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Der Taxifahrer hielt Wort und fuhr mit einer Geschwindigkeit durch die Straßen der Stadt, dass ich ihn als Polizistin vermutlich angehalten und ihm den Führerschein entzogen hätte. Doch im Moment war ich ihm äußerst dankbar für seine schnelle Fahrweise und würde Gnade walten lassen. Auf dem zersplitterten Bildschirm meines Handys konnte ich Coles Namen lesen, der mich mittlerweile zum dritten Mal anrief, um vermutlich den Grund meines plötzlichen Aufbruchs zu erfahren.

Ich fuhr mir mit einer Hand durch die Haare, wobei sich meine Finger in den Strähnen verhedderten, die ich zurückgesteckt hatte. Genervt zog ich mir die einzelnen Haarspangen, die die gesamte Konstruktion zusammenhielten, heraus und ließ mir die Locken ins Gesicht fallen. Die Gala war für mich sowieso zu Ende und die Wahrscheinlichkeit, dass ich heute ein weiteres Event dieser Größe besuchen würde, stand gegen null. Einen Moment lang starrte ich mein kaputtes Handy an, unschlüssig, was ich tun sollte, bevor ich einmal tief durchatmete und seinen vierten Anruf entgegennahm.

»Hallo?«

»Oh mein Gott, Kasey. Ich habe schon dreimal versucht, dich anzurufen. Was ist los? Warum bist du abgehauen? Hat es was mit mir und Loreen zu tun? Ich schwöre dir, da-«

»Cole«, unterbrach ich ihn sanfter als ich mir im Anbetracht der Situation zugetraut hätte. »Es hat rein gar nichts mit dir und Loreen zu tun.« Ich zögerte einen Augenblick lang und schluckte den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, herunter. »Kun ist im Krankenhaus.« Auch Cole schien einen Augenblick zu brauchen, um zu realisieren, was ich ihm da gerade mitgeteilt hatte.

»Was ist passiert? Geht es ihm gut?«, fragte er, wobei er gefasster klang als noch zu Beginn seines Anrufs.

»Ich weiß es nicht«, antwortete ich ehrlich. »Ich bin gerade auf dem Weg ins Krankenhaus. Es gab eine Schießerei und anscheinend ist Kun dabei verletzt worden. Mehr kann ich dir auch nicht sagen.« Dass der potenzielle Mörder von Katherine Roberts und Lydia Harrison gerade von der Polizei verfolgt wurde, behielt ich für mich. Kun hatte im Moment oberste Priorität und bei den wenigen Informationen, die mir Steff übermittelt hatte, wusste ich sowieso nicht, wie die Lage gerade war.

»Ich komme zu dir. Sag mir den Namen des Krankenhauses und ich bin so schnell da wie ich kann«, sagte er und ich konnte mir vorstellen, wie er sich gestresst durch die Haare fuhr und ihm dadurch einige Strähnen unordentlich ins Gesicht fielen. Da ich keine Hintergrundgeräusche wahrnehmen konnte, vermutete ich, dass er noch immer vor dem Hotel stand, mit offenem Jackett und aufkeimendem Verständnis dafür, warum ihn seine Begleitung so plötzlich verlassen hatte.

»Nein«, gab ich eventuell eine Spur zu harsch zurück, weshalb ich mich räusperte und versuchte, mich ein wenig zu entspannen. »Du musst nicht zu mir kommen. Du bist immer noch auf diese Gala eingeladen worden und es wäre unhöflich, sie so früh zu verlassen«, gelang es mir tatsächlich, beherrschter zu klingen.

»Vergiss diese dumme Gala. Niemanden interessiert diese dämliche Gala«, hob sich seine Stimme und sah vor meinem inneren Auge, wie sich seine Stirn in Falten legte und er sich alle fünf Sekunden durch die Haare fuhr.

»Diese Gala ist Mr. und Mrs. Edison sehr wichtig. Bleib da und erzähle ihnen, dass ich aufgrund eines Notfalls wegmusste und mich daher nicht mehr von ihnen verabschieden und für diesen wunderschönen Abend bedanken konnte. Es tut mir-«

»Wie kann ich zwischen einem Haufen Geldsäcken in schicken Anzügen stehen und mich mit denen über Schwankungen in der Wirtschaft unterhalten, von denen ich sowieso keine Ahnung habe, während du in einem Krankenhaus sitzt und vielleicht mit der Angst leben musst, dass dein bester Freund die Nacht nicht überlebt«, schrie er beinahe und war sichtlich außer sich.

Kasey McMillenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt