LOVING YOU - 27

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Ich war ein bisschen nervös, als wir in Matt's Wagen die Einfahrt zum St. Joseph's Hospital für psychische Erkrankungen einbogen. Gleich würde ich seinen Bruder Jessie kennenlernen, der fünf Jahre älter war als er. Von der Beifahrerseite aus betrachtete ich Matt, der den Wagen gerade auf einen der Parkplätze vor dem Gebäude abstellte. Wir waren beide sehr müde, denn wir hatten die ganze Nacht hindurch geredet. Ich war immer noch schockiert über seine Schilderungen. Das Schicksal seiner Familie machte mich nachdenklich. Mir war noch nie zuvor so sehr bewusst geworden, wie gut ich es eigentlich hatte. Meine Eltern hatten nie Geldsorgen. Ich war in einer behüteten Umgebung aufgewachsen, ohne auch nur eine Ahnung davon gehabt zu haben, wie es den Menschen ging, die nicht so wohlhabend waren wie wir. Ich schämte mich fast schon ein bisschen dafür, weil Matt so viel erleiden musste und ich mir noch niemals in meinem Leben solche Sorgen hatte machen müssen. Daher brachte ich es nicht übers Herz, mein Geheimnis zu lüften. Ich wusste genau wie Matt reagieren würde, wenn er erfuhr, welches reiche, verwöhnte Mädchen ich in Wirklichkeit war. Wahrscheinlich würde er mich ablehnen. Er würde mich bestimmt dafür hassen, dass ich zu den Snobs gehörte, die er so sehr verachtete. Ich lächelte, als ich sein Gesicht von der Seite bewunderte. Er hatte diese wahnsinnig langen Wimpern, die seine dunklen Augen umrahmten. Doch leider waren diese Augen heute morgen rot unterlaufen. Es hatte mir das Herz gebrochen, ihn letzte Nacht weinen zu sehen. Als er mir alle seine Sorgen erzählt hatte, war er vollkommen erschöpft in meinen Armen eingeschlafen. Ich hatte ihn die ganze Nacht hindurch festgehalten.

„Da sind wir! Bist Du bereit?", Matt blickte mich mit fragenden Augen an. Ich nickte und stieg aus dem Wagen.

In der großen Einganghalle der Klinik war ziemlich viel los. Matt hielt Ausschau nach seinem Bruder.

„Ich weiß nicht ob er sich heute hier aufhalten darf, nachdem er sich gestern mal wieder selbständig gemacht hat oder ob sie ihn in seinem Zimmer eingeschlossen haben. Aber ich hoffe, dass er...ah, da ist er ja!", er steuerte auf einen Sessel in der hintersten Ecke des Eingangsbereiches zu. Jessie war gerade in ein Buch vertieft. Er hatte dieselben dunklen Haare wie Matt, nur dass er sie sehr kurz trug. Als er unsere Schritte hörte, schaute er auf. Seine Augen waren noch ein bisschen dunkler als Matt's. Als mich sein Blick traf, bildete sich plötzlich Gänsehaut an meinem gesamten Körper. Diese Augen durchbohrten mich so durchdringend, als könnten sie sehen was ich gerade dachte. Instinktiv zögerte ich einen kurzen Augenblick. Matt blickte mich überrascht an, als ich unvermittelt stehen blieb.

„Kat? Alles in Ordnung?"

„Aa...alles in Ordnung.", stammelte ich und konnte dabei meinen Blick nicht von Jessie's Augen abwenden, die mich immer noch fixierten. Ich konnte es mir nicht erklären, aber irgendeine seltsame Energie schien von ihm auszugehen. Ich spürte, wie meine Beine plötzlich zitterten.

„Was willst Du denn schon wieder hier?", Jessie klappte das Buch zu und legte es auf den Tisch neben dem Sessel, „Keine Angst, ich werde nicht wieder abhauen, ich verspreche es.", ich beobachtete, wie er seine Finger nervös knetete und Matt misstrauisch dabei ansah.

„Ich wollte Dir meine Freundin vorstellen. Jessie, das ist Kat, Kat das ist mein Bruder Jessie."

Jessie lächelte mich an, erhob sich aus dem Sessel und streckte mir eine Hand entgegen:

„Ich wusste gar nicht, dass mein kleiner Bruder eine Freundin hat und dann auch noch so eine hübsche. Es freut mich, Dich kennenzulernen.", dann schüttelte er überschwänglich meine Hand.

Ich konnte seinem Blick nicht länger standhalten, denn seine Augen wirkten aus der Nähe noch viel intensiver.

„Vielen Dank!", antwortete ich verunsichert, „Ich freue mich auch, Dich kennenzulernen."

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