Als ich am nächsten Morgen wach wurde, brauchte ich einen Moment bis ich realisierte, dass ich nicht in meinem Bett, geschweige denn in meiner Wohnung war. Verschlafen blinzelte ich ein paar mal, bis meine Augen sich ganz öffnen ließen und schaute mich um. Ich erkannte Alex's Wohnung, aber sie lag nicht neben mir. Sofort schossen mir die Bilder des letzten Abends in den Kopf.
Ich erinnerte mich daran, wie wir im Club zusammen getanzt hatten. Dann kam der Kuss, naja eher das Rumknutschen und dann sind wir zu ihr gegangen. Oh Gott, was hab ich mir dabei gedacht. Verzweifelt ließ ich mich zurück ins Kissen fallen und rieb mir mit meiner linken Hand über meine Stirn.
Dann überkam mich die Panik, wie spät war es? Ich wollte mich um 9 Uhr mit Brian im Club treffen, er wollte mir zeigen wie man Cocktails mixt. Die Nachhilfestunde mit ihm wollte ich echt nicht verpassen, heute Abend hatte ich schließlich meinen ersten offiziellen Arbeitstag, da durfte ich mich nicht blamieren. Hastig griff ich nach meinem Handy, das neben dem Bett auf einer Kommode lag. Fuck. 08:42 zeigte mir mein Display an. Jetzt war ich wach.
Ich sprang hastig aus dem Bett auf und suchte schnell meine Klamotten zusammen. Warum zu Hölle waren die im ganzen Zimmer verteilt? Grade als ich zumindest meine Unterwäsche schon trug, kam Alex, mit zwei Tassen in der Hand, in das Schlafzimmer.
"Ah guten Morgen, hast du gut geschlafen?" grinste Alex mich an und hielt mir eine Tasse hin.
"Guten Morgen, ja alles gut. Danke für den Kaffee aber ich muss los. Ich bin total spät dran", antwortete ich schnell, während ich mich weiter anzog und grade auf einem Bein auf und ab sprang.
"Ähm okay. Dann sehen wir und später", rief Alex mir noch hinterher als ich an ihr vorbei sprintete. Das war der erste Augenblick, in dem ich Alex sichtlich perplex sah. Ich glaube, damit hatte sie nicht gerechnet. "Tschau", rief ich zum Abschied und drehte mich wenigstens noch einmal kurz nach ihr um.
Den ganzen Weg zum Club, der zum Glück nicht so weit war, machte ich mir Gedanken. Warum hatte ich die angehende Freundschaft mit Alex auf Spiel gesetzt und mich hinreißen lassen? Warum machte ich wieder die gleichen Fehler? Ich wollte mich doch ändern und mich nicht andauernd dem Alkohol hingeben. Ja gut, ich arbeitete jetzt an einer Bar, aber trotzdem musste ich ja nicht immer Party machen, mich betrinken und einfach mit irgendwelchen Mädchen schlafen. Oh man ey, ich hoffe ich hab die Freundschaft jetzt nicht zerstört.
Als sich mein Frust und die Enttäuschung über mich selbst, langsam in Wut umschlungen, kam ich zum Glück am Club an. 09:07 Uhr. Das ging ja noch.Den ganzen Vormittag verbrachte ich mit Brian an der Bar und übte. Die einfachen Cocktails klappten auch schon echt gut, obwohl mein Kopf noch immer gedanklich bei den vergangenen Ereignissen hing. Brian hatte gemerkt, dass ich nicht richtig bei der Sache war, aber zum Glück fragte er nicht weiter nach. Ganz im Gegenteil, er versuchte sogar meine sichtbare Anspannung mit seinen Witzen aufzulockern.
Gegen Mittag hörten wir auf, jedoch gab mir Brian noch ein Buch zum lernen mit. Wir verabschiedeten uns, aber wir würden uns ja heute Abend eh wieder hier sehen. Er lebte ja auch fast hier, schließlich lag seine Wohnung direkt nebenan, wie er mir erzählte.Als ich Zuhause ankam, war mein Kopf immer noch voll von Gedanken und Überlegungen. Es fühlte sich so an, als würde mein Kopf gleich explodieren. Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen. Ich musste irgendwas unternehmen, um den Kopf frei zu bekommen. Normalerweise half mir Musik dabei recht gut, aber mir fehlten die Möglichkeiten. Ich besaß keine Gitarre, kein Klavier, nicht mal Boxen um laut Musik zu hören. Also musste ich mir was anderes überlegen. Mir blieb eigentlich nur noch Sport. Einmal so richtig auspowern. Als das ganze Chaos angefangen hatte, hatte ich auch mit dem Boxen angefangen. Es war der ideale Ausgleich für mich gewesen, also warum nicht wieder anfangen.
