K A P I T E L 64 - Konsequenten

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Leise schloss ich die Haustüre auf und betrat die Wohnung. Es war schön Zeit mit Okan zu verbringen. Am Montag wird er mich wieder abholen, damit wir zusammen zur Uni gehen. Ich hoffe, dass er auf mich hört und sich mit seinen Eltern versöhnt. Sein Glück ist mir sehr wichtig. Er kann das Konflikt mit seinen Eltern nicht einfach so liegen lassen. In jeder Familie gibt es Probleme. Sie müssen aber gelöst werden.
Kurz schaute ich mich um und ging danach in mein Zimmer.
„Eylem.", hörte ich, als ich mein Zimmer betrat. Meine Mutter hatte mich gesehen. Zögernd drehte ich mich zu ihr.
„Wo warst du?", fragte sie und schaute mich prüfend an. Wie wenn sie versuchen würde, die Antwort aus meinem Gesicht zu lesen. Mit trägen Schritten näherte sie sich und machte die Türe zu. Ich schwieg zunächst und wusste nicht, wie ich antworten sollte. Ich wollte ihr die Wahrheit sagen, doch ich konnte nicht.
„Warst du wieder mit ihm?", konnte sie von meinem Blick ablesen.
„Ja!", antwortete ich.
Enttäuscht schaute sie mich an. Dieser Blick tat mir weh.
„Wie kann ich meine Tochter einer Person anvertrauen, der als Mörder bezeichnet wird?", fragte sie.
Wieder begann das Thema...
„Er ist kein Mörder! Wie oft soll ich das noch sagen?", kam ich außer Fassung.
„Du wirst ihn vergessen Eylem! Ohne Wenn und Aber! Und wenn du ihn nochmal triffst, dann wird es Konsequenten geben!", wurde sie lauter. Tränenerfüllt blickte sie mich an. Das waren Wuttränen.
„Ich versuche dich zu beschützen! Verstehe es endlich! Das Thema wird jetzt geschlossen und nie wieder mehr geöffnet!", waren ihre letzten Worte. Die Türe wurde zugeknallt. Kurz zuckte ich und schloss die Augen.

Mein Herz fühlte sich plötzlich so schwer an! Es kam mir so vor, wie wenn der Boden unter meinen Füßen gehen würde. Es fühlte sich so an, wie wenn ich endlos im Erdboden sinken würde. Tief schnappte ich nach Luft und ließ mich auf meinem Bett nieder.
Wieso tust du mir das an Mama? Wieso willst du mich nicht verstehen?
Was soll ich jetzt machen? Ich kann Okan nicht das zweite mal loslassen! Da,wo ich ihn vor seinem Flug abgehalten habe, kann ich ihn nicht in Stich lassen! Wir haben uns vereint! Ich kann ihn vor allem nicht an seiner schwierigsten Zeit alleine lassen...

„Was ist los?", platzte im nächsten Moment Didem in mein Zimmer rein. Besorgt kam sie auf mich zu und setzte sich zu mir. Fest fiel ihr um den Hals und sagte nichts. Tränen liefen mein Gesicht runter. Tief zog ich die Luft ein und unterdrückte die Schluchzer.
„Wieso habt ihr euch gestritten?", fragte Didem und suchte mein Blick.
„Es geht wie immer um das Selbe. Ist nichts Neues... Ich sollte mich daran gewöhnen!", erklärte ich.
„Was meinst du? Geht es um ihn?"
Ich nickte und stand auf, um mir ein Taschentuch zu holen. Ich wischte die Tränen weg und zog meine Jacke aus.
„Mir geht es gut. Du kannst gehen.", sagte ich und hing die Jacke auf.
„Dir geht es nicht gut! Das sehe ich doch.", machte sie mir klar und stand auf.

Ich versuchte es zu überspielen, doch ich war keine gute Schauspielerin. Besorgt schaute mich meine Schwester an.
„Ben seni tanırım. Sen kırılgan bir insanın. Gittiğimden sonra oturup ağlayacaksın, biliyorum! (Ich kenne dich. Du bist ein sensibler Mensch. Nachdem ich gehen werde, wirst du dich hinsetzen und weinen!)", sagte sie. Damit hatte sie so Recht. Jede Sekunde zerbrach die starke Eylem in mir immer mehr mehr.
„Canım çok yanıyor Didem! (Es tut mir so weh Didem!)", brachte ich brüchig raus.
Bemitleidet zog sie mich in eine Umarmung.
„Keşke elimden bir şey gelse! (Ich wünschte ich könnte etwas dafür machen!)", sagte sie.
Ich wusste, dass die Vereinigung mit Okan Konsequenten mit sich bringen würde. Vielleicht war ich doch nicht so stark, wie ich dachte. Vielleicht war ich immer noch die zerbrechliche, schwache Eylem. Ich stand vor einer schwierigen Entscheidung.
Meine Familie, oder Okan.
Wieso musste ich so eine Entscheidung treffen? Oder gab es doch einen Ausweg? Ich wusste nicht mehr weiter.

Okan

Du konntest wieder nicht diese Stadt verlassen. Du sitzt fest in dieser Stadt. Dieses mal hielt dich dein Herz ab. Eylem hielt mich ab. Die Person, die mein Leben verschönerte, hielt mich davon ab, mich zu verziehen. Das Leben ist voller Überraschungen. Mal begegnen uns schöne Überraschungen, mal böse.
Manchmal fällt man auf dem Weg zu seinem Ziel auf den Boden, um zu sehen, dass man auf der falschen Spur ist. Ich bin auch hingefallen. Mehrmals sogar. Jedes mal bin ich etwas tiefer gefallen. Aber dann wurde mir eine Hand gereicht. Die Hand von Eylem. Wäre ich nie hingefallen, hätte ich diese helfende Hand vielleicht nie so sehr geschätzt. Es hat lange gedauert, bis ich das bemerkt habe. Wie soll man auch seine Vergangenheit plötzlich aus dem Gedächtnis löschen? Ich weiß, dass ich unendlich viele Fehler gemacht habe. Aber ich will nicht mehr zusehen, wie ich anderen und mir schade. Die Zeit auf der Welt ist begrenzt. Ich will diese Zeit nutzen, um schöne Dinge zu erreichen. Ich werde bleiben und für mein Glück Kämpfen. Für unser Glück...

unvergesslich - unutulmazWo Geschichten leben. Entdecke jetzt