K A P I T E L 78 - Rote Rose

1.8K 68 20
                                    

Mein Blick fokussierte sich auf eine Straßenlaterne in der Ferne. Der Regen zeigte sich unter dem Licht.
Müde löste ich mich vom Fenster und legte mich auf mein Bett hin.
Äußerlich war ich still. Doch innerlich? Herrschte ein Chaos in mir.
Es war schon kurz vor 22 Uhr.
Von Okan gab es immer noch keine Spur.
War ihm etwas Schlimmes passiert? Oder ignorierte er mich wirklich? Was hatte ich falsch gemacht? Habe ich Okan so sehr verletzt, dass er mich nicht mal hören will? Er nahm nicht mal meine Anrufe an. Das verletzte mich...

Im nächsten Moment fing mein Handy plötzlich an zu klingeln. Aufgeregt nahm ich es in die Hand. War es Okan?
Nein. Vergeblich.
„Ja Onur?", nahm ich sein Anruf mit großer Enttäuschung entgegen.
„Guten Abend Eylem. Ich hoffe, ich störe nicht. Ich wollte fragen wie es dir geht...", teilte er mit.
„Danke der Nachfrage. Mir geht es immer noch gleich.", erklärte ich.
„Hat dich Okan nicht angerufen?", fragte er überrascht.
„Nein, leider nicht!", gab ich gebrochen von mir. Kurz entstand eine Stille zwischen uns.
„Oh, das wundert mich... Ich hätte es anders erwartet.", gab Onur verwirrt von sich.
„Ich auch. Es ist so ein schlimmes Gefühl nichts dafür zu tun! Ich sitze hier reglos rum und warte auf einen verdammten Anruf!", wurde ich immer wütender.
„Okan wird bestimmt einen Grund für sein Verschwinden haben Eylem. Er wird es dir bestimmt sagen, wenn er mit dir redet. Ich bin mir sicher!", versuchte er meine Laune zu verbessern.
„Ich hoffe... Als du sagtest, dass du immer da sein wirst, wenn ich Hilfe brauchen werde, hattest du Recht.", bestätigte ich.
„Naja, ich helfe eben da, wo ich kann. Ich helfe dir gern."
Ich hatte nichts zu Meckern an der Sache, aber wieso half er mir so? Das war mir seltsam. Vor allem nachdem wir vereinbart hatten, unsere Freundschaft zu beenden. Wollte er etwa mehr als Freundschaft? Hatte Onur Gefühle für mich? Diese Gedanken passten irgendwie nicht zu Onur.
„Wieso machst du das eigentlich für mich? Ich bin dankbar dafür, aber es wundert mich, dass du immer für mich da bist. Wie habe ich mir das verdient?", fragte ich letztendlich.

Aufmerksam wartete ich auf seine Antwort.
Zunächst war es still zwischen uns. Ich hörte, dass Onur tief nach Luft holte.
„Ich - weiß nicht, wie ich das erklären soll, aber...", kam er wieder zu Wort.
Aber was? Ich wollte den Rest hören.
„Ich habe das Gefühl, dass ich als Helfer an deiner Seite stehen soll. Du weißt, wie wir uns kennengelernt haben. Ich habe dich vor einem Angriff verschont... Wir haben, finde ich eine andere Bindung in der Freundschaft. Denn sie begann nicht mit einem gängigen Gespräch, sondern mit einem ernsten Vorfall. Und es gibt noch etwas, dass ich sagen muss. Das sind keine Anmachsprüche, aber ich finde, dass du ein ganz anderer Mensch bist. Du bist nicht wie die Mädels in deinem Alter. Du denkt reif nach, hast ein gutes Herz, bist aufrichtig. Es ist schön dich kennengelernt zu haben. Du hast mir gezeigt, dass es noch vernünftige Menschen auf der Welt gibt. Und du hast mir gezeigt, dass es noch wahre Liebe gibt. Für so eine Person bin ich gerne da... Wenn es dich aber stört, dann kann ich das auch lassen."
Nachdem ich diese Worte gehört hatte, erstarrte ich zunächst und wusste nicht was ich sagen könnte.
„Es freut mich, wenn ich einen guten Eindruck bei dir hinterlassen konnte. Die Worte kann ich auch dir sagen Onur. Es ist schwer in dieser Zeit vernünftige Menschen zu finden. Du bist immer so fürsorglich und vorsichtig. Du weißt, wie man Menschen behandeln soll. Danke für deine Hilfe Onur, das ist nicht selbstverständlich.", sagte ich.
„Nichts zu danken. Ich wünsche dir noch eine gute Nacht.", beendete er das Gespräch.
„Ich wünsche dir ebenfalls eine gute Nacht.", waren meine letzten Worte, bevor ich auflegte.
Onur denkt sogar mehr an mich wie Okan.
Er hat mich angerufen, während ich das von Okan erwartete. Diese Nacht muss ich wohl mit einem gebrochenen Herz einschlafen. Das habe ich dir zu verdanken Okan...

Okan

Heute war der Tag, an dem mein Leid enden würde. Heute war der Tag, an dem all die Erinnerungen verbrannt wurden.
Ich hatte viele Tränen vergossen. Es war ein schmerzvoller Tag für mich gewesen.
Vor einem Lagerfeuer saß ich mit angeschwollenen Augen da. Starr blickte ich die Flammen an.
Heute hatte ich die letzten Fotos verbrannt, die ich noch besaß. Ein Ablum voller Fotos waren in dem Feuer niedergegangen. Für jedes Bild verlor ich eine Träne. Aber das ganze musste ich machen!
Ich wollte nicht mehr an Fotos hängen bleiben. Ich wollte sie loslassen! Ich kann sie nicht mehr länger bei mir behalten. Sie passen zu mir nicht mehr.
Ich habe mir vorgenommen von neu anzufangen. Also musste ich alte Erinnerungen vernichten. Wenn man in der Gegenwart leben will, muss man die Vergangenheit löschen. So klar war die Regel.

unvergesslich - unutulmazWo Geschichten leben. Entdecke jetzt