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»American Airways«, schrie die Fahrerin des Shuttles so laut, dass es bis auf den hintersten Sitz zu hören war. Mein Kopf fuhr ruckartig nach oben und ich blinzelte verwirrt und müde, bis ich realisierte, wo genau ich mich im Moment befand.

Daraufhin verschwand meine Verwirrung und machte Platz für meinen Unmut und meine schlechte Laune, die ich über mein kurzes Schläfchen beinahe vergessen hatte.

»Wer war nochmal auf die Idee gekommen, vier Uhr morgens wäre eine gute Zeit, um zum Flughafen zu fahren?«, murrte ich und zog mir die Kapuze meines Hoodies über den Kopf.

Selbst meine Mum, die normalerweise vor Energie und guter Laune nur so strotzte, hatte einen derart schläfrigen Ausdruck in ihrem Gesicht, dass man meinen könnte, man hätte sie ohne Vorwarnung und mit nur zwei Stunden Schlaf aus dem Bett geworfen.

Mein Dad hingegen schien bereits kurz vor fünf Uhr morgens in Höchstform zu sein. »Ja«, rief er, hob die Hand und stand plötzlich auf, sodass Noahs Kopf, der zuvor auf seiner Schulter gelegen hatte, nach rechts schwang und mit einem Klonk das Plexiglasfenster des Shuttles traf.

Während der Großteil meiner Familie erst einmal die Energie aufbringen musste, sich aufzuraffen und nicht vor Müdigkeit umzufallen, räumten mein Dad und die etwas kräftigere Fahrerin zusammen die Koffer aus dem Fahrzeug.

»Los, raus mit euch«, scheuchte er uns nach draußen, bevor sich die Türen des Busses mit einem Zischen schlossen und er an uns vorbeifuhr. Ich sah kurz nach links und rechts. Lias Kopf hing zur Hälfte auf ihrem Nackenkissen, ihre Augen waren geschlossen und ihr Mund stand leicht offen. Ich würde ihr zutrauen, im Stehen einzuschlafen; wenn Lia eine Sache konnte, dann überall in jeder Position zu schlafen.

Rechts von mir stand mein Bruder, der wie ich die Kapuze über den Kopf gezogen hatte und dessen Augenringe so schwarz wie der Himmel über uns waren.

An der Seite meines Bruders befand sich meine Mum, deren Blick eine Mixtur aus Müdigkeit und unterdrückter Wut widerspiegelte und die vermutlich genauso viel Hass für ihren Ehemann empfand, wie der Rest der Familie es tat.

»Sind wir so weit? Dann los«, gab Dad das Kommando zum Aufbruch und zog zwei der schweren Koffer hinter sich her. Ich stupste Lia leicht an, die ein Grummeln von sich gab, jedoch den Griff ihres Koffers in die Hand nahm und wie die anderen Mitglieder dieser Reisegruppe meinem Dad folgte, dessen unergründliche – und unverständliche - Energie mir bereits seit Stunden auf die Nerven ging.

Wirklich, unser frühes Erscheinen am LAX wäre nicht schlimm gewesen, wenn unser Flieger tatsächlich um sieben oder acht Uhr gegangen wäre, jedoch flogen wir erst um zehn Uhr nach Mississippi – also in knappen fünf Stunden.

»Kasey«, begann Lia und rieb sich die Augen. »Hättest du mir vorher erzählt, dass wir so früh hierherfahren würden, dann hätte ich mir das Ganze zweimal überlegt«, gab sie monoton von sich.

»Wer hätte denn ahnen können, dass Dad dieses Mal den Vogel abschießt und um diese Uhrzeit hier anrückt?«, verteidigte ich mich. Tatsächlich war Dad jemand, bei dem Flugreisen ein ungeahntes Maß an Stress freisetzte. Wenn wir nicht exakt einen halben Tag vor Abflug vor unserem Gate saßen, bekam er Panik und verfiel in eine Hektik, die ihn bei allen Familienmitgliedern unbeliebt machte.

»Sei froh: Meine Mum hatte Angst, dass wir schon vorgestern hier ankommen würden und dann ein Zelt im Flughafen aufschlagen«, hing ich an, woraufhin meine beste Freundin langsam mit dem Kopf nickte und sich sogleich auf einen der unbequemen Metallstühle fallen ließ, die zum Warten gedacht waren.

Ohne es bemerkt zu haben, hatte Dad uns durch den Flughafen geführt – und das in einer atemberaubenden Geschwindigkeit -, sodass wir nun vorm Check-In saßen und absolut nichts zu tun hatten. Und welch Wunder, unser Flug war noch nicht einmal aufgelistet.

Kasey McMillenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt