K A P I T E L 77 - Unerreichbar

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Eylem

Es war schon Samstagmorgen geworden.
Die Uhr zeigte 8:12 an, als ich mein Handy in meine Hand nahm. Meine Augen fühlten sich müde an. Gestern Nacht konnte ich nicht einschlafen. Mein Kopf war nämlich bei Okan geblieben. Er sah gestern gar nicht gut aus. Sein Gesicht war bleich angelaufen. Die Erinnerung tat ihm nicht gut.
Ich gab mir selber die Schuld! Als er das Restaurant zögernd betrat, musste ich wissen, dass etwas nicht richtig lief...
Mich hat seine Erinnerung aber schon verletzt.
Er hatte Selin sehr geliebt. Vielleicht sogar mehr wie ich. Er verzaubert mich mit der Art wie er mich behandelt und dabei kannten wir uns gar nicht mal so lange. Er war schon so liebevoll zu mir. Wie war er dann wohl zu ihr gewesen? Viel liebevoller, achtsamer, vorsichtiger.
Ah Eylem! Hör auf so zu denken!
Ich wusste, dass Okan seine verstorbene Freundin nicht so leicht vergessen würde. Ich musste stärker bleiben! Dass er sich an seine alte Freundin erinnert hat, heißt ja nicht, dass er mich nicht liebt. Er hat mir versprochen den Weg mit mir zu gehen. Er wird mich nicht im Stich lassen! Das hoffte ich zumindest tief im Herzen. Was er wohl gemacht hat, nachdem er mich abgelassen hat?
Ich ging auf die Kontakte und suchte Okans Nummer raus. Daraufhin rief ich ihn an.
Vielleicht ist er schon aufgewacht und wird rangehen. Doch meine Hoffnung verschwand, als ich die Mailbox hörte. Er schlief womöglich noch.

Seufzend wälzte ich mich aus meinem Bett raus und zog mich um. Danach ging ich ins Badezimmer. Nachdem ich fertig war, traf ich auf Didem im Flur.
„Günaydın dünyanın en güzel ablası! (Guten Morgen schönste Schwester der Welt!)", zog sie mich in eine feste Umarmung.
„Hayırdır, benden bişey mi isteyeceksin? Ayrıca bu saatte uyanık olmazdın sen. (Was ist los, willst du etwa was von mir? Und um dieser Uhrzeit bist du nie wach.)", überraschte ich mich.
„Aşk olsun, seni tek isteğim olunca mı seviyorum? İçimden bugün öyle geldi. (Das verletzt mich, mag ich dich nur, wenn ich etwas von dir will? Heute ging es mir danach.)", meinte sie.
„Hayır, şaşırdım sadece. (Nein, ich habe mich nur überrascht.)", sagte ich.

Unsere Eltern waren noch nicht wach. Also ging ich mit Didem in die Küche und bereitete das Frühstück vor.
„Seitdem du vergeben bist, hast du gar keine Zeit mehr für mich.", behauptete Didem, während ich das Besteck rausholte.
Vergeben. Wie ungewohnt das für mich klang. Vor Monaten war ich noch die Eylem, die nicht an die Liebte glaubte.
„Im gewissen Maße schon. Du kannst mich aber auch mal fragen, ob wir zusammen was machen wollen."
„Immer bist du mit Okan zusammen, aber das nimm ich dir nicht übel. Ich vermisse nur die Zeit, als wir uns nach der Schule in der Stadt trafen."
Ich musste lächeln. Das stimmte. Okan und ich hatten in letzter Zeit Vieles unternommen.
„Wir waren übrigens gestern beim Juwelier und haben deine Kette abgeholt.", fiel mir ein.
„Wir? Warst du mit Okan da?", fragte sie überrascht und schmunzelte.
„Äh, ja. Wir waren gestern in der Stadt. Deswegen bin ich auch etwas später nachhause gekommen.", erklärte ich.
Das Ende vom Abend behielt ich zunächst für mich. Das musste Didem nicht unbedingt wissen.
Die Zeit flog während wir das Frühstück vorbereiteten und uns unterhielten.
Nachdem unsere Eltern auch aufgewacht waren, frühstückten wir zusammen.

(Das Gespräch soll auf türkisch verlaufen.)
„Heute muss ich in die Boutique gehen. Wir werden die Kleider von neu sortieren. Will jemand mit mir kommen?", fragte meine Mutter in die Runde.
„Ich glaube Eylem oder Didem könnte dir besser behilflich sein.", meinte mein Vater lachend.
„Tut mir leid, ich bin schon mit meiner Freundin verabredet.", teilte Didem mit.
Also blieb nur noch ich übrig.
„Na gut, dann komme ich mit.", beschloss ich.
„Gut, bereite dich dann nach dem Frühstück gleich vor. Unsere Arbeit wird ehe nicht lange dauern. Danach können wir zusammen was machen, oder Eylem?"
„Ja, gerne.", bestätigte ich.
„Gut. Der Tisch sieht übrigens super aus, das könnt ihr öfters machen.", meinte meine Mutter.
„Wenn ich wieder so früh aufstehen kann, dann schon.", sagte Didem. Zusammen lachten wir darüber. Didem und früh aufstehen - zwei Gegensätze...

unvergesslich - unutulmazWo Geschichten leben. Entdecke jetzt