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Dass Cole mit unserer Zeugenaussage so zeitnahe beginnen wollte, war mir vor einer halben Stunde nicht klar gewesen.

Zuerst hatte ich angenommen, dass sein Auftauchen das Ende meiner heutigen Arbeit darstellen und ich mich somit aus meinem Dienst entlassen würde, um wenigstens die verbleibende Zeit meines freien Tages so zu nutzen, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte: nämlich noch ein wenig entspannen, bevor Lia heute zu mir kommen würde.

Jedoch machte mir mein Teampartner in dieser Hinsicht einen Strich durch die Rechnung, indem er mich in sein Auto verfrachtet und einmal durch ganz Los Angeles gefahren hatte. Meine lautstarken Proteste hatte er dabei gekonnt ignoriert und lediglich das Radio lauter gestellt, um mich nicht mehr zu hören.

Eingeschnappt hatte ich daraufhin die Arme vor der Brust verschränkt und stur aus dem Fenster gesehen, bis wir vor einem Gebäude zum Stehen gekommen waren, was diesen Titel vermutlich nicht einmal mehr verdient hatte; Ruine oder baufälliges Gemäuer traf es wohl eher.

»Wo sind wir?«, wollte ich wissen und sah kurz zu Cole, der soeben seinen Sicherheitsgurt löste.

»An unserem Ziel«, war seine nichtssagende Antwort, bevor er aus dem Wagen stieg und ich mich beeilte, es ihm gleichzutun.

»Und du bist dir ganz sicher, dass wir hier richtig sind?«, fragte ich und sah mich äußerst skeptisch um. Cole lief um sein Auto herum, trat neben mir auf den Bürgersteig und fuhr sich mit einer Hand durch die chaotischen Haare.

»Natürlich. David ist einer meiner besten Freunde, wieso sollte ich nicht wissen, wo er wohnt?«

»Nun ja, weil seine eigentliche Adresse nicht weit von meiner entfernt ist«, bemerkte ich und holte mein Handy aus meiner Hosentasche. Um acht war ich mit Lia verabredet, um uns einen entspannten Mädelsabend zusammen mit Eiscreme und überzogenen Actionfilmen zu machen.

Seit dem Vorfall mit Katherine Roberts hatten wir nur einmal telefoniert und da meine beste Freundin über das Wochenende nach Hause fuhr, würde sie einfach eine Nacht bei mir verbringen.

»Noch was vor heute?«, erkundigte sich Cole und sah neugierig auf mein Handydisplay. Auch wenn ich keine neuen Nachrichten hatte, ließ ich den Bildschirm schnell wieder schwarz werden und ließ mein Handy zurück in meine Jackentasche gleiten.

»Durchaus«, antwortete ich und musterte das Gebäude vor mir. Also normalerweise würde es mich nicht interessieren, wo ein Mensch lebte und wie sein Haus von außen aussah, aber diese Bruchbude erhielt von mir den Status ›Betreten verboten. Lebensgefahr!‹.

Das Haus hatte eine ziemliche Schräglage – schlimmer als der Schiefe Turm von Pisa – und mich überkam die Angst, dass das Dach bei dem starken kalifornischen Wind, der recht oft wehte, einfach abgerissen werden würde.

Die Fensterläden hingen nur noch halb in ihren Angeln und ich wollte gar nicht wissen, ob ich beim Öffnen der Haustür nicht gleich die ganze Tür mitsamt Türklinke in der Hand halten würde.

»Bist du sicher, dass das da nicht gleich einstürzt?«, äußerte ich meine Bedenken und zeigte auf das Gebäude vor mir.

Ein Windstoß ließ meine Haare in der Luft tanzen und ich hielt den Atem an, fest davon überzeugt, dass das Haus vor mir sogleich einstürzten oder davongetragen werde würde. Entgegen meiner Vermutung trat keiner der beiden Szenarien ein; es fiel nicht einmal ein Fensterladen ab.

»Ja, schließlich haben wir dort drin schon die ein oder andere Fete veranstaltet«, tat Cole meine Bedenken schulterzuckend ab. »Und jetzt hab dich nicht so. Bist du einmal drinnen, ist es gar nicht mehr so schlimm.« Damit packte er meinen linken Arm und zog mich hinter sich her zur Tür.

Kasey McMillenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt