Kapitel 30

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"Nervös?", fragte ich Lila als wir vor dem großen, schönen Altbau standen. Sie schüttelte den Kopf und ging langsam zur Tür. Oben angekommen, war tatsächlich Niemand da. Nachdem wir Ruby begrüßt hatten, suchte Lila die Sachen raus die sie mitnehmen wollte. Ich versuchte in der Zwischenzeit herauszufinden, wo Lilas Handy sein könnte. Nachdem wir das auch schließlich gefunden hatten, standen wir nach 15 Minuten wieder unten auf der Straße.

"Puh jetzt bin ich erleichtert", sagte Lila und umarmte Ruby. "Ich auch", stimmte ich Lila zu und ging neben sie in die Hocke. "Hast du deinen Eltern jetzt irgend eine Info hinterlassen?", wollte ich von Lila wissen. "Nö, die werden sich bestimmt keine Sorgen machen. Und wenn, dann könnten sie mich ja immer noch anrufen", antwortete Lila mir in einem gleichgültigen Ton.

Wenig später waren wir auch schon wieder in der Wohnung. Das Gewitter hatte schon vor Stunden aufgehört und mittlerweile war sogar die Sonne wieder rausgekommen. "Und was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Abend?", wandte ich mich an meinen Gast, als ich mich auf meine Couch fallen ließ. "Ich dachte wir feiern meine Freiheit ein wenig", sagte sie und ließ sich neben mich fallen. "Aha, und was schwebt dir da so vor?", fragte ich neugierig nach und drehte mich zu ihr um. "Ich hab da schon so eine Idee, aber das verrate ich dir nicht", grinste Lila mich blöd an. "Na super", sagte ich und verdrehte meine Augen.

Lila sah kurz auf ihr Handy, dann stand sie auf und zog mich mit sich nach oben. "Hey", protestierte ich lautstark. "Komm wir müssen los", sagte Lila selbstverständlich und auf meinen fragenden Blick hin fuhr sie fort: "Vertrau mir einfach", grinste sie. Paar Minuten später waren wir also wieder unterwegs. Ruby hatten wir in der Wohnung gelassen. Vielleicht wollte Lila mit mir in den Club, aber wir fuhren in die andere Richtung, weswegen ich keine Ahnung hatte wo wir hinfuhren. Aber Lila wusste es haargenau und strahlte bis zu ihren Ohren. Anscheinend freute sie sich sehr auf das was uns erwartete. Unterwegs rief Lila kurz Jemanden an und meinte, dass wir gleich da wären. Langsam stieg meine Vorfreude, oder besser gesagt, wollte ich endlich wissen wo wir hingingen.

Irgendwann tauchte ein großes Gebäude mit einer Kuppel auf dem Dach vor uns auf und auf dem Eingangsschild stand in großen Buchstaben das Wort 'Planetarium' geschrieben. Mit überraschten Augen drehte ich mich zu Lila. "Wir gehen in ein Planetarium?", fragte ich ungläubig nach. "Ja. Findest du das doof?", fragte sie vorsichtig nach. "Nein! Ich finds cool. Ich war noch nie in einem Planetarium. Aber haben die nicht schon zu?", fragte ich Lila. "Ich war früher andauernd hier und deswegen hab ich auch so meine Tricks, wie man hier auch nach den Öffnungszeiten rein kommt", grinste sie mich an. "Aha", antwortete ich nur skeptisch. Ich ging mal stark davon aus, das wir hier nicht grade einbrachen.

Wir gingen durch die offene Eingangstür und durchquereten eine Ausstellung über die Planeten des Sonnensystems. Ich folgte der begeisterten Lila durch das Gebäude, bis wir in einem großen Saal standen. Das ganze sah aus wie ein sehr großes Kino, denn es gab eine Bühne mit einer großen Leinwand und vielen Sitzen davor. Während ich noch den Raum betrachtete, hatte Lila sich schon auf einen der Sitze gesetzt. "Kommst du?", fragte sie mich nun grinsend, und zeigte auf den Platz neben sich. Ich nickte nur und ging zu ihr.

Als Lila sich nach hinten lehnte und zur Decke schaute, sah ich erst, dass ein Teil des Daches offen war und man so den Nachthimmel perfekt sehen konnte. "Krass", brachte ich beeindruckt hervor, woraufhin Lila zu kichern anfing. "Ey, lach mich nicht aus", lachte ich und schlug Lila leicht gegen ihr Bein. "Du hast schon recht, es ist schon wirklich cool hier", bestätigte Lila mich dann.

"Ich hab hier früher teilweise mehrere Tage hintereinander übernachtet. Ich wollte hier gar nicht mehr weg. Seit wir mit der Schule hier waren, wollte ich nur noch hier sein, oder tanzen. Ich liebte es, hier zu liegen und den Nachthimmel zu beobachten." "Ich kann dich voll verstehen", kurz nahm ich meinen Blick vom Himmel und schaute zu Lila, die grade das gleiche tat. "Danke das du mir das zeigst. Das bedeutet dir bestimmt viel", sagte ich leise. "Ich teile das gerne mit dir", sie lächelte mich an und wiedermal glaubte ich mein Herz würde aussetzen.

Und dann kam mein schlechtes Gewissen zum Vorschein. Ich hatte Lila einfach aus meinen Leben geworfen, oder zumindest versucht. Und sie, sie zweifelte nicht mal an mir,erzählte einfach ehrlich ihre Gedanken und war so nett zu mir. Ich hatte ihre Freundschaft nicht verdient, und sie hatte eine viel bessere Freundin verdient. Wir hatten beide wieder die Köpfe in den Nacken gelegt und meine Augen fixierten den schwarzen Nachthimmel. Krampfhaft versuchte ich mir meine aufkommende Emotionalität zurückzuhalten und kämpfte gegen die Tränen, die mir in die Augen stiegen.

"Ich war hier schon lange nicht mehr, aber heute hat es perfekt gepasst. Es fühlt sich so an, als würde heute ein neues Leben für mich beginnen und das finde ich toll. Außerdem ist heute der Höhepunkt der Juni Bootiden, das passt alles perfekt", schwärmte Lila begeistert. "Juni was?", fragte ich mühselig und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. "Juni Bootiden. Das ist ein Meteor-Sturm der jedes Jahr zwischen Ende Juni und Anfang Juli an der Erde vorbeizieht. Und heute, da gibt es die höchste Frequenz an Sternschnuppen, aber leider konnte man den Sturm die letzten Jahre nie gut sehen. Aber wir haben bestimmt Glück und dann können wir uns was wünschen", Lila klang immernoch total begeistert und das fand ich so schön.

Eine Zeit lang war es dann wieder still zwischen uns und wir schauten einfach in die Schwarze Nacht über uns. Doch mein schlechtes Gewissen ließ mich nicht los.
"Lila?", flüsterte ich schon fast, woraufhin sich Lila langsam zu mir drehte. Als sie erkannte, dass meine Augen mit Tränen gefüllt waren, setzte sie sich auf und schaute mich schockiert an. "Alles gut?", fragte sie besorgt. "Die Sache mit dem Brief, es tut mir so leid. Ich wollte dich nicht verletzen, ich wollte dich beschützen", fing ich langsam an zu erklären. "Aber wo vor denn beschützen?", fragte Lila überrascht. "Vor mir. Allen Menschen die mir was bedeuten tue ich weh, oder zerstöre ihr Leben. Hier habe ich zum ersten mal richtige Freunde gefunden, Leute kennengelernt die mich mögen und die mir sehr viel bedeuten. Du bist mir einfach zu wichtig, ich wollte nicht noch mehr Chaos anrichten als ich es schon getan habe."

Nach meiner Erklärung ließ ich kraftlos meinen Kopf fallen und stützte ihn mit meinen Händen. Lila wusste wohl nicht so recht was sie antworten sollte. "Aber du hast doch gar nichts zerstört. Und mir bedeutest du auch sehr viel und genau deswegen will ich auch weiterhin deine Freundin sein", sprach Lila ganz sanft auf mich ein. Außerdem hatte sie noch ihre Hand auf mein Bein gelegt.

"Ich hab wegen dir keinen Ärger bekommen. Aber du hast mir gezeigt, dass ich gar nicht die Person war, die ich sein wollte. Du hast mich befreit, aus meinen eigenen Zwängen und dafür bin ich dir so dankbar." Lila war ein Stück zu mir gerutscht und wir schaute uns in die Augen. Ich wusste, dass alles was sie sagte die Wahrheit sein musste, aber ich wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Die Situation überforderte mich. Am liebsten hätte ich die kleine Lücke zwischen unseren Lippen einfach geschlossen, aber das konnte ich nicht. Auch wenn ich es noch so sehr wollte.

Black StarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt