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Es herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns. Mit Coles Ankunft war das Gefühl von Lias Nähe verschwunden und ich fühlte mich trotz seiner Anwesenheit so allein wie seit langem nicht mehr.

Er war einfach nicht Lia und er würde sie auch niemals ersetzen können, selbst wenn sie ihn als ihren Stellvertreter auserkoren hatte, der sich in ihrer Abwesenheit um mein Seelenheil kümmern sollte.

Nach minutenlangem Schweigen hielt ich die Spannung zwischen uns und die Blicke in meinem Nacken nicht mehr aus und räusperte mich. Meine Stimme klang heiser und meine Kehle fühlte sich staubtrocken an.

»Wo ist Johnson?«, brachte ich hervor und räusperte mich ein weiteres Mal, um die Rauheit aus meiner Stimme vollständig zu entfernen.

Dabei sah ich nicht zu ihm, sondern starrte nach vorn auf die Kulisse der Großstadt zu meinen Füßen, da ich mich nicht in der Lage dazu fühlte, ihm ins Gesicht sehen zu können. Nicht nach der Szene zwischen Kun und mir.

»Der ist abgehauen. Du hast ihm ziemlich viel Angst eingejagt«, antwortete Cole. Ein leichtes Grinsen stahl sich auf meine Lippen, auch wenn mir im Moment nicht nach Lächeln zumute war. Insgeheim verwandelte ich mich vielleicht wirklich in einen Psychopathen und wollte es mir nur nicht eingestehen.

»Hab ich dir auch Angst gemacht?«, fragte ich und das Grinsen verschwand genauso schnell wieder von meinem Gesicht, wie es gekommen war.

»Nein. Ich kenne dich und weiß mittlerweile, wie du tickst«, sagte er nüchtern.

»Und? Wie ticke ich?« Cole schwieg einen Moment, bevor er mir eine Antwort gab.

»Du steckst voller Leidenschaft und Ausdauer, wofür ich dich manchmal wirklich beneide. Du bliebst an einer Sache dran, egal ob dir alle anderen sagen, dass du aufgeben solltest.

Leider nehmen dir diese beiden Eigenschaften aber auch die Möglichkeit, Dinge rational und logisch zu betrachten«, begann er, meinen Charakter auseinanderzunehmen.

»Du bist auch ein sehr stolzer und emotionaler Mensch, der nicht gern zugibt, dass er Hilfe bracht und wie alle anderen Fehler macht. Ich schätze, hätte dir irgendjemand auf der Straße diese Dinge an den Kopf geworfen,  dann hätte es dich nicht einmal im Entferntesten interessiert.

Aber dadurch, dass du mit Kun den Großteil deines Lebens verbracht hast, haben dich seine Worte so verletzt, dass du dich hintergangen und vorgeführt gefühlt hast«, fuhr er fort und mir stiegen erneut Tränen auf als ich daran dachte, wie mir Kun vor den Augen aller meiner Kollegen einen Egotrip unterstellt und mich indirekt als inkompetent hingestellt hatte.

»Ein anderer Grund für deine intensive Reaktion könnte aber auch sein, dass er einfach das angesprochen hat, was du ebenfalls denkst und dir nur zu stolz bist, einzugestehen.«

Er hatte recht. Ich wusste nicht, on ich diesem Fall und den Ermittlungen, die mit ihm in Verbindung standen, gewachsen war. Ich konnte nicht sagen, ob meine mentale Verbindung zu den beiden Frauen unserem Weiterkommen im Weg stand.

Dennoch würde ich diese Gedanken nie laut aussprechen, da sich mein Stolz, wie Cole bereits festgestellt hatte, diese Schwäche niemals zeigen würde.

»Und warum genau hast du nicht Psychologie studiert?«, fragte ich monoton.

»Ganz einfach: mich mit Menschen auseinanderzusetzen, die ich interessant finde, ist mein Hobby, aber Schreiben ist meine Leidenschaft und das, was ich bis zum Ende meines Lebens machen möchte«, erklärte er und brachte mich zum ersten Mal, seitdem ich hier oben saß, dazu, meinen Blick von der Skyline abzuwenden.

»Das hier hast du übrigens vergessen«, hing er an und warf etwas Kleines in meine Richtung, was sich im Nachhinein als mein Notizblock entpuppte.

Kasey McMillenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt