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»Ich fahre«, verkündete ich, schnappte mir die Autoschlüssel aus Kuns Hand und lief auf einen der Polizeiwagen zu, die hinter dem Revier geparkt standen.

Kun überließ mir den Schlüssel wortlos, wobei ich im Vorbeigehen seine ausdruckslose Miene wahrnahm, die in der Vergangenheit noch nie Gutes bedeutet hatte. Gemeinsam mit Colden und Steff folgte er mir und ließ sich neben mir auf dem Beifahrersitz nieder, während die anderen beiden jeweils auf der Rückbank Platz nahmen.

Als ich den Rückspiegel einstellte, fing ich die Blicke meiner beiden Kollegen auf, die nicht hätten unterschiedlicher sein können: Während Steff - genau wie Kun - einen undurchdringlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, starrte mich Colden durch den Rückspiegel sichtlich aufgewühlt an.

»Spuck es schon aus«, sagte ich nach einiger Zeit und legte den Sicherheitsgurt an.

»Was war das gerade für eine Aktion mit dem Chef?«, sprudelte es nur so aus Colden heraus; als hätte er genau auf diesen Moment gewartet, um seiner Ahnungslosigkeit Luft zu machen.

»Ich würde es ein gepflegtes Machtspielchen nennen«, erwiderte ich und beobachtete meinen Chef dabei, wie er mit einigen unserer Kollegen über den Parkplatz zu einem anderen Fahrzeug lief.

Dabei gestikulierte er wild und warf die Hände in die Höhe, während er einen meiner Kollegen anschrie und eine Ader an seiner Stirn pulsierte als würde sie gleich platzen.

»Ein gepflegtes Machtspielchen?« Colden sah mich von hinten an, als hätte ich gerade offenbart, insgeheim Donald Trumps Nichte zu sein. »Ich habe den Chef noch nie so aus der Bahn geworfen gesehen.« Ich zuckte vorerst nur mit den Schultern, konnte Coldens brennenden Blick aber nicht auf Dauer ignorieren.

»Wissen ist Macht. Es gibt keinen besseren Beweis dafür als die Situation zwischen dem Chef und mir«, entgegnete ich und startete den Motor, da zwei Wagen bereits auf die Ausfahrt des Parkplatzes zusteuerten und ich ihnen folgen musste, da ich nicht den blassesten Schimmer hatte, was unser Ziel war.

»Ich verstehe immer noch kein Wort von dem, was du sagst«, sagte Colden sichtlich verzweifelt, während ich seelenruhig das Auto vom Polizeigelände fuhr. Nur schwer konnte ich mir ein Seufzen verkneifen; wäre ich in seiner Lage gewesen, hätten mich meine nichtssagenden Antworten ebenfalls frustriert.

»Hör zu: Ich gebe euch allen eine kurze Erklärung, warum ich mich gerade mit unserem Chef angelegt habe«, begann ich und sah kurz in die Gesichter meiner Kollegen, die nun alle auf mich gerichtet waren, wobei ich mich auf die Straße konzentrieren musste und ihre Blicke daher nicht erwidern konnte.

»Hier ist irgendetwas im Busch. Und damit meine ich keine kleine Sache, sondern etwas Großes. Der Tod meines Onkels war damals kein Zufall gewesen, genauso wenig die Tatsache, dass unser Chef nur wenige Wochen nach dieser Schießerei gekündigt hat. Keiner von euch steckt tief genug in der Materie drinnen, um jetzt haargenau zu verstehen, wovon ich spreche.«

Mein Ausdruck war ernst und auch wenn ich nur einen kurzen Seitenblick auf Kun warf, konnte ich ihm ansehen, dass er – sowie die anderen auch – nun endgültig verstanden hatte, dass mein Streit mit dem Chef nicht nur belangloses Geplänkel gewesen war, das ihn dafür bestrafen sollte, dass er uns so früh hatte antanzen lassen.

»Du meinst, es könnte sich um eine Verschwörung handeln?«, schlussfolgerte Colden, während die anderen beiden stumm aus dem Fenster sahen und sich ihre eigenen Gedanken über meine Worte machten.

»Ich weiß es nicht. Das einzige, was ich zu einhundert Prozent weiß, ist, dass ich mir hier nichts einfach nur zusammenreime, weil ich jemanden suche, auf den ich die Schuld für den Tod meines Onkels schieben kann«, erwiderte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen.

Kasey McMillenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt