Kapitel 31

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Überfordert von meinen Gedanken und noch stärker von meinen Gefühlen, sprang ich auf und lief aus dem Saal raus. Ja das war feige, aber ich wusste nicht was ich tun sollte. Kurz hörte man nur meine Schritte auf dem Steinboden durch den Raum hallen, doch dann kam Lila mir hinterher. Ich lief durch die Ausstellung und kam endlich vor dem Gebäude an. Völlig fertig ließ ich mich auf der kleine Wiese vor dem Planetarium fallen und fing an zu weinen. Lila, die mich inzwischen eingeholt hatte, fiel neben mir ins kurze, nasse Gras.

"Gehts dir gut? Ist alles in Ordnung? Hab ich was falsch gemacht?", Lilas Stimme überschlug sich und ein hauch von Panik klang in ihr mit. Nicht fähig ihr zu antworten, versuchte ich irgendwie zu nicken und den Kopf zu schütteln. "Ich hab dich nicht verdient, als Freundin", stammelte ich irgendwann. "Ach Quatsch. Warum sagst du sowas?", fragte Lila in einem ruhigeren Ton als zuvor. "Du bist so ehrlich zu mir und ich kann nicht ehrlich zu dir sein. Ich wäre es gerne, aber es geht nicht. Du hast jemanden verdient der aufrichtig ist und nicht jemanden der immer nur Lügen erzählt und Geheimnisse mit sich trägt." Erst jetzt nahm ich meinen Kopf hoch und schaute Lila an. Mein Anblick musste wohl alles andere als schön sein, mit diesem verweinten Gesicht.

"Was für Lügen meinst du denn? Ich hatte das Gefühl du wärst immer ehrlich gewesen. Klar hab ich gemerkt das du nicht so viel von dir erzählst, aber das ist okay. Ich würde dich niemals dazu zwingen. Und auch wenn ich dich eigentlich gar nicht richtig kenne, ich hab das Gefühl ich weiß genau wer du bist."

"Mein Bruder war Polizist und er ist bei einem Unfall gestorben. Aber ich war Schuld daran und nur deswegen musste ich weg von Zuhause und hab einfach meine Oma verlassen. Sie weiß nicht einmal wo ich bin." Nach dem letzten gesprochenen Wort, brachen bei mir alle Dämme und ich fing hemmungslos an zu weinen. Noch nie hatte ich diese Gedanken laut ausgesprochen. Zum Teil fühlte ich mich erleichtert, aber die Schuldgefühle und das schlechte Gewissen überwogen. Lila war ein Stück näher gerutscht und nahm mich fest in ihre Arme. Sie sprach beruhigend auf mich ein und nach einigen Minuten, hatte ich mich tatsächlich wieder einigermaßen gefangen.

"Ich bin mir sicher, dass du nicht Schuld an dem Unfall warst. Du bist ein guter Mensch, ich weiß das. Du hast mir gezeigt wer ich sein will, weil du mich so gesehen hast wie ich wirklich bin und nicht so wie ich mich für meine Eltern verstellt habe. An dem Abend von der Rooftop-Party habe ich meinen Eltern gesagt, dass ich kein Medizin studieren werde, sondern Tänzerin werden will. Das fanden meine Eltern natürlich nicht so toll und auch auf die Trennung von Leo und mir haben sie nicht gut reagiert. Und deswegen war mir einfach danach mich zu betrinken und obwohl es dich nichts anging und du von nichts wusstest, hast du mich beschützt an diesem Abend. Und vor Leo hast du mich auch gerettet." Lilas Worte hatten mich überrascht und ich wusste nicht, was ich antworten sollte.

"Weißt du, ich glaube jeder braucht jemanden oder etwas das ihn durch sein Leben führt und begleitet. Mein Onkel hat mir immer erzählt, dass jeder Mensch seinen eigenen Stern hat, der ihn beschützt." Sie machte eine kleine Pause, schaute kurz zu Boden und dann wieder in meine Augen. Trotz der Dunkelheit konnte ich ihr Gesicht ganz genau erkennen und sogar das Leuchten ihrer Augen war gut zu sehen. Aber irgendein anderer Ausdruck lag auch noch in ihnen, so wie auf der Party letztens. Und ich wusste einfach nicht was es war.

"Vielleicht kann ich dir eines Tages alles erzählen, aber jetzt geht das noch nicht." Noch immer klang meine Stimme traurig.
"Aber vielleicht kann ich dich ja alles fragen und das was du nicht sagen kannst, oder willst, lässt du einfach unbeantwortet", Lila lächelte mich aufmunternd an. "Okay", stimmte ich ihr nach kurzem Überlegen zu. Lila war so aufrichtig und vertraute mir so sehr, ich wollte ihr irgendetwas zurückgeben und ihr zeigen wie viel sie mir bedeutete. Schließlich gingen wir wieder rein und setzten uns auf unsere Plätze. Hier war es deutlich angenehmer als draußen auf der nassen Wiese. Irgendwann fing Lila dann an zu fragen.

"Sag mal", begann Lila vorsichtig, "was hast du da eigentlich für ein Tattoo?", fragte sie und zeigte dabei auf meine linke Brust. "Ähm, da stehen die Anfangsbuchstaben meiner Familie. Also von meinem Bruder und meiner Großmutter." Während ich ihr antworte, versuchte ich den Ausschnitt meines T-shirts so beiseite zu schieben, dass Lila das Tattoo sehen konnte. Allerdings gelang es mir nicht wirklich.

"Oh Achso. Aber was ist mit deinen Eltern?", fragte sie ein wenig schockiert. "Die gibt es zwar, aber nicht in meine Leben. Sie haben sich nie für uns interessiert, deswegen sind mein Bruder und ich bei meiner Oma aufgewachsen. Ich habe eigentlich keinen Kontakt zu ihnen und das wird auch so bleiben." Ich war erstaunt wie ruhig ich geblieben war, denn normalerweise wurde ich bei dem Thema sehr schnell wütend.

"Das tut mir leid", sagte Lila leise und schaute zu Boden. "Schon okay, ich hab mich daran gewöhnt", sagte ich nur schulterzuckend. Ich merkte das die Stimmung irgendwie ein wenig angespannt war. Wahrscheinlich traute Lila sich nicht mich noch mehr zu fragen, weswegen ich einfach den Spieß umdrehte.

"Wie bist du eigentlich zum Tanzen gekommen?", fragte ich sie deswegen. Sofort schnellte Lilas Kopf nach oben. "Ich hab schon immer getanzt, gefühlt bevor ich laufen konnte. Meine Eltern haben mich dann recht früh zum Ballett geschickt, aber das hat irgendwie nicht richtig zu mir gepasst. Deswegen hab ich dann noch andere Tanzkurse gemacht. Also eigentlich hab ich schon alles mal ausprobiert. Ich glaube das macht meinen Stil auch aus, es ist ein Mix aus allem." Lila hörte gar nicht mehr auf zu erzählen, sie war Feuer und Flamme. "Und was gefällt dir am besten? Wenn du schon alles getanzt hast, dann hast du doch bestimmt auch einen Favoriten", fragte ich weiter nach. "Das ist schwer zu sagen, aber Hip-Hop ist schon ganz weit oben und ich würde gerne mal Pole-Dance ausprobieren", kicherte Lila.
"Beim Tanzen fühle ich mich immer federleicht und frei", ergänzte sie noch nach einer kurzen Pause.

Wir fragten uns noch eine ganze Weile dutzende Fragen und sahen dabei den Sternen am Himmel zu. Kurz bevor wir dann gehen wollten, konnten wir tatsächlich noch Sternschnuppen sehen und jeder hatte sich was gewünscht. Vielleicht würde mein Wunsch sich ja irgendwann doch erfüllen.

Als wir dann irgendwann wieder in meiner Wohnung waren, fielen wir beide todmüde ins Bett. Es war schon nach Mitternacht und wir hatten eine Ewigkeit wieder nach Hause gebraucht. Kurz bevor ich meine Augen dann endlich schloss, ließ ich den ganzen Tag noch einmal Revue passieren und konnte nur mit dem Kopf schütteln. Was für ein verrückter und ereignisreicher Tag. Mein Blick schweifte nach links, wo Lila neben mir im Bett lag und auch Ruby hatte es sich vor dem Bett gemütlich gemacht. An diesen Anblick würde ich mich bestimmt schnell gewöhnen. Mit einem Lächeln auf den Lippen, schlief ich schließlich ein. 

Black StarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt