𝟒𝟎. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥

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Heute hatte sich das Seminar sehr lang gezogen. Ich wusste zwar, dass wir nicht zum Vergnügen hier waren, aber wir saßen wirklich von morgens bis Abends in diesem Raum, hatten ein oder zwei kleine Pausen in welchen wir in Ruhe essen konnte aber im Großen und ganzen hatte sich der Tag einfach nur unnötig in die Länge gezogen.

Ich hatte mir viel mitgeschrieben, vor Allem als unsere nette Tutorin über die Gestaltung von Artikeln sprach. Mein Blick glitt automatisch ein paar mal in die Richtung von Leo, weil ich meinen Artikel über ihn schreiben musste und kein Weg an dieser Tatsache vorbeiführte, doch er schien mich völlig auszublenden. Mich traf es, dass er mich kein einziges Mal angeschaut hatte und mich verletzte er umso mehr, dass er diese mir fehlende Aufmerksamkeit Sabrina schenkte. Nachdem die Frau sich von uns verabschiedete und uns gehen ließ, atmete ich etwas erleichtert aus. Es war zum Glück noch hell draußen und ohne zu zögern packte Lia meine Hand.

»Also Ava und ich gehen jetzt zu zweit bummeln. Wir treffen uns heute Abend zu der Cocktailparty im Hotel.« Verwirrt musterte ich ihr aufgeregtes Gesicht, doch hatte keine Zeit um zu antworten, da sie mich schon mit sich gezogen hatte.

»Cocktailparty?«, hakte ich etwas verwundert nach und hatte augenblicklich ein etwas flaues Gefühl in meinem Magen. Ich wollte nicht unbedingt mit ihnen in der Bar sitzen. Was würde denn heute passieren? Würde ich wieder mit Leo streiten? Oder würde Sabrina wieder versuchen, mich wieder ein fertig zu machen? Ich hatte für beide Sachen keinen Nerv und hätte mich am liebsten mit meinem Buch auf den Balkon gesetzt und die ganze Nacht gelesen. Morgen wäre der letzte Seminartag und wir würden gegen vierzehn Uhr wieder nach Hause fliegen. Ich freute mich schon auf meine eigenen vier Wände weil ich zwar hier die Zeit, aber nicht die Nerven hatte, um Denver zu genießen. Leo hatte mir irgendwie die Laune endgültig zerstört und die Einzige mit der ich hier gern redete war Lia. Sie schien, auch wenn sie es nicht zugeben wollte, meinen innerlichen Schmerz zu bemerken. Sie führte mich in ein Geschäft, welches voller Kleider war und ich wusste nicht, ob ich mich wirklich traute, auf die Preisschilder dieser zu schauen. Der Laden sah teuer aus. 

»Lia bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?«, flüsterte ich ihr etwas nervös zu und sah, wie eine sehr elegant gekleidete, blonde Mitarbeiterin auf uns zukam und uns höflich anlächelte.

»Du musst nicht reden, tu einfach das, was ich dir sage« auch Lia lächelte höflich und begrüßte die

»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Dame vor uns und Lia zögerte nicht lange, sondern hatte direkt eine Antwort auf die von der Mitarbeiterin gestellte Frage.

»Also ich weiß schon nach was ich suche. Ich brauche nur Hilfe für meine schüchterne Freundin hier. Ich brauche ein Kleid für sie. Vielleicht kurz und eng, etwas was ihre Kurven betont, oh und etwas nicht zuuu auffälliges, aber auch nicht zuuu dezent.«, brabbelte Lia und etwas entgeistert starrte ich sie während ihres Monologs an. Ich hatte keine Chance um etwas zu sagen.

