesten Blick oben drauf. "Ja! Erzählt der Kleinen mal, woran sie schuld ist und zeigt ihr dann gleich mal ein paar Manieren! So mit einem älteren Mann zu reden. ", wütend schaute ich ihn an und dann meine Eltern. Ich wollte wirklich eine Erklärung für all das und vor allem, warum er mich so hasste. Also sah ich meine Eltern auffordernd an, welche sich jedoch eher verunsichert gegenseitig anschauten. 

"Du hast deinen Bruder ermordet und....", bevor der alte Greis den Satz beenden konnte, schoss meine Mutter dazwischen. "Nein! So stimmt das nicht. Setz dich bitte Liebling, da gibt es etwas, was du noch nicht weißt", sie klopfte neben sich auf das Sofa, jedoch schüttelte ich den Kopf. Ich wollte jetzt nicht neben ihr sitzen und auf heile Familie machen. Ich wollte, dass sie mir genau erklärt, was er da redete. Sie seufzte, atmete einmal tief durch und begann dann, zu erzählen. 

"Als du noch klein warst, so vier Jahre alt, war ich schwanger. Ich war schon relativ weit und es dauerte auch nicht mehr lange, bis dein kleiner Bruder das Licht der Welt erblicken sollte", sie lächelte leicht, doch ich konnte die Trauer sehr deutlich in ihren Augen sehen. Ich war schon wieder geschockt und mir selbst wären auch fast die Tränen gekommen. Alleine, weil es meiner Mutter das Herz brach. "Jedenfalls waren wir im Auto unterwegs. Wir wollten zu einem letzten Ausflug zu dritt, bevor sich ein Baby dazwischen stellte", sie lächelte schon wieder und ich wusste, dass sie das nur tat, um nicht zu weinen. "Wir sind schon sehr lange gefahren und du warst dementsprechend total quängelig, wolltest nicht mehr im Sitz sitzen bleiben und hast nur geschrien", jetzt schluchzte sie und ich sah, die ersten Tränen, welche sich die Wege über ihre Wange bahnten. "Wir, dein Vater und ich haben uns beide nach dir umgedreht und in dem Moment, kam ein Auto von der Seite und erwischte uns. Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern, aber als ich im Krankenhaus aufwachte, war mein Bauch nicht mehr da und sie sagten mir, dass ich das Glück nie wieder verspüren dürfte", ich keuchte und konnte nicht fassen, was sie mir da gerade sagte. 

"Was?", hauchte ich dann schließlich und konnte das Weinen nur verstecken, weil ich von dem alten Mann auf meinem Sofa unterbrochen wurde. "Wie? Bist du nur zu blöd oder auch noch taub? Du hast durch dein Verhalten einen Unfall ausgelöst, deinen Bruder getötet und deine Mutter unfruchtbar gemacht", und die Art, wie gleichgültig und vorwurfsvoll er das sagte, brachte mich zum Platzen. Ich drehte mich zu ihm hin und sah ihm direkt in die Augen. Bevor ich jedoch das Wort gegen ihn erheben konnte, mischte sich mein Vater ein. 

"Raus!", schrie er und deutete auf die Tür. Dabei sah er seinem Vater direkt in die Augen und sprach mit einer solchen Festigkeit, dass sogar ich mich erschrak. "Wie bitte? Wie redest du bitte mit deinem Vater?", krächzte er daraufhin und konnte es genauso wenig fassen. "Wie ich mit dir rede?", er lachte auf. "Du redest sie, meine Tochter seit Jahren für etwas schlecht, wofür sie überhaupt gar nichts kann! Merkst du nicht, dass du nur Mist redest?", er gestikulierte wild mit seinen Händen und man merkte, dass er all diese Worte schon sehr lange in sich trug. "Und das du wirklich die Frechheit besitzt und meine Frau nach Jahren wieder daran erinnerst. Wir haben ein Kind verloren! Ein kleiner Mensch ist dabei gestorben und du glaubst wirklich, das einzige Problem dabei war, dass es nicht mein kleines Mädchen war? Du bist einfach nur krank und das Mutter das so lange mitgemacht hat, ist einfach nur irre. Aber ich mache das nicht mehr mit. Du wirst aus diesem Haus verschwinden und nie wieder kommen. Ich brauche weder dich noch dein Geld und höre ich aus deinem Wort noch ein einziges schlechtes Wort über meine Familie, dann kriegen wir ein noch viel größeres Problem. Ich bin glücklich, mit meiner Frau und einer einzigen Tochter. Ja, sogar mit ihrem Freund. Und jetzt verschwinde!", mit den Worten, schmiss er meinen einstigen Großvater aus unserem Haus. 

In der Sekunde, in der der Mann aus der Tür getreten war, rannte ich zu meiner Mutter und schloss sie in die Arme. Der Versuch, sie zu trösten, scheiterte kläglich, da ich ebenfalls anfing, zu weinen. Auch mein Vater schloss sich nach einigen Momenten an und gemeinsam saßen wir dann da. Jeder von uns weinte und ich war froh, dass das jetzt der Vergangenheit angehörte. Endlich hatte ich Klarheit und konnte mir vieles aus meiner Kindheit erklären. Endlich musste ich mir nie wieder Gedanken um diesen alten Mann machen, der mich hasste. 

Jetzt brauchte ich nur noch eins. Will. 

With all my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt