K A P I T E L 75 - Das sinkende Schiff

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Draußen war es kalt. Nebel hatte sich in den Straßen niedergelassen. Kalte Windzüge wehten an uns vorbei, doch die Kälte machte sich mir nicht bemerkbar. Ich war beinahe in einer anderen Welt. So fühlte es sich zumindest an. Der Boden unter meinen Füßen verging beinahe. War ich auf Wolke sieben?
Kurz blickte ich nach rechts und traf auf die wundervollste Person, die ich je getroffen hatte. Danach rutschte mein Blick runter auf unsere Hände. Okans Griff um meiner Hand erwärmte mich. Der Gedanke, dass er mir vertraute erwärmte meine Seele. Pausenlos musste ich lächeln.
Ich hatte es geschafft Okan zu stärken und in die Menge zu bringen. Das war auch mein Ziel. Ich wollte ihn an seine alte Ordnung wieder bringen. Den ersten Schritt hat er schon mal gewagt. Bis jetzt sah alles gut aus.
„Was musst du hier machen? Wieso sind wir hier her gekommen?", fragte mich Okan etwas später und sah mich an.
„Ich muss kurz zum Juwelier und Didems Kette abholen. Sie hatte es abgegeben, weil etwas kaputt gegangen war und hat mich am morgen gefragt, ob ich es abholen könnte.", erklärte ich.
„Nur wegen einer kleinen Kette sind wir also hier?", fragte er skeptisch.
„Nein, natürlich nicht. Da, wo wir in der Stadt sind, können wir noch in ein Schreibwarengeschäft gehen, weil ich einen Block und Textmarker brauche. Und wir können was essen, es gibt gute Restaurants hier."
„Na gut. Ich müsste mir eigentlich auch ein paar Dinge besorgen.", fiel ihm ein.
„Und was?"
„Wintersachen, aber ich habe keine Lust einzukaufen. Özge würde das gerne machen. Sie geht immer für mich einkaufen."
„Na gut.", sagte ich.
Ich werde ihn schon irgendwie überreden mit mir einzukaufen.

Zuerst gingen wir zum Juwelier. Freundlich wurden wir empfangen. Der Besitzer kannte mich, da er mit meinem Vater befreundet ist. Heute war sein Sohn im Geschäft.
„Hallo Eylem! Schön dich hier zu sehen. Wie kann ich dir behilflich sein?", empfing er uns herzlich.
„Hallo Salim. Ich bin gekommen, um die Kette meiner Schwester abzuholen.", kam ich gleich ins Wesentliche.
„Stimmt, sie hat uns die Kette am Montag gebracht. Die Reparatur ist fertig. Ich bringe die Kette gleich.", meinte er und verschwand hinter einer Türe.
„Schön dich zu sehen? Woher kennt dich dieser Salim?", wandte sich Okan verdächtig zu mir. Hörte ich da Eifersucht aus seiner Stimme raus?
„Unsere Familien kennen sich, keine Angst.", erklärte ich lachend.
„Achso. Ich hatte mich schon gefragt, wieso er so nett zu dir war.", gab er erleichtert von sich.
„Was hättest du gemacht, wenn ich gesagt hätte, dass er ein Freund von mir wäre?", wandte ich mich nachdenklich zu ihm.
„Was sollte ich schon tun? Ihn verkloppen? Ich weiß gut, dass die Freundschaft zwischen Mann und Frau nicht gut klappt. Einer fühlt immer was für den anderen, aber gibt es nicht zu um die Freundschaft nicht kaputt zu machen...", teilte Okan mit.
„Naja, dass kann man gut verallgemeinern, aber es gibt auch Freundschaften die funktionieren.", schlussfolgerte ich.
„Meinst du? Meistens führt man die Freundschaft einfach weiter, weil man sie nicht durch seine Gefühle riskieren will."
Diese Situation kam mir verdächtig bekannt vor. Die Freundschaft mit Onur fiel mir ein. Er war immer da für mich. Er hat mir da geholfen, wo er konnte. Noch nie war ein Junge so nett zu mir. Hatte er auch Gefühle für mich?

Ich schob die Gedanken zur Seite und kam wieder zurück in die Realität.
Bis Salim kam schaute ich mich um. Der Laden war nicht besonders groß. Aber sie machten guten Verkauf, weil das Geschäft zentral in der Stadt war. Ich betrachtete die Schmucksets am Schaufenster. Die Trauringe waren unter dem Glastresen ausgestellt, woran ich mich angelehnt hatte. Ein Ring gefiel mir besonders gut. Der große Stein in der Mitte war mit kleineren Steinen verziert.
„Welcher gefällt dir am meisten?", fragte mich Okan.
„Der hier... Sieht sehr fein und edel aus.", deutete ich auf den Ring.
„Finde ich auch.", stimmte mir Okan zu.
Als ich jedoch den Preis vom Ring sah, glaubte ich meinen Augen nicht. So teuer hätte ich ihn nie eingeschätzt! Um sich so einen Ring zu leisten, muss man schon viel Geld in der Tasche haben...

In kürze brachte der Juwelier Didems Kette.
Ich bedankte mich und packte es in meine Tasche ein.
„Ist das dein Verlobter? Ich habe eure Verlobung gar nicht mitbekommen. Glückwunsch!", freute sich Salim plötzlich.
Äh, was? Verlobter?
„Wir haben diese Woche neue Schmucksets bekommen, die sehr schön sind. Wollt ihr sie anschauen? Wie lange dauert es noch bis zur Hochzeit?", schoss er los, bevor ich etwas sagen konnte.
„Ehm, wir sind noch nicht verlobt.", machte ich klar und zerstörte womöglich die Träume vom Juwelier. Okan fing an zu lachen. Salim war aber sehr voreilig. Bevor ich antworten konnte, hat er schon über die Hochzeit gesprochen.
„Schade, ich hatte mich schon gefreut.", gab er enttäuscht von sich.
„Aber ich warte gespannt auf den Tag, an dem wir uns verloben werden.", meinte Okan mit tiefen Blick in meine Augen und legte sein Arm um mich. Ein Lächeln ging in meinem Gesicht auf.
Wenn ich mir unsere Verlobung vorstellte, fing sich mein Herz an zu erwärmen. Das wäre ein Traum für mich.
„Ich habe mich leider zu früh gefreut. Ihr passt sehr gut zusammen, muss ich sagen. Möge Allah euch vor bösen Blicken schützen.", sagte Salim.
„Amin (Amen).", kam gleichzeitig von Okan und mir.
Wir verabschiedeten uns und verließen das Geschäft.

unvergesslich - unutulmazWo Geschichten leben. Entdecke jetzt