Ich wusste nicht, ob ich mich in einem Traum befand, oder doch in der Realität. Jemand soll mich bitte zwicken. Er war real. Okan war real. Er lächelte mich gerade wirklich an. Weil ich ihn wahrscheinlich grundlos anlächelte. Ich drehte mich wieder zur Scheibe und kniff mir das Lächeln weg.
Wer hätte gedacht, dass ich mich Okan verabreden werde? Das Leben ist voller Überraschungen.Wir waren bei der Universität angekommen. Okan suchte sich einen Parkplatz und parkte ein. Ich löste mein Gurt und drehte mich zur Rückbank, um meine Tasche zu nehmen. Wie Okan. Unsere Hände berührten sich kurz. Schnell zog ich sie zurück. Er lächelte nur und reichte mir die Tasche.
Nervös bedankte ich mich und stieg aus. Nach Tagen war ich wieder hier her gekommen. Als mich Okan anblickte sah ich die Unsicherheit in seinen Augen. Es fiel ihm immer noch schwer hier aufzutreten.
„Hier gibt es so viele Menschen, nur wenige kennen dich.", machte ich ihm klar. Wortlos setzte er sich in Bewegung und lächelte mich leicht an.
Die ersten Blicke richteten sich schon nach uns.„Weiß du was?", fragte ich. Wenn wir uns unterhalten, wird er nicht mehr auf die Umgebung achten.
„Was?", wandte er sich zu mir.
„Als ich dich das erste mal gesehen hatte, hatte ich gedacht, dass ich dich nie wieder mehr sehen werde. Doch irgendwie hat uns das Schicksal zusammengebracht und wir laufen nebeneinander.", teilte ich mit. Beim Zuhören hatte er sich keine Sekunde von meinen Augen getrennt.
„Es passieren Dinge, die man nie erwartet hätte.", meinte er. Und dabei hatte er recht.
„Und weißt du was?", stelle dieses mal Okan eine Frage.
„Was?", fragte ich.
„Verliere niemals dein Lächeln, wie das Funkeln in deinen Augen.", hörte ich plötzlich. Ich hatte wieder das Gefühl innerlich zu brennen. Oder war das nur mein Herz, das wie verrückt gegen meine Brust schlug? Der Boden unter meinen Füßen ging. Alles um mich verstummte. Ich verlor mich in dem Blau in Okans Augen. Seine Augen waren wie eine Schlucht. Wenn man einmal reinfiel, kam man nicht mehr raus. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich stehen geblieben war.
„Dann hast du dein eigenes Lächeln noch nie gesehen.", sagte ich.
Sein Lächeln war wie das Sonnenlicht einer Blume. Die Blume blühte durch die Strahlen.
Unmittelbar fingen wir uns an zu lächeln und gingen wieder weiter. Ich liebte sein Grübchen. Er sollte öfters lachen.Wir hatten es geschafft. Wir waren vor dem Eingang angekommen.
Okan begleitete mich noch bis zum Vorlesesaal.
„Bis später.", verabschiedete er sich vor der Türe.
„Auf Wiedersehen.", sagte ich und blickte ihn das letzte mal an, bevor er den Vorlesesaal betrat. Mein Gesicht strahlte förmlich. Ich konnte nicht aufhören zu lächeln.
„Eylem!", riss mich eine Stimme von meinen Gedanken weg.
In der fünften Reihe entdeckte ich Esra und Demet. Mit schnellen Schritten näherte ich mich ihnen.
„Guten Morgen!", grüßte ich ihnen und umarmte sie.
„Wir haben dich so vermisst! Und uns Angst gemacht!", sagte Demet und umschlang ihre Arme fest um mich.
„Was ist passiert? Hast du einen lebenslänglichen Gutschein für Nutella bekommen, oder für was ist dein Lächeln zuständig?", fragte Esra verwirrt.
„Okan hat mich heute gefahren.", teilte ich mit.
„Was?", fragte sie schockiert.
„Okan hat dich zur Uni gefahren?", wiederholte Demet überrascht.
„Ja! Ich konnte es auch nicht glauben! Er war plötzlich so nett zu mir ...", fing ich an zu erzählen.
„Er scheint sich verändert zu haben.", meinte Esra verwundert.
„Seine Nähe war so seltsam.", versuchte ich zu erklären. Ich konnte es nicht in Worte fassen.
„Aus dem Holzklotz Okan ist doch ein netter Mensch rauskommen.", meinte Demet lachend.
Ja, er war oberflächlich gegenüber mich. Doch ich wusste schon immer, dass in ihm jemand anderes steckt.Während den Vorlesungen waren meine Gedanken nur bei Okan. Ich konnte nicht aufhören an ihn zu denken. Die letzte Vorlesung war auch endlich vorbei. Ich packte meine Sachen zusammen und verabschiedete mich von meinen Freunden. Als ich fertig war ging ich dann endlich raus. Ich wollte Okan nicht länger warten lassen.
Vor dem Vorlesesaal traf ich wie erwartet auf Okan. Er war mit seinem Handy beschäftigt und blickte zu mit, als er mich entdeckte. Seine Augen trafen auf meine. Wieder ging ein Blitz durch meinen Körper. Er löste sich aus seiner Position und näherte sich. Kurz grüßten wir uns.
„In der Bibliothek habe ich einen guten Platz gefunden.", teilte er mit. An manchen Tagen findet man keinen Platz.
„Gut, dann lass uns gehen.", sagte ich. Zusammen gingen wir Richtung Bibliothek.Seit zwei Stunden saßen wir schon hier und waren am Lernen. Ich dachte, dass ich neben Okan nicht lernen könnte. Doch es klappte ganz gut. Neben ihm blieb mein Kopf irgendwie stehen und fokussierte sich nur auf ihn. Zwischendurch blickte ich unauffällig zu Okan. Er war konzentriert am Lernen. Sogar dabei sah er gut aus. Seine Braue waren leicht zusammengezogen, die Haare etwas durcheinander. Jedesmal, als er nachdachte, fuhr er durch die Haare. Er würde es nicht mal bemerken, wenn der Weihnachtsmann vor ihm stehen würde. So konzentriert war er. Er tippte schnell etwas am Taschenrechner und schrieb sich dann etwas auf. Als er bemerkte, dass ich ihn anstarrte, schaute er mich verwirrt an.
„Ist etwas?", fragte er dann.
„Äh, nein ... ich schaute mir nur deine Anschriebe an. Sieht kompliziert aus.", behauptete ich.
„Ist es auch. Ich gehe die Rechnung schon das dritte mal durch. Aber die Lösung will nicht gefunden werden.", meinte er. Kurz schaute ich mir die Formel an. Ich sah nur Buchstaben und seltsame Abkürzungen.
„Ich konstruiere gerade eine Brücke ... und irgendwas mache ich falsch.", zeigte er mir die Skizze auf dem Laptop.
„Ich verstehe zwar nichts von Brückenbau, doch sieht gut aus.", sagte ich und scrollte runter, um den Rest der Skizze anzuschauen.
Okan scheint kreativ zu sein. Der Entwurf sah echt gut aus.
„Ich glaube, ich habe gefunden, was mir fehlt!", fiel ihm plötzlich ein und er zoomte auf die Skizze.
Eilig schrieb er etwas ab und wandte sich wieder zum Bildschirm.
„Die Angabe unten hatte ich vergessen. Danke, jetzt habe ich die Rechnung gelöst.", bedankte er sich und lächelte.
Sein Lächeln war unbeschreiblich. Ich verlor mich wieder bei dem Anblick auf Okan. Automatisch fing ich auch an zu lächeln.„Und was machst du?", fragte er und schaute sich meine Aufschriebe an.
„Ich untersuche eine Studie über Persönlichkeitsstörungen.", erklärte ich.
„Mit den ganze Begriffen würde ich nicht klarkommen ...", meinte er und schaute sich die Rückseite vom Blatt an.
„Was heißt denn histrionische Persönlichkeitsstörung?", fragte er verwirrt.
„Bei der histrionischen Persönlichkeitsstörung sind Betroffene stark auf die äußere Zuwendung und Aufmerksamkeit der Anderen angewiesen. Sie suchen ständig nach Anerkennung.", erklärte ich kurz.
„Betroffene sind oft aufgeschlossen, lebenslustig und können andere mitreißen. Obwohl diese Menschen oft einen großen Freundeskreis haben und in ihrem Leben viel passiert, kennen sie Phasen der Einsamkeit, Unzufriedenheit und inneren Leere mit nagenden Selbstzweifeln. Meist kommen diese Menschen nicht aufgrund ihrer Persönlichkeitsauffälligkeiten in Therapie, sondern weil sie nach einer Trennung oder wegen anderer Schwierigkeiten eine depressive Verstimmung haben.", laß er den Text ab.
„Genau ...", stimmte ich zu.
„Scheint interessant zu sein. Aber meine Formeln sind mir lieber.", meinte er und reichte mir die Blätter.
„Das ist dein letztes Semester, oder?", fragte Okan.
„Hoffe ich. Wenn ich durch die Prüfungen komme."
„Du brauchst nicht zu zweifeln. Du hast bestimmt nicht so viele Lücken wie ich. Wenn es so weitergeht, kann ich mein Master abbrechen.", zweifelte er.
„Dann halte ich dich nicht länger auf. Du hast noch einiges zu machen.", sagte ich.
„Eigentlich halte ich dich ab. Was auch immer, lernen wir weiter.", wandte er sich wieder zu seiner Aufgabe.Okan macht also sein Master ... Dafür muss er schlau sein. Wenn er seit zwei Jahren nicht regelmäßig zur Uni kommt, und nicht abbrechen musste, hat er wohl das Potenzial sein Master zu beenden.
Im nächsten Moment kam eine Studentin auf uns zu und frage Okan irgendetwas nach, wovon ich nicht verstand. Etwas über Brückenbau.
Während er sich die Aufgabe anschaute und daraufhin den Rechenweg erklärte, trennte sie keinerlei die Blicke von ihm. Ehm, Hallo? Wer bist du? Entsetzt schaute ich sie an.
„Verstanden?", fragte Okan, nachdem er es erklärt hatte.
„Ach, jetzt habe ich es verstanden. Danke!", gab sie lächelnd von sich.
Mit Schlitzaugen schaute ich ihr hinterher. Einmal Sicherheitsabstand um Okan bitte ...„Eylem?", riss mich eine Stimme von meinen Gedanken weg. Jedesmal, wenn Okan, meinen Namen erwähnte, warf mein Herz Saltos. So fühlte es sich zumindest an. Ich schrieb noch mein Satz zu Ende und wandte mich dann zu ihm.
„Willst du noch weiterlernen? Ich kann nicht mehr ...", fragte er.
„Ich langsam auch nicht mehr."
„Lass uns dann gehen, es ist auch draußen dunkler geworden. Nicht, dass sich deine Eltern Sorgen machen.", meinte Okan.
„Sie wissen schon bescheid.", sagte ich.
Wir packten zusammen und machten uns auf den Weg nach draußen. Es war so kalt, dass meine Atemzüge als kleine Wolken sichtbar wurden. Ich sollte mir das nächste mal eine wärmere Jacke mitnehmen. Der Herbst war kalt und eisern geworden.
Beim Parkplatz angekommen, stiegen wir schnell in Okans Auto ein und fuhren los. Heute war ein seltsamer Tag gewesen. Was ist plötzlich mit Okan passiert? Und vor allem stellte ich mir die Frage, ob er bleiben wird. So wie er sich verhält, vermute ich schon. Ich will es nicht vermuten, ich will wissen, dass er bleibt ...1545 Wörter
Fortsetzung folgt
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unvergesslich - unutulmaz
Acción„Stell dir ein Meer vor. Es ist so tief und dunkel wie ich. Du, eine Welle, prallst gegen meine spitzen Felsen und wirst danach von der Dunkelheit verschluckt ... Aber du kommst immer wieder zurück und gibst nicht auf. Jedes mal kehrst du etwas stär...