Ally
Ich war eine ganze Weile lang unruhig in der Wohnung umher gelaufen und hatte nicht so richtig gewusst, was ich mit mir anfangen sollte. Mein kleine Bruder war entführt worden. Noah.
Ken hatte mich schließlich in eine Decke gewickelt auf das Sofa gesetzt und mir einen dampfenden Becher Tee in die Hand gedrückt. Er hatte wohl instinktiv gespürt, dass ich nicht reden wollte, denn er hatte den Fernseher eingeschaltet und die Lautstärke ein wenig runter geregelt. Irgendein Actionfilm lief. Er hatte mir einen Arm um die Schultern gelegt und mich an sich gezogen. Ich genoss seine Nähe. Aber gleichzeitig starrte ich auf das flackernde Bild, ohne wirklich etwas zu sehen.
Es war schon fast Mitternacht, als ich endlich den Schlüssel in der Wohnungstür hörte. Ken schaltete den Fernseher aus und ich sprang auf. Mom bog als erstes um die Ecke und ein Blick in ihr Gesicht sorgte dafür, dass mir mein Herz in die Kniekehlen sank. Ken legte mir eine Hand auf den Rücken: "Ich lasse euch mal allein, okay?"
Ich nickte schwach. Er gab mir einen Kuss auf die Wange und griff sich dann seine Jacke, um nachhause zu fahren. Dad gab ihm die Hand und sah ihn ernst, aber dankbar an. Auch seine Augen waren gerötet. Ich suchte Moms Blick: "Ihr habt ihn nicht gefunden?"
Sie sah kurz Richtung Decke und befeuchtete sich ihre Lippen mit der Zungenspitze, bevor sie mich wieder ansah. Ich registrierte, dass Dad nach ihrer Hand griff und entgegen meiner Erwartung ließ sie es zu. Das war untypisch für Mom. Sie machte ihre Gefühle in der Regel mit sich selbst aus.
"Mrs Archer hat uns zu Thomas' Hütte geschickt", teilte Dad mir mit rauer Stimme mit. Ich schluckte und sah zwischen ihm und Mom hin und her. Ich schüttelte langsam den Kopf. Das durfte nicht wahr sein. Nicht Noah.
"Wir haben verbrannte...", Moms Stimme brach. Sie räusperte sich: "Die... Das Labor vergleicht gerade die DNA... vielleicht..."
Wieder brach sie ab und ihre Mundwinkel sanken nach unten.
"Das... das heißt, es ist noch nicht sicher, dass er...", begann ich mit zitternder Stimme, hörte aber auf zu reden, als ich den Blick sah, den die beiden tauschten. Sie hatten ihn längst aufgegeben. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Sie hatten das alles schon einmal durch gemacht. So etwas jetzt nochmal zu durchleben... Vielleicht war es besser, das alles schnell hinter sich zu lassen.
"Ich... ich denke, ich gehe schlafen... ich...", meine Stimme wurde gegen Ende zu einem fast lautlosen Flüstern. Dad machte einen großen Schritt und drückte mich kurz an sich. Ich spürte seine Lippen in meinem Haar und schloss kurz die Augen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich direkt in Moms Gesicht, die ihre bebenden Lippen aufeinander presste und ihre Tränen weg blinzelte.
"Natürlich, Ally", murmelte Dad, "Es... war ein harter Tag."
Ich murmelte kleinlaut: "Gute Nacht."
Dann verschwand ich in meinem Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Kaum hatte ich das getan, rutschte ich an dem hellen Holz nach unten und holte zitternd Luft, während sich die ersten Schluchzer ihren Weg nach draußen bahnten. Ich verbarg mein Gesicht in meinen Händen, um sie etwas zu dämpfen und fühlte mich absolut elend. Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz in meiner Brust einfach zersprang. Das durfte doch nicht alles gewesen sein. Noah hatte noch sein ganzes Leben vor sich. Das konnte diese Frau nicht getan haben. Ein unschuldiges Kind.
Nach einer ganzen Weile wischte ich mir schließlich die Tränen beiseite und ging hinüber zum Fenster. Ich starrte in die Dunkelheit und wünschte mir so sehr, dass Noahs nächtliches Wimmern in diesem Augenblick die Stille zerreißen würde.
Stabler
Wir sprachen nicht viel, bis wir uns auch ins Bett legten. Ich war einfach froh, dass sie da war. Ich löschte das Licht und starrte dann an die Zimmerdecke. Ich konnte nicht fassen, was heute alles passiert war. Wie konnte innerhalb eines Tages, eine ganze Welt auseinanderbrechen? Womit hatten wir das verdient?
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Law & Order SVU -Obsession- (Fanfiction)
FanfictionBei Polizei und Staatsanwaltschaft gelten Sexualverbrechen als besonders abscheulich. In New York City gehören die engagierten Detectives, die in diesen brutalen Fällen ermitteln, zur Sondereinheit für Sexualdelikte. Dies sind ihre Geschichten. Ein...