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Schlussendlich kam ich trotz Coles übereifrigen Plänen rechtzeitig zuhause an. Es war zwar knapp, da ich erst fünf Minuten vor acht Uhr durch meine Wohnungstür stürzte und mir dadurch lediglich dreihundert Sekunden blieben, um die Einkäufe zu verstauen und die dreckigen Klamotten in den Kleiderschrank zu werfen, bis es an der Tür klingelte.

Lia konnte man durchaus als die Pünktlichkeit in Person bezeichnen und sorgte somit des Öfteren dafür, dass wir beide nicht zu irgendwelchen Verabredungen oder Events zu spät kamen. Außerdem konnte ich immer darauf zählen, dass sie zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort auftauchte und war dadurch das komplette Gegenteil meiner Familie, in der ausnahmslos jeder – mich eingeschlossen – die Angewohnheit hatten, sich nicht sonderlich an ausgemachte Zeiten zu halten und dann aufzuschlagen, wenn es ihnen passte.

Nach Lias Erscheinen bestellten wir uns jeder eine Pizza und setzten uns auf mein Bett gegenüber des Fernsehers, um unseren Filmmarathon zu beginnen. In diesem Zuge erzählte ich meiner besten Freundin vom Fortschritt unserer Ermittlungen und meiner morgigen Verabredung mit David Johnson, die sie mit einem Lachen kommentierte.

Ursprünglich wollte ich das, was Cole vor meinem Verschwinden zu mir gesagt hatte, für mich behalten, jedoch schaffte ich es nicht, dieses kleine Detail für mich zu behalten und wiederholte Coles Worte haargenau so wie er sie von sich gegeben hatte und sah Lia erwartungsvoll an. 

»Das hat er echt gemacht? Männer sind so verwirrend«, sagte Lia mit einem Löffel Eiscreme im Mund.

»Was du nicht sagst«, lachte ich ein wenig frustriert und schob mir auch eine Portion Eis in den Mund. »Du hättest seinen Blick dazu sehen müssen. So undurchdringlich wie eine Betonmauer.« Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich an seine blauen Augen dachte, bei denen ich regelmäßig das Gefühl hatte, dass meine Seele einmal geröntgt und intensiv analysiert wurde.

»Vielleicht hat er sich ja Hoffnungen gemacht, mit dir zusammenzukommen. Jetzt, wo ihr so viel miteinander zu tun habt«, warf Lia eine wage Vermutung in den Raum, die mir ein herzliches Lachen entlockte.

»Denke ich nicht. Cole ist ein SinglePlayer, genau wie ich. Außerdem gibt er überhaupt keine Anzeichen dafür, dass er mich auf diese Art mag. Ich weiß nicht mal, ob er mich überhaupt leiden kann«, tat ich ihre mögliche Erklärung ab und schüttelte energisch mit dem Kopf.

»Wenn er dich nicht mögen würde, dann würde er dir nicht bei diesem Fall helfen, basta. In dieser Hinsicht sind Männer weitaus unkomplizierter als wir Frauen«, erwiderte Lia und sah dabei weiterhin auf den Fernsehbildschirm.

»Und was ist bei dir und Samuel? Willst du mir jetzt endlich gestehen, dass ihr beide zusammen seid oder nicht?«, lenkte ich das Thema geschickt ab und bemerkte, wie eine verräterische Röte auf Lias Wangen erschien.

»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, gab sie von sich und stopfte sich schnell einen weiteren Löffel Eis in den Mund, um so um eine konkretere Antwort herumzukommen.

»Sicher weißt du das nicht«, lachte ich. »Ich weiß es so oder so, egal ob du es mir sagst oder nicht.« Lia grummelte einige unverständliche Worte vor, bevor ich die Frage um ihren Beziehungsstatus gut sein ließ. Wenn sie mir nichts sagen wollte, dann konnte meine beste Freundin schweigen wie ein Grab.

»Und du triffst dich morgen mit Johnson? Den hab ich auch ewig nicht mehrgesehen«, sagte sie und wandte – nun da die Gefahr meiner neugierigen Fragen vorüberwar – ihr Gesicht wieder mir zu.

»Bis vor wenigen Stunden hatte ich ihn auch seit unserem Abschluss nicht mehrgesehen. Er hat sich kaum verändert, außer dass seine Haare nicht mehr so strohblond sind wie letztes Jahr«, erwiderte ich und sah enttäuscht in meinen leeren Eisbecher. Es gab nichts Besseres als Vanilleeis mit Schokosoße und leider fehlte mir jegliche Selbstbeherrschung, nicht über den Becher herzufallen wie ein ausgehungertes Raubtier über seine Beute.

Kasey McMillenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt