K A P I T E L 101 - Schwarz und Weiß (Das Ende)

2.3K 57 30
                                    

Die Uhren zeigten 17:02 Uhr an, als ich aus meinem Auto ausstieg und Ausschau nach Okan hielt. Gleich würde er rauskommen. Die Kälte umhüllte mich innerhalb von Sekunden, dass ich meine Arme aufeinander kreuzte und mich enger an mein Körper drückte.
Kurz blickte ich hoch auf das mehrstöckige Gebäude vor mir. Als eine kleine Überraschung war zum Unternehmen gefahren, in dem Okan als Werkstudent arbeitete. Das Gute war noch, dass er hier wohl fest angenommen wird. Seit Tagen konnten wir uns nicht sehen, dass ich ihn vermisst hatte. Die kurzen Anrufe am Morgen und am Abend kamen mir unzureichend vor. Okan schrieb nebenbei seine Masterarbeit, wobei ich ihn auch nicht stören wollte, aber länger wollte ich die Sehnsucht nicht aushalten.
Zwischen den Gesichtern, die mir entgegenkamen suchte ich nach Okan. Anscheinend brauchte er noch bisschen Zeit. Ungeduldig ging ich auf und ab. Wo bleibst du nur?

Endlich, nach fünf Minuten sah ich einen telefonierenden Okan, der zu beschäftigt war, um mich wahrzunehmen. Mit wem telefonierte er voller Konzentration? Reglos blieb ich stehen und wartete darauf, bis er mich entdeckte. Er war vertieft im Gespräch.
Als er den Blick nach vorn richtete, blieb er plötzlich stehen und hörte auf zu reden. Vom weiten erkannte ich, dass er meinen Namen aussprach und daraufhin lächelte. Er legte auf und kam mit zügigen Schritten auf mich zu.
„Eylem? Was machst du hier?", überraschte er sich und umarmte mich.
„Ich wollte dich sehen, also bin ich gekommen."
„Das hast du gut gemacht."
„Langsam sollten wir uns treffen, oder? Ich habe zwar auch viel zu tun, aber wie soll ich lernen, wenn ich dich ständig im Kopf habe?", machte ich ihm klar und legte meine Hände auf seine Schulter. Ein charmantes Lächeln zierte sich um seine Lippen.
„Bana şiirler mi okuyorsun? (Ließt du mir etwa Gedichte vor?)"
„Benimle ilgilenmezsen, okurum. (Wenn du mir keine Zuneigung schenkst, werde ich dir auch Gedichte vorlesen.)"
„Tut mir leid Eylem. Diese Woche ging es einfach nicht."

Ohne länger Zeit zu verlieren, machten uns auf dem Weg in ein Restaurant.
„Eylem?", suchte Okan nach meiner Aufmerksamkeit und fuhr durch meine offenen glatten Haare, während wir stumm nebeneinander saßen. Meine Abwesenheit sah man mir an.
„Ja?", widmete ich mich ihm.
„Geht es dir gut? Du siehst nachdenklich aus."
Das war ich auch. Ich wusste nur nicht, ob es eine gute Idee war meine Gedanken mit Okan zu teilen.
„Kafam biraz karışık sadece. (Ich bin nur etwas verwirrt.)"
„Neden? (Wieso?)", hakte er nach. Ich versuchte die passenden Worte zu finden.
„Was würdest du tun, wenn dir jemand seine Liebe gestehen würde, obwohl du vergeben bist?", fing ich an zu reden. Rasch schaute mich Okan an.
„Was ist passiert Eylem? Wieso willst du das wissen?", klang eine Spur von Misstrauen in seiner Stimme.
„Kannst du auf meine Frage antworten?", bat ich.
„Ich hätte nichts gemacht. Was soll ich schon tun? Der andere muss sich mit der Situation zurechtfinden."
Seiner Meinung konnte ich mich anschließen. So habe ich schließlich auch gehandelt.

„Eylem, willst du mir sagen, was los ist?", wurde Okan aufdringlicher. Womöglich waren ihn verschiedenste Szenarien eingefallen. Hätte ich es doch nicht angesprochen haben?
„Das wird zwischen uns bleiben Okan."
„Ja, sowieso. Ich höre.", änderte sich seine Miene und wurde härter.
„Onur... hat mir seine Liebe gestanden.", wurde ich die Worte letztendlich los. Entsetzt starrte mich Okan an.
„Er hat was?", fragte er unglaubwürdig und verkrampfte.
„Okan beruhige dich. Er wird mir nicht mehr über den Weg gehen.", versuchte ich zu erklären.
„Dass mit Onur etwas nicht stimmt, wusste ich schon immer! Ich hätte es ahnen können... Er war immer fürsorglich für dich und ist sogar mit uns nach Frankfurt gefahren!"
Mit dieser Reaktion hätte ich nicht gerechnet. Unmittelbar fing ich an zu lächeln.
„Was ist? Wieso lachst du?"
„Bist du gerade eifersüchtig geworden?", stellte ich fest.
„Nein, aber das regt mich auf."
„Doch, doch. Ich höre da Eifersucht raus.", ärgerte ich ihn weiter.
Seufzend brach er den Augenkontakt ab und kratzte sich am Hinterkopf. Er hat sich eindeutig verraten.
„Darf ich das nicht sein? Du bist nur meine Eylem. Verstanden?", hörte ich daraufhin. Diese Worte erwärmten mein Herz.
„Das weiß ich. Und du weißt auch, dass es für mich nur dich geben wird.", ließ ich ihn wissen. Die Stimmung hatte sich verändert. Okan wirkte bekümmert und wurde still.
Er griff nach meiner Hand und zog sie zu sich.
Einen sanften Kuss platzierte er mir auf den Handrücken und blickte mir erneut in die Augen. Ich liebte diese Nähe. Gegen nichts würde ich sie austauschen. Kein Reichtum der Welt war wertvoller als die Zuneigung, die man bekam...

unvergesslich - unutulmazWo Geschichten leben. Entdecke jetzt