»Ich verstehe, dann kommen Sie doch bitte mit.«, bat sie mich schmunzelnd und ich warf Lia nur einen gespielt verärgerten Blick zu, während ich der netten Frau nachging. Etwas skeptisch musterte sie erst mich, dann meinen Körper und dann wandte sie sich an die Kleiderständer. In der Ecke, in welcher wir angekommen waren, fanden sich die verschiedensten Kleider. Etwas erstaunt musterte ich ein blaues und schaute aus Neugier auf den Preis.

Mit geweiteten Augen entfernte ich mich wieder von den Kleidern und schaute nervös die Mitarbeiterin an. Ich wollte nicht glauben, dass ich gerade ein Kleid im Wert von neunhundert Euro angefasst hatte. Ich fühlte mich augenblicklich deplatziert und musterte nur die Mitarbeiterin, welche ein paar Kleider in die Hand nahm und mich bat, ihr zu folgen.

Lia hatte sich auch schon ein paar Kleider ausgesucht und entsetzt schaute ich in ihr lächelndes Gesicht. Zusammen gingen wir alle in die Umkleidekabine und die nette Mitarbeiterin hielt mir drei Kleider vor meine Nase.

Lia währenddessen hatte sich ein Glas Sekt geschnappt - nur Gott weiß woher sie dieses schon wieder hatte - und nahm die drei Kleider genauestens unter die Lupe.

»Na ich bitte Sie«, sprach sie zu der Frau, während sie einen großen Schluck aus ihrem Sektglas trank. »Das grüne Kleid würde nicht einmal ein Mensch mit sehr schlechtem Geschmack tragen. Weglegen«

Ich hatte das Gefühl, meine Augen weiteten sich von Sekunde zu Sekunde mehr. Wir befanden uns in einem der teuersten Läden, die ich je betreten hatte und Lia fand den Mut so direkt der Mitarbeiterin die Meinung zu sagen?

Während sie es weglegte, musterte ich die beiden übrig gebliebenen Kleider. Das eine Kleid war schwarz und aus Samt. Mir gefiel das Kleid, vor Allem da ich schwarz als Farbe sowieso viel lieber Trug, als irgendein buntes. Im Gegensatz zu dem schwarzen Kleid, war das, welches sie in ihrer anderen Hand nun hochhielt beige und sah eher aus wie ein Mantel, als ein Kleid. Ich war sofort überzeugter von dem schwarzen Samtkleid, als von dem anderen.

Ich weiß nicht wieso, aber ich stellte mir mich selbst in diesem Kleid vor und mir schlich ein Lächeln über die Lippen. Es ging bis zu den Knien und ich erkannte ebenfalls den Schnitt an der Seite des Kleides. Mir gefiel die Tatsache, dass ich noch nie zuvor genau so ein Kleid gesehen hatte. Es war zwar schwarz, aber irgendwie so besonders. 

»Ich würde gerne das schwarze Kleid anprobieren«, merkte ich höflich an und die Mitarbeiterin ließ mich auf die Kabine gehen. Während ich es anzog, betrachtete ich meinen Körper im Spiegel. Ich war nicht zu dick, ich war hatte aber auch nicht den schönsten Körper, wie ich fand. Ich fragte mich, ob Leo mich in der Nacht, in welcher ich auf seinem Bett lag und zugelassen hatte, dass er mich anfasste, wirklich so hübsch fand, wie er sagte. Ich wusste, er hatte mich nicht in Unterwäsche gesehen und viel von meinem nackten Körper außer gestern Abend konnte er ebenfalls nicht erhaschen, aber ich fragte mich, ob er mich so attraktiv fand, wie er in dieser Nacht behauptete oder ob er diese Wort nur gesagt hatte, um mich davon zu überzeugen, diese Dinge in diesem Moment mit ihm zu machen.

Um meine Gedanken zur Seite zu schieben und mich auf mein Kleid zu konzentrieren, dachte ich nicht mehr über diese ganzen Fragen in meinem Kopf nach. Ich verdrängte diese so gut wie ich nur konnte und stieg aus der Kabine, um Lia das Ergebnis zu präsentieren.

the interview | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt