Kapitel 12

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Ich konnte den Brief irgendwie nicht weiter schreiben. Also legte ich alles wieder zurück in den Karton und ließ mich langsam nach hinten in den Stuhl fallen. Unter meiner Decke war es schön kuschelig und sowieso genoss ich das Ambiente hier draußen. Ein paar vereinzelte Lichtquellen, der Mond und die Sterne die zu sehen waren, bildeten einen schönen Kontrast zu dem dunklen, fast schwarzen Himmel. So ähnlich kontrastreich sah es auch in mir drin aus. Kurz schloss ich meine Augen und atmete die angenehm warme Sommerluft ein.

Dieser Moment erinnerte mich daran, wie ich erst vor kurzem mitten in der Nacht auf einem Parkplatz stand und mein altes Leben auf den Müll geworfen hatte. Bevor ich mich weiter in meine Gedanken vertiefen konnte, hörte ich das Geräusch meiner quietschenden Balkontür.

"Hey, warum bist du wach?", fragte ich Lila leise. "Alex. Sie schnarcht. Bist du auch vor ihr geflüchtet?", fragte sie und deutete auf meine Decke. "Ne, ich konnte einfach nicht schlafen und hab versucht ein wenig meine Gedanken zu sortieren", antwortete ich recht ehrlich. Ich war ein wenig überrascht von mir. "Achso. Geht es immer noch um die Sache mit dem Geheimnis?", fragte Lila sehr vorsichtig nach. "Ach ich weiß nicht. Ich versuche halt grade mit allem aus meiner Vergangenheit abzuschießen. Es ist ziemlich viel passiert und alles recht kompliziert", versuchte ich ein wenig zu erklären, ohne zu viel zu sagen.

"Weißt du, mich interessiert nicht welcher Mensch du mal warst, oder was du gemacht hast. Für mich ist wichtiger zu wissen wer du jetzt bist, mit wem ich es jetzt zu tun habe. Ich kann mir vorstellen wir schwer es sein muss alles hinter sich zu lassen, aber manchmal muss man seinen Hintern eben in die Vergangenheit bringen", grinste sie mich an. "Du hast grade nicht ernsthaft Timon und Pumba zitiert?", lachte ich. "Doch hab ich", antwortete sie kurz und knapp.

"Jeder hat doch so seine Geheimnisse, ich auch", fuhr sie schließlich fort. "Ja das stimmt. Ich weiß momentan halt einfach nicht wer ich bin oder besser gesagt wer ich gerne sein würde. Mit dem Neuanfang hier in Berlin liegt ein unbeschriebenes, weißes Blatt vor mir und ich weiß einfach nicht, was ich darauf schreiben soll." "Meine Oma sagt immer, kommt Zeit kommt Rat. Vielleicht musst du dich noch ein wenig gedulden. Aber ich versteh was du meinst, ich weiß momentan auch nicht so richtig wer ich bin. Also eigentlich weiß ich das schon, aber ich wäre gern anders", umso länger Lila erzählte, desto trauriger klang ihre Stimme. So nachdenklich hatte ich sie noch nicht erlebt. Ich kannte nur das fröhliche, lachende Mädchen. Aber ich fand es schön, dass sie mir sich anvertraute.

"Wie wärst du denn gerne?", fragte ich vorsichtig nach. "Du musst mir auch nicht antworten, wenn du nicht willst", fügte ich noch schnell hinzu, ich wollte sie nicht zu irgendetwas drängen, wie Alex vorhin. "Ich hab das Gefühl ich kann bei dir ehrlich sein, also bin ich es aus." Sie zuckte kurz mit ihren Schultern und sprach dann in einem ruhigen Ton weiter. "Eigentlich will ich kein Medizin studieren und das mit Leo und mir fühlt sich auch nicht richtig an. Ich glaube er liebt mich nicht und ich ihn auch nicht. Zumindest ist es nicht so, wie Alex das mit ihr und Sarah beschrieben hat. Ich weiß auch gar nicht warum ich mich auf die Beziehung eingelassen habe. Glücklich macht sie mich jedenfalls nicht." In Lilas Augen lag jetzt nur noch Traurigkeit und ich wollte ihr diese Traurigkeit wieder abnehmen, so wie wie es eben bei mir gemacht hatte.

Deswegen stand ich auf und hüllte Lila durch eine Umarmung in meine Decke ein. Ich spürte ihre kalte Haut an meiner und auch ihr leichtes Zittern bemerkte ich. Eine Zeit lang standen wir einfach so da und waren dankbar dafür, dass der andere keinen blöden Fragen stellte. Die Stille zwischen uns war keine unangenehm drückende, sondern eher eine, in der man keine Worte brauchte um sich zu verstehen. Ich merkte wie Lila irgendwann ihren Kopf von meiner Schulter nahm und nach oben zum Himmel schaute.

"Kennst du noch Laura Stern?", fragte Lila in die Stille hinein. "Ähm ja", antwortete ich verwirrt, wobei sich meine Stirn skeptisch in Falten legte. "Ich habs geliebt früher. Ich wollte auch immer einen eigenen Stern haben. Das wäre echt cool gewesen." Langsam löste sich Lila von mir und schaute mir in die Augen. Die Traurigkeit war tatsächlich verschwunden. "Danke", sagte sie und formte ihren Mund zu einem leichten Lächeln. Ich wollte eigentlich was erwidern, aber mir fehlten grade die Worte, weswegen ich auch nur lächelte.

Eine kurze Zeit blieben wir noch draußen und schauten uns die Sterne an. Lila erzählte mir noch warum sie Laura Stern so geliebt hat und wie fasziniert sie ab der ersten Folge von Sternen war. Als wir dann irgendwann schlafen gingen, war ich erstaunt, dass ich auch tatsächlich gut schlafen konnte. Ich weiß nicht ob es am Brief oder an Lila gelegen hatte, aber ich fühlte mich ein wenig befreiter von meinen Sorgen und Gedanken.

~~

Am nächsten Morgen hatten wir alle noch zusammen gefrühstückt. Alex bekam eine extra Portion Aspirin zu ihren Brötchen, welche sie auch dankend annahm. Sie entschuldigte sich auch für ihr blödes Verhalten. Lila und Ich hatten ihr natürlich schon wieder vergeben.
Nach dem Frühstück musste Alex dann auch los, sie musste Vormittags im Fitnessstudio und Nachmittags im Tattoostudio arbeiten. Dort hatte ich heute auch einen Termin und ich war auch schon ein wenig aufgeregt.

Lila war noch so nett und half mir beim Aufräumen. Wir sprachen aber nicht über unser Gespräch auf dem Balkon und das war auch okay so. Ich glaube ihr hatte das genauso gut getan wie mir. Aber wir hatten uns über Berlin unterhalten und Lila war ganz schockiert, als ich ihr gestanden hatte, dass ich erst kaum was von der Stadt gesehen hatte. Daraufhin hatte sie mir eine persönliche Führung versprochen. Das bedeutete, sie würde mich später nach meinem Tattootermin bei Alex im Studio abholen und mir dann Berlin zeigen. Ich war ja mal gespannt was sie sich so ausgedacht hatte.

Black StarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt