K A P I T E L 28 - Würdelos

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Ich erstarrte und war zu nichts mehr fähig. Das müssen Professionelle sein ...
Was wollen Professionelle von mir? Was habe ich wem angetan! Wer steckte hinter der Sache? War das Emir? Er wollte mich doch immer leiden sehen!
In meinem Kopf schwirrten hunderte Fragen rum. Ich konnte nicht mehr klar denken!
"Wer tut so etwas?", brachte ich brüchig von mir und schaute hilfesuchend zu Onur.
"Wenn wir das wüssten!"
Tief holte ich Luft und dachte nochmal nach. Ich wurde angegriffen, der Täter ist geflohen und hat keine Spuren hinterlassen ...
Ich habe ein ernstes Problem! Wie soll ich wieder sicher auf den Straßen sein? Was, wenn ich verfolgt werde? Oder der Täter wieder zurückkommt?
"Ich weiß nicht mehr weiter!" Tränen drangen zu kommen.
"Hey, Kopf hoch!", versuchte mich Onur aufzumuntern und suchte mein Blick.
"Ich gehe lieber, danke für alles Onur! Ich weiß nicht mit welchen Leuten ich zutun habe. Ich will dich da auch nicht reinziehen! Halte dich bitte fern aus dieser Sache!", sagte ich zuletzt und stand auf. Schnell fand ich mein Weg nach draußen und ignorierte Onurs Ruf nach mir.
Sofort rannte ich zu meinem Auto und wollte so schnell wie möglich weg.

"Eylem! Eylem lüften dur! (Bleibe bitte stehen!)", nahm ich hinter mir wahr.
Ein kalter Wind zog sich an mir vorbei und brachte mich zum Frieren. Ich bemerkte ich, dass ich meine Jacke drinnen vergessen hatte. Verdammt! Als ich die Autotüre öffnete, nahm ich Onur im Augenwinkel wahr, der mir meine Jacke reichte. Tief atmete er ein und aus, während er mich verwirrt und besorgt anschaute. Ich bemerkte wie sinnlos ich reagiert hatte ...
Wieso bin ich weggerannt? Nicht vor ihn, sondern vor meinen Sorgen.
"İçerde unutmuşsun. (Du hasst es drinnen vergessen.)", kam leise von ihm. Mein Blick blieb auf meiner Jacke hängen, die er mir entgegenhielt.
Als er mir die Jacke auf die Schulter legte, erhoben sich meine Mundwinkel. Kurz blickte ich in seine Augen, doch wich ihnen sofort aus und schaute wieder auf den Boden.
"Kendine dikkat et. (Pass auf dich auf.)", sagte er zuletzt und drehte sich wieder um.
Ich blieb wie in ein Eisbrocken verwandelt mitten auf der Straße stehen. Der kalte Wind machte mir nichts mehr aus, das hupende Auto vor mir interessierte mich nicht ...

Es fühlte sich so an, als ob ich Onur das letzte mal sehen würde. Sein Abgang war anders. Gebrochen. Doch ich wollte nicht länger, dass er in dieser Sache verfangen war.
Ich hatte mich noch nie so hilflos gefühlt! Tief atmete ich die kühle Luft ein und löste mich wieder aus der Starre, als ich das Klingeln meines Handy wahrnahm.
Langsam drehte ich mich nach rechts und griff nach meinem Handy. Esra rief mich an. Die Tränen versammelten sich wieder in meinen Augen.
"Hallo?", nahm ich das Telefonat entgegen.
"Eylem? Was ist passiert?", fragte sie sofort, als sie meine brüchige Stimme hörte.
"Esra!-", weiter kam ich nicht und schluchzte.

Nachdem die Türe geöffnet wurde, schlang ich meine Arme direkt um Esras Taille.
"Canım benim! (Meine Liebe!)", umarmte sie mich.
"E-Esra! Dayanamıyorum artık! (Ich halte es nicht mehr aus!)"
"Komm rein!", bat sie und schloss die Türe zu.
"Erzähl, was ist passiert?", fragte sie besorgt.
Zusammen gingen wir in ihr Zimmer. Keiner war zu Hause, also könnten wir in Ruhe reden.
"Was ist passiert? Ich habe nichts am Handy, außer Okan verstanden!", fragte sie und setzte sich zu mir.
"Okan ...", fing ich an zu erzählen und Tränen drangen wieder zu kommen.
Ich fing an, die ganze Geschichte zu erzählten ...

"Er wird es überleben, ich bin mir sicher!", versuchte sie mich aufzumuntern und fuhr über meine Haare.
"Ich hoffe das so sehr! Jeden Tag bete ich für ihn!", wandte ich mich zu ihr und blickte zu ihr hoch.
"Alles wird mit der Zeit gut!", sicherte sie und reichte mir ein Taschentuch. Ich stand von ihrem Schoß auf und nahm es entgegen.

Von der einen Seite fühlte ich mich besser, doch einerseits auch schlecht. Weil ich ihr die Sache mit Onur und dem Parkplatztäter nicht erzählt hatte.
"Wer tut Okan so etwas an?", fragte ich.
"Da fällt mir zuerst Emir ein.", sagte Esra und wandte sich zu mir.
"Mir ist er auch zuerst eingefallen, doch es gibt keinerlei Beweise!", zweifelte ich. Eine hoffnungslose Stille entstand zwischen uns. Genervt atmete ich aus und grub mein Gesicht in die Hände. War es Emir? Könnte es jemand Anderes sein? Wer könnte es außer Emir noch gewesen sein?
"Eylem ...", hörte ich Esras Stimme, die mich aus meinen Gedanken löste.
"Ich habe heute beim Arzt ein Termin für meine Mutter gemacht und habe dort Emir gesehen ... Er - er hatte Schwellungen und eine geplatzte-"
"Was!", unterbrach ich sie schockiert und stand abrupt auf.
"Eylem, beruhige dich bitte!", bat sie und stellte sich zu mir. Doch ich war im nächsten Moment auf 180 gedreht.
"Er hat es gemacht!", schrie ich tränenerfüllt. Das waren Wuttränen!
"Ich weiß nicht, vielleicht war es wegen etwas Anderem!", versuchte sie mich zu beruhigen und hielt mich an den Händen fest.
"Wegen was soll es sein?! Sag mir, wegen was! Er hat es gemacht! Ich wusste es doch!", schrie ich und löste meine Hände von ihr. Ich spürte nichts weiteres außer Wut! Nichts nahm ich außer den lodernden Flammen in meiner Seele wahr! Sofort rannte ich zur Haustüre und zog meine Jacke an.
"Eylem dur! (Warte!)", eilte Esra zu mir.
"Sen bu işe karışma Esra! O bitti, anladınmı! (Mische du dich da nicht ein Esra! Er ist erledigt, verstanden!)", warnte ich sie und wischte meine Tränen weg.
"Dur, bi kaza çıkacak şimdi elinden! (Warte, es passiert dir noch etwas Schlimmes!)", versuchte sie mich aufzuhalten.
"Bırak beni! (Lass mich!)", schrie ich und zog mein Arm ruck zuck weg.

Ich wusste nicht mehr, wie ich ins Auto eingestiegen war, losfuhr und hier ankam. Meine Wut hatte mich blind und taub gemacht! Du bist erledigt Emir!, dachte ich nur die ganze Fahrt lang. Wie konnte er seine Hand erheben und Okan verletzen?! Er hat ihn ohnmächtig geschlagen!
Meine Schritte wurden immer schneller, als ich mir der Haustüre näherte.
Ich klingelte mehrmals an der Klingel und klopfe hastig auf der Türe rum. Macht die verdammte Türe auf! Nach ein paar Sekunden wurde die Türe von einer jungen Frau geöffnet. Einer Haushelferin.
"Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte sie verwirrt.
"Wo ist Emir! Wo ist er!", schrie ich. Erschrocken zuckte sie zusammen.
"Wer sind Sie? Ich kann sie nicht rein-"
"WO IST ER!", schob ich sie zur Seite und drang rein.

Ich stürmte direkt auf die Treppen zu und rannte auf Emir Zimmer.
"Emir çık ortaya! (Emir komm sofort raus!)", forderte ich.
Als ich die Türklinke zu seinem Zimmer runterdrücken wollte, wurde ich auf einmal am Arm nach hinten gezerrt.
"Ne yaptığını sanıyorsun sen! (Was denkst du zu machen!)", schrie mich Emir an. Seine Wut war unübersehbar und der Griff wurde fester. Doch ich zeigte keinerlei Schwäche und zog mein Arm weg.
"Asıl sana sorulmalı! (Muss man eigentlich dir fragen!)", schrie ich. Die Tränen drangen wieder zu kommen. Emir sah schlimm aus. Er hatte Verletzungen im Gesicht und sah schwach aus.
"Eşkiya gibi evime dalamazsın! (Du kannst nicht wie ein Bandit in mein Haus reindringen!)", warnte er mich und packte mich an der Schulter.
"Yeter artık! Bendende, sevdiklerimden de uzak dur! (Es reicht! Halte dich von mir den Leuten, die ich mag, fern!)", schrie ich und schubste ihn weg.

Er erstarrte auf einmal.
"Allah kahretsin seni! (Gott soll dir Unheil bringen!)", schluchzte ich und drückte ihn weg.
"Çık hayatımdan! (Verzieh dich aus meinem Leben?)", forderte ich.
"Defol git çabuk! (Verzieh dich sofort!)", schrie er und packte mich erneut am Arm.
Mein Unterarm fing an zu schmerzen! Doch das war mir in dem Moment so egal!

"N'aptı Okan sana! Bayılana kadar dövecek naptı? (Was hat dir Okan angetan! Was hat er gemacht, um ihn bis zur Ohnmacht zu schlagen?), fragte ich tränenerfüllt.
"Sen hiç birşey bilmiyorsun! (Du weißt nichts!)", schrie er.
"Hiç mi için acımadı! Hiç mi vicdanın acımadı? ... Ama vicdan sende ne arar! (Hat es dir nicht wehgetan! Hat es deiner Würde gar nicht wehgetan? ... Aber was sucht die Würde bei dir!)", schluchzte ich. Tief schaute mir Emir in die Augen. Hasserfüllt und schwach ...

"N'oluyor burada?! (Was geschieht hier!)", hörte ich im nächsten Moment eine wütende Stimme hinter mir. Als ich mich umdrehte, sah ich ein Mann im Anzug, der sich uns näherte. Das müsste Emirs Vater sein ...
"Bu da kim? (Wer ist denn das?)", fragte er.
"Bu ne saygısızlık! (Was ist das für eine Unverschämtheit!)", schimpfte er.
"Önce saygıyı oğlunuza öğretin! (Bringen Sie zuerst Ihrem Sohn Respekt bei!)", sagte ich und setzte mich in Bewegung.

Beide blieben erstarrt hinter mir stehen. Eine schreiende Stille entstand. Ich wusste, dass ich nicht richtig gehandelt hatte, doch ich hatte komplett den roten Faden verloren. War zu einem anderen Mensch mutiert ...
"Ne diyor bu Emir! (Was sagt sie Emir!)", fragte der Vater schockiert.
Doch Emir war wie erstarrt und verstummt. Als ich die Treppen runterging, sah ich unten an der Türe ein erstarrtes Gesicht sehen. Das könnte niemand außer Emirs Schwester sein, die alles mit vollen Augen beobachtet hatte. Sie tat mir aus irgend einem Grund leid ...

"Eğer o'na birşey olursa, seni yaşatmam! (Wen ihm etwas passiert, lasse ich dich nicht leben!)", waren meine letzten Worte, bevor ich mich umdrehte und ging.

1541 Wörter

Fortsetzung folgt

Hello people,
tut mir leid, dass ich so lange inaktiv war 😬. Doch ich kam nicht zum Schreiben. Aber jetzt geht es wieder weiter 😄. Ich hoffe, dass es euch gefallen hat, bis zum nächsten mal 👋🏼

unvergesslich - unutulmazWo Geschichten leben. Entdecke jetzt