K A P I T E L 21 - Gefährliche Nähe

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"Okan, kommst du? Wir warten schon auf dich!", rief Gökay nach ihm.
"Ja! Gleich!", rief er zurück und platzierte die Kerzen auf das Geburtstagskuchen.
"Und? Ist es schön geworden?", fragte er und drehte mich zu seinem Freund.
"Sieht super aus! Wenn man bedenkt, dass du es gebacken hast!", meinte er und lachte. Zusammen verließen sie die Küche. Alle warteten schon gespannt auf seine Überraschung!
"Çok heyecanlıyım! (Ich bin sehr aufgeregt!)", flüsterte er leise zu Gökay. Dieser drehte die Kamera zu ihm und lachte. "Okan, 19 Jahre alt, ist zum Anbeißen süß!", scherzte er und sie lachten.
Als sie draußen ankamen,  fingen seine Freunde an zu singen. "Happy Birthday to you, happy birthday to you, happy birthday lie-"
Bevor der Name ausgesprochen wurde, hielt er das Video an.

Er schloss die Augen zu und atmete tief ein. Das Stechen auf seiner linken Seite spürte er wieder. Wie immer hatte er an der selben Stelle gestoppt. Wieso tust du dir das an?, fragte er sich jedesmal.
Abrupt stand er auf und zog seine Lederjacke an. Die Uhr zeigte 23:38 an, als er sein Zimmer verließ. Alle schliefen bestimmt schon. Nur er war derjenige, der bis mitternachts nicht schlafen konnte ...

Als er die Treppen runterging, nahm er plötzlich Stimmen wahr und stoppte. (Das Gespräch soll auf türkisch verlaufen.)
"Ich weiß nicht wie es weitergehen soll!", hörte er seine Mutter mit einer besorgten Stimme. "Ich auch, er ist plötzlich so anders geworden ...", stimmte sein Vater zu. 'Redeten sie über mich?'
"Ich erkenne unser Sohn nicht mehr. Wir müssen eingreifen bevor wir ihn ganz verlieren.", sagte seine Mutter.
"Ich glaube umziehen wäre das Beste.", meinte sein Vater. "Und was passiert dann mit der Arbeit? Mit Özges Schule?", fragte seine Mutter. "Ich weiß wirklich nicht ... aber wir müssen irgendwas machen.", sagte sein Vater zuletzt.

'Ich bin eine Last für sie. Sagte ich doch, ich bin ein Hindernis für sie!'
Mit schnellen Schritten ging er die Treppen runter. Seine Eltern waren in der Küche, weswegen sie ihn nicht sehen könnten. Leise schloss er die Türe zu und atmete die kühle frische Luft ein. Er wollte einfach nur weg gehen. Weit weg von hier! Seine Schritte führten ihn irgendwo hin. Er wollte nur gehen und alles vergessen.

Nach einer halben Stunde kam er an seinem Ziel an. Er wusste nicht wieso er immer hier her kam. Hier fühlte er sich immer wohl. Er hatte schöne Erinnerungen hier. Aber auch die Schmerzhafteste. Vielleicht kam er auch her, weil er hier das letzte mal gelacht hatte und Glück gefühlt hatte ...

"Sieh mal, wer da ist.", hörte er plötzlich und blickte nach vorne.
"Önder?", fragte er und sah die dunkle Gestallt vor ihm an. Nach Monaten sah er ihn wieder. Besser gesagt nach einem Jahr. "Ja, ich bin's. Der Mörder macht wohl ein Nachtspaziergang.", sagte er danach und näherte sich mit trägen Schritten.
"Ich bin kein Mörder, Önder.", sagte er mit einer ruhigen Stimme.
"Hab gehört, dass du wieder mit der Uni angefangen hast. Hast du dich aus deinem Gefängnis befreit?", fragte er und lächelte schief. Tief atmete er ein und versuchte die Wut in sich zu unterdrücken. "Bleib weiterhin dort! Niemand will deine Mörder-Fresse sehen!", sagte Önder. Das tat ihm weh. Doch seine Miene zeigte nichts von Schwäche oder Schmerz.
"Wie schnell hast du die Tage vergessen, an denen wir uns Freunde genannt hatten.", erinnerte er ihn und trat näher. "Ja ... bis du meinen besten Freund umgebracht hast!", sagte Önder und wurde wütend. Seine Wut war immer noch nicht vergangen. Sein Hass sowieso ...
"Du glaubst immer noch an die Lüge Önder! Ich habe ihn nicht umgebracht!", versuchte er klar zu machen. "Hau jetzt ab Okan, bevor ich deine Fresse poliere!", zischte er und ballte die Hände zu Fäusten. "Ich bin kein Mörder, Önder! Ich war nie ein Mörder!", sagte er zuletzt und setzte sich in Bewegung.

'Ich bin kein Mörder.
Ich bin kein Mörder!
Ich bin kein Mörder!!!'

Er hasste diesen Ort. Doch er mochte ihn auch irgendwie. Der See, der mal ein Treffpunkt war. Immer, wenn
er hier her kam, erinnerte er sich an die schönen Zeiten. Wo noch alles sorgenlos war, mich ihn keiner Mörder nannte ...
Während er sich umschaute, blieb sein Blick wie immer am selber Ort hängen. Das Stechen auf seiner linken Seite wurde wieder fühlbar.
Er wusste immer, dass es falsch war hier her zu kommen, doch er sehnte sich auch danach. Langsam lief er auf den Punkt zu, auf dem sein Blick hängen geblieben war. Umso mehr er sich näherte, umso schwerer wurde es ihm um's Herz. Vielleicht sollte er einfach in sein 'Gefängnis' zurück ... Seine Augen füllten sich und die Schritte wurden immer schwerer. Die letzten schönen Momente kamen ihm vor den Augen.

unvergesslich - unutulmazWo Geschichten leben. Entdecke jetzt