K A P I T E L 1 - Ein Model im Smoking

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Vom Augenwinkel aus nahm ich eine dunkle Gestalt wahr, die die Treppen hochstieg. Reflexartig drehte ich mich in die Richtung und erstarrte unmittelbar, als ich auf den Neuankömmling traf.
Zwischen den weißen Brautkleidern tauchte ein Model im Smoking auf...
Ich hielt die Luft an und konnte nicht verstehen, was plötzlich mit mir passierte. Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ob es gleich rausspringen würde. Mein Verstand spielte auf einmal verrückt. Etwas geschah mit mir, doch ich verstand nicht was.










Vier Stunden zuvor:

„Eylem!", hörte ich jemanden immer wieder rufen.
„Eyleeem!", wiederholte sich die Stimme und rüttelte mich wach.
Die Rolladen wurden hochgezogen und grelles Licht drang ins Zimmer rein. Genervt kniff ich die Augen zusammen und zog die Decke über meinen Kopf.
„Hmm?", gab ich im Halbschlaf von mir.
„Eylem! Wach sofort auf! Ein Notfall!", wurde die Stimme plötzlich hektischer. Ruckartig stand ich auf und richtete mich hin.
„Was! Was ist passiert?", schaute ich mich panisch um, doch erblickte nur meine lachende Mutter vor mir.
Meine Braue zogen sich schmunzelnd zusammen.

„Haha, gar nicht witzig.", gab ich in einem sarkastischen Ton von mir und fuhr müde über das Gesicht.
„Diese Taktik funktioniert immer. Hat mir mal Didem erzählt. Los! Stehe auf! Ich glaube ihr habt den Bären den Winterschlaf gestohlen."
Der letzte Satz brachte mich zum Lachen. Das könnte gut sein.
„Hättest du eben gestern nicht mit Esra und Demet bis kurz vor Mitternacht gesprochen.", verließ sie schimpfend mein Zimmer.
Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es 8 Uhr 10 war. Meine Mutter weckte mich kurzerhand eine Stunde vor meinem Wecker auf und es war Wochenende!

Moment mal!
Heute ist der große Tag...
Die Aufregung macht sich bereits in den Morgenstunden bemerkbar. Meine Cousine Derya wird heute heiraten!
Ohne länger zu Zögern sprang ich von der Stelle auf und wechselte meine Pyjamas gegen Jeans und Langarmshirt aus. Danach eilte ich ins Badezimmer. Ich muss noch frühstücken, dann zum Friseur gehen und die Braut noch begleiten, wenn sie ihr Vaterhaus verlässt! Ich geriet jetzt schon unter Zeitdruck. Heute würde ein langer Tag sein...
In der Küche half ich meiner Mutter bei den Frühstücksvorbereitungen. Der Tisch war so gut wie gedeckt.
„Bu arada, günaydın anne. (Übrigens, guten Morgen Mama).", vergas ich vor lauter Stress und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Günaydın Eylem. (Guten Morgen Eylem.)", gab sie beschäftigt von sich, während sie die Gurken in Scheiben schnitt. Ich füllte den Teekessel mit Wasser und Schwarztee.

„Wecke Didem auf, bevor es zu spät wird!", erinnerte mich meine Mutter.
„Sie schläft bestimmt noch.", vermutete ich und löste mich vom Küchentresen, woran ich mich angelehnt hatte. Ich klopfte an Didems Zimmertür und wartete auf einen Laut von ihr. Doch als nichts ihrerseits kam, stürmte ich rein. Aha, sie schlief noch.
Genau so wie ich geweckt wurde, schob ich die Gardinen zur Seite, damit meine Schwester endlich aufwachte.
„Uyan uyuyan güzel! (Stehe auf Dornröschen!)", weckte ich sie auf.
„Noch ein bisschen!", kam schläfrig ihrerseits.
„Hadi (Beeil dich), wir haben noch vieles vor, canım (meine Liebe).", zog ich ihre Bettdecke weg. Als sie sich an diese festklammert, fiel mir eine brillante Idee ein, um das Dornröschen aufzuwecken.
„Stehe auf. Sonnst mache ich dein Hasslied von Serdar Ortaç auf.", drohte ich ihr lachend.
„Da stehe ich schon freiwillig auf!", raunte sie mich an und erhob sich gähnend von der Stelle.
„Wie viel Uhr ist es?"
„Zwanzig nach acht."
„Was? Wir kommen noch zu spät!", begriff sie endlich und verschwand hektisch ins Badezimmer. Lachend schaute ich ihr nach. Als ob ich nicht wüsste, dass die alle Wecker ausgeschaltet hatte, da sie wusste, dass meine Mutter oder ich sie wecken würden. 

Zurück in der Küche half ich meiner Mutter weiter. Didem kam etwas später dazu mit ihren altbekannten Augenpads, die sie morgens immer aufsetzte.
„Da ist ja unser Dornröschen.", wandte sich meine Mutter lachend zu ihr.
„Wieso habt ihr mich nicht früher aufgeweckt?", nörgelte meine Schwester.
„Mit deinem Handy, das nie von deinen Händen fällt, kannst du auch ein Wecker einstellen kızım (meine Tochter).", vergewisserte meine Mutter.
„Jetzt hilft mir mal, wir haben heute noch einiges vor.", drückte sie uns das Geschirr in die Hand, diese wir zum Esstisch trugen.
„Ich glaube, ich lasse mir sanfte Wellen machen.", dachte Didem am Frühstückstisch über ihre Frisur nach. Wochen zuvor hatte sie schon ihren heutigen Look geplant, während ich immer noch unentschlossen war. Dieses Mädchen hätte ein einser Abitur absolvieren können, wenn sie sich für ihre Schule auch so sehr, wie um ihr Aussehen gekümmert hätte.

unvergesslich - unutulmazWo Geschichten leben. Entdecke jetzt