K A P I T E L 89 - Verspätete Reue

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Ich war mitten auf einem Weg.
Dieser Weg schien kein Ende zu haben.
Ich lief und lief. Doch ich gelang nicht an das Ende.
Dieser Weg war einsam. Düster. Ziellos.
Alles schien dunkel zu sein. Bis Eylem in mein Leben kam. Wie ein Wunder. Plötzlich trat sie auf dem Weg auf.
Ihre Augen - voller Liebe und Hoffnung.
Voller Unschuld und Vertrauen.
Ihre Liebe zeigte mir wieder, dass die Welt Farben hatte. Ich erwachte aus dem Tiefschlaf. Ich sah erneut wie schön das Leben sein konnte. Die Lücken in mir, füllten sich mit Geborgenheit. Die düsteren Gassen verwandelten sich in Blumengärten...
Und jetzt, waren meine Augen wieder zugefallen.
Eylem war nicht da. Mein Leben war nicht da. Meine Hoffnung, meine Liebe. Nichts war mehr da. Nichts...

Ich fühlte mich so schwach. Ich war zu schwach um irgendeine Reaktion zeigen zu können. Tief im Inneren spürte ich den Schmerz und die Angst in mir. Ich könnte vor Wut alles zerreissen, dass mir vor die Augen kam. Aber ich fühlte mich einfach zu schwach um irgendwas zu machen.
In der eisernen Kälte saß ich auf einer Bank. Mit Ausblick auf den See. Auf dieser Bank hatten Eylem und ich zusammen gesessen!
Tränen waren bereit mein Gesicht runterzufließen. Ich fühlte mich so hilflos! Ich fühlte mich so, als ob meine halbe Seele mir entnommen wurde!
Mein Kopf fraß meine Seele auf. Ich konnte nicht mehr!
So viel Sehnsucht reichte!
Ich musste Eylem wieder finden!

„Okan.", ertönte plötzlich eine Stille hinter mir.
Erschrocken zuckte ich zusammen. Hatte ich mir die Stimme eingebildet? Das konnte doch nicht wahr sein! Als ich mich umdrehte, erblickte ich denjenigen, den ich erwartete.
„Was suchst du hier?", stieg mir die Wut hoch.
„Okan, ich-"
„Verpiss dich Emir! An so einem Tag will ich dich erst Recht nicht sehen!", unterbrach ich ihn.
Schmerzvoll blickte er mich an. Er sah immer noch schwach aus. Ich sah wohl gerade schwächer als er aus.
„Eylem ist verschwunden! Heute morgen sind die Polizisten in meine Wohnung gekommen und haben mich befragt.", teilte er mit.
„Weil ich deinen Namen der Polizei gegeben habe!", offenbarte ich.
„Ich weiß! Ich bin nicht gekommen, um deine Stimmung zu verderben. Ich will mit dir reden. Hör mir bitte zu!", erklärte er.
Was war plötzlich mit Emir passiert? Ich verstand nichts mehr. Und ich hatte keine Nerven dafür ihn auch verstehen zu wollen.
„Ich will nichts mehr von dir hören, du Verräter!", sicherte ich und drehte mich weg. Wo findet er das Recht mir noch ins Gesicht zu schauen?

„Özür dilerim Okan! (Es tut mir leid Okan!)", hörte ich im nächsten Moment und erstarrte. Abrupt drehte ich mich um.
„Her şey için özür dilerim! (Es tut mir für alles leid!)", folgte darauf.
„Ne diyorsun sen? Ne özürü! Her şey geçti bile! Neyin özürü bu? Benden çaldığın senelerin mi? Bana yaptığın haksızlıkların mı? Arkamdan kazdığın kuyunun mu? Neyin? Söylesene! (Wovon sprichst du? Welche Entschuldigung? Alles ist schon vorbei! Wovon ist das die Entschuldigung? Von den Jahren, die du von mir gestohlen hast? Von den Ungerechtigkeiten, die du mir angetan hast? Von der Grube, die du hinter meinem Rücken gegraben hast? Wovon? Sag doch!)", schrie ich ihn an und packte ihn an der Schulter.
Tränen liefen sein Gesicht runter.
Ich hatte kein bisschen Mittleid! Dieser Ehrloser hatte mein Leben versaut!
„Ne desen haklısın! Büyük halt yedim! (Alles, was du sagst stimmt! Ich habe große Dummheiten gemacht!)", kam Emir reuevoll zu Wort. Das fiel ihm aber früh ein.
Ich lachte fassungslos auf. Ich war eh am Ende mit den Nerven und jetzt kam er noch angekrochen! Ich kam auf 180!
„Defol git hayatımdan! Senin gibi bi manyağı düşmanıma bile istemem! (Verpiss dich aus meinem Leben! Einen Wahnsinnigen wie du würde ich nicht mal meinem Feind wünschen!)", sagte ich fassungslos und ließ ihn wieder los.

Tief schnappte ich nach Luft und lief unruhig auf und ab. Ich könnte ihn jetzt in Stücke zerreißen! So wütend war ich!
„Ihr habt Recht Okan! Ich bin psychisch krank! Ich habe Probleme! Und die Einsamkeit hat mich nur noch wahnsinniger gemacht... Du warst der einzig Wahre an meiner Seite! Ich habe nie vergessen, was wir zusammen alles erlebt haben! Meine schönste Zeit war mit dir! Wir waren wie Brüder! Ich vermisse diese Zeit! In den letzten Tagen habe ich nachgedacht und ich bin wieder zu mir gekommen. Ich weiß, diese Entschuldigung wird nichts bringen. Es ist für alles zu spät! Aber ich wollte mich bei dir entschuldigen, bevor ich eines Tages sterbe. Vielleicht wirst du mir nie verzeihen! Aber sei dir gewiss, dass ich nicht mehr dein Feind bin!"
Die Worte hatten mich beschlagen. Wie verwurzelt blieb ich auf der Stelle stehen.
Emir hatte wirklich seine Fehler eingesehen. Aber es war zu spät dafür. Jetzt war schon alles vorbei.
„Ich habe es vermisst, wie wir uns Bruder genannt hatten! Du warst mein wahrer Bruder und nicht Eray! Seit Tagen fühle ich mich schon so schlecht, wegen den Ungerechtigkeiten, die ich dir angetan habe!", fuhr er fort.
„Das hättest du dir überlegen müssen, bevor du mich beschuldigt hast Emir! Wie soll ich dich wieder Bruder nennen? Du hast mich durch die Hölle laufen lassen!", begann ich zu sprechen.
Er schwieg. Was sollte er auch sagen? Jedes Wort war nutzlos.

unvergesslich - unutulmazWo Geschichten leben. Entdecke jetzt