Ich saß in meinem Zimmer. Und dachte nach.
Tristan hatte ich nicht mehr gesehen, nachdem ich fertig geputzt hatte. Es war beinahe Zeit fürs Abendessen.
Aber Tristan hatte mich zum Nachdenken gebracht. Sehr. Nicht, dass er mich als Vorbild sah. Als Bruder.
Nein.
Dass er seine Eltern vermisste.
Das war nie Thema gewesen. Nie. Vielleicht hatte er mit Master Ramin darüber geredet. Aber das glaubte ich auch nicht.
Eltern waren kein Thema hier.
Aber plötzlich musste ich an meine Eltern denken. An meine Mutter. Sie war die beste Mutter der Welt gewesen. Und an meinen Vater, den kannte ich nicht. Aber das störte mich nicht.
Meine Mutter war immer liebevoll gewesen. Immer geduldig. Immer ...
Scheiße.
Ich wusste kaum noch wie sie aussah. Oder überhaupt aussah! Wie sie roch! Oder wie ihre Stimme klang!
Ich hatte so lange nicht mehr an sie gedacht gehabt. Zu lange!
Panisch begann ich mein Geheimversteck zu durchwühlen.
Aber nichts.
Dann noch panischer meinen Schrank.
Wieder nichts.
Und am Rande eines Zusammenbruchs meinen Nachtschrank.
Nichts.
Nichts. Nichts. Nichts.
Es war weg.
Es war nicht in dem kleinen Lederbeutel. Es war weg!
Jemand musste es genommen haben!
Ich biss mir auf die Lippe. Und fuhr mir durch die Haare.
Niemand wusste davon! Niemand! Aber irgendjemand hatte es gestohlen!
Die Uhr schlug zur vollen Stunde.
Abendessen.
Scheiße!
Ich rannte nach unten. Gerade noch rechtzeitig erreichte ich mit Master Ramin die Tür zum Esszimmer.
"Stop." Er hielt mich am Arm fest. Ein scharfer Schmerz durchzuckte mich. Master Ramin sah mich an. Sein Blick durchbohrte meinen.
Schnell senkte ich den Blick. "Ja, Master?"
"Warum bist du denn wieder beinahe zu spät? Und so außer Atem?"
Ich zog langsam meinen Arm zurück. "Ich ... Ich habe ein Nickerchen gemacht und fast verschlafen.", log ich schließlich. Und ich wusste ich log schlecht. Normalerweise konnte ich es besser. Aber ich war zu aufgewühlt und übermüdet.
Ich hätte besser wirklich ein Nickerchen machen sollen.
"Aha." Master Ramin ließ von mir ab und setzte sich.
Alle waren da.
Alle.
Außer Tristan.

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Master Ramin
JugendliteraturMaster Ramin lebt mit seinen vier Jungs in Unsterblichkeit. Seit Jahrhunderten wohnen sie nun schon im Schloss in den Bergen. Bis eines Tages ein vierjähriger Junge vor der Tür sitzt. Einsam und verlassen. Sie nehmen ihn auf. Er wird größer und ä...