Ich entschied mich dazu nochmal ins Fitnesstudio zu fahren. Immerhin hatte ich dank Alex einen Probemonat dort und ich hatte in einer Ecke des großen Trainingsraumes auch einen Sandsack hängen gesehen.
Gesagt, getan. Ich suchte schnell meine Sportsachen zusammen, warf sie in eine Tasche, schnappte mir Schlüssel, Handy und Kopfhörer und ging los. Mit der S-Bahn war ich zum Glück recht schnell da. Während der Fahrt hörte ich laut Musik. Die Musik gab mir irgendwie das Gefühl durch die Lautstärke meine Gedanken übertönen zu können.
Als ich ankam, lief ich mit einem Tunnelblick direkt zur Umkleidekabine und zog mich um. Den Gedanken hier möglicherweise auf Alex zu treffen, versuchte ich einfach zu verdrängen. Dann endlich durchquerte ich den großen Fitnessraum, bis ganz nach hinten zu der Nische in der der Boxsack hing. Es kam mir so vor, als wäre er meine Rettung, wie eine Insel in einem Meer voller Gefühlen, Gedanken, Erinnerungen und Emotionen. Noch immer hörte ich laute Musik und nahm meine Umgebung dadurch gar nicht mehr richtig war.
Mit dem ersten Schlag gegen den harten Sack, fiel ich in ein tiefes Loch. Automatisch schlugen meine Hände abwechselnd auf den Sack ein. Auf einmal kamen die Erinnerungen hoch, auch die, die ich ans Boxen hatte. Wieso ich damit angefangen hatte, der Unfall, die Beerdigung. Ich wurde immer wütender und meine Schläge wurden immer fester. Warum holte mich meine Vergangenheit doch wieder ein? Ich wollte neu anfangen, ein anderes Leben führen. Ich wollte mich endlich mal erwachsen Verhalten, mein Leben in den Griff bekommen. Doch ich schaffte es ja anscheinend nicht, mich ordentlich zu benehmen. Ich hatte so nette Leute kennengelernt, hatte sogar einen Job durch sie bekommen. Und was machte ich? Ich setzte das alles aufs Spiel. Was, wenn ich Alex als Freundin jetzt verloren hatte? Was ist dann mit Fee und Brian? Ich war nicht mal zwei Wochen hier und schon war alles wieder kompliziert. Ach verdammt. Mittlerweile tropfte schon der Schweiß von der Stirn auf den Boden, meine Haare fielen mir ins Gesicht. Aber das war mir alles egal. Ich hatte schon jegliches Zeitgefühl verloren. Keine Ahnung wie lange ich hier schon stand.
Ich fühlte mich wie gefangen, gefangen in einem Strudel. Der Strudel zog mich immer weiter nach unten, immer tiefer in dieses schwarze Loch. Plötzlich sah ich mein altes Ich von außen auf mich drauf gucken. Es guckte mir dabei zu, wie ich immer tiefer nach unten gezogen wurde und lachte mich aus. Es fühlte sich so an, als wäre ich Unterwasser gefangen, meine Luft wurde knapper und die Panik größer.
Plötzlich berührte mich etwas an der Schulter. Reflexartig riss ich die Kopfhörer aus meinen Ohren. Diese Berührung hatte sich angefühlt, wie das Aufkommen auf der Wasserfläche, wenn man vom drei Meter Turm springt. Ich wurde aus meinem Tunnel und dem Strudel rausgezogen, ich war wieder in der Realität angekommen, zumindest zum Teil. Ich konnte förmlich spüren, wie das Adrenalin durch meinen Körper raste. Meine Brust hob und senkte sich in einem sehr schnellen Takt, so sehr war ich aus der Puste. Ich versuchte mich erst einmal zu sammeln und ein paar mal tief durchzuatmen und wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu kommen. Dann spürte ich erneut eine Hand an meiner rechten Schulter und auch eine Stimme sprach mich an. Doch in meinen Ohren rauschte es noch so stark, dass ich gar nichts verstand. Noch einmal versuchte ich meinen Puls zu verlangsamen und mich ein wenig zu beruhigen. Nach einer gefühlten Ewigkeit fühlte ich mich bereit, und drehte mich endlich um.
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Black Star
Teen FictionCara kommt nach Berlin um ein neues Leben anzufangen und ihre Vergangenheit zu vergessen. Sie versucht alles für ein gelungenen Neustart, doch einfach alles zu vergessen oder zu verdrängen, scheint nicht zu funktionieren. Außerdem kommen dann noch G...