𝟓𝟏. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥

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Während der gesamten Autofahrt herrschte weiterhin eine unangenehme Stille. Ich saß hinten und schaute planlos aus dem Fenster. Gerade fuhren wir durch die Innenstadt Torontos und ich hatte den perfekten Blick auf Leos Unternehmen. Das aus Glas errichtete Gebäude stiehl den restlichen unternehmen Torontos die Show, sorgte dafür, dass alles andere in den Massen der Bauwerke unterging. Aber Adams Industries strahlte förmlich vor Glanz, es war prachtvoll. Ich ließ meinen von Gedanken überfüllten Kopf gegen das Glasfenster fallen und schloss für einen kurzen Moment meine Augen, in der Hoffnung, dass meine Probleme sich dadurch in Luft auflösten - aber das würden sie nicht.

»Und wann hattest du vor mir das zu sagen?« die tiefe Stimme meines Vaters klang noch grimmiger als sonst. Er schien angespannt, schaute gerade aus und würdigte weder mich noch Mary eines Blickes. Ich fragte mich instinktiv, was in ihm vor sich ging. War er glücklich darüber gewesen, dass Mary schwanger war? Oder wollte er das Kind auf gar keinen Fall? Ich konnte einfach nicht erkennen, was er fühlte. Seine Augen schienen vor Leere zu strahlen.

»Steven«, kam es etwas nervös aus ihr. Doch ihre Stimme klang mehr traurig als nervös und ich erkannte das Zittern an der Art und Weise, wie sie den Namen meines wütenden Vaters aussprach. »Ich.. Ich wusste nicht so recht, wie.. ehm« sie fand die Worte nicht und das nahm ich ihr auch nicht wirklich.

»Wir wollten erst gucken, ob sie wirklich schwanger ist«, fügte ich hinzu und erkannte, wie sich Marys Körper etwas entspannte. »Du weißt schon. Die Tests sind nicht immer hundertprozentig richtig«

Mein Vater hielt vor unserem Haus an und atmete kurz durch, bevor er sich zu Mary wandte und ihre Hand nahm. Leicht lächelnd stieg ich aus und ließ die beiden alleine im Auto zurück. Ich wollte nicht stören und musste mich sowieso noch fertig machen, bevor Lia mich abholte. Es freute mich, dass mein Vater nicht mehr so sauer schien und Mary anschrie oder sowas. Schließlich konnte sie genau so viel dafür, wie er. Ich schätzte, dass das Schicksal es gut mit meiner neuen Familie meinte und vielleicht würde das Kind meinem Vater dabei helfen, endgültig mit meiner Mutter abschließen zu können. Vielleicht war das der Anfang von etwas Tollem und wir könnten endlich eine glückliche Familie sein, so wie mein Vater es sich seit dem Abgang meiner Mutter wünschte. Ich selbst wusste nicht wirklich, was ich davon hielt. Ich freute mich für Mary und in mir kam ein Gefühl der Aufregung hoch, sobald ich an das Baby dachte. Aber ich hatte mich noch immer nicht so richtig in diese neue Familie integrieren können und wie sollte ich das, wenn die Situation zwischen Alex und mir sowieso schon kritisch gewesen ist. Wie sollte das Kind unter zwei verhassten Geschwistern aufwachsen? Und wie sollte ich die nächsten Jahre so tun, als wäre alles in Ordnung?

»Ava?«, erklang eine weibliche Stimme, als ich gerade die Tür hinter mir geschlossen hatte. Etwas perplex drehte ich mich zu der Sprecherin um und seufzte auf, als sich mein Verdacht, wer sie sein könnte, bestätigte.  »Molly«, murmelte ich leise. »Hey«

Etwas distanziert musterte ich ihr trauriges Gesicht und wandte mich dann von ihr ab, um meine Jacke an den Kleiderständer zu hängen. Ich wusste nicht, was ich in diesem Moment sagen sollte. Ohne Vorwarnung befand ich mich nun in dieser verdammt unangenehmen Situation und wusste nicht mit ihr umgehen.

»Lass uns in dein Zimmer und reden. Ich habe Kekse und Milkshakes dabei und wir können-« ich räusperte mich und brachte sie damit zum Schweigen. Etwas aufgeregt hielt sie die Cookies und meinen Lieblingsmilkshake von Starbucks in der Hand - hoffend, diese Sachen würden alle Komplikationen zwischen uns lösen.

»Ich habe schon etwas vor, Molly«, sagte ich nun etwas bestimmend, zumindest so sehr, wie es ging. Ich wollte nicht schwach klingen und auch wenn sie meine beste Freundin gewesen ist und wusste, dass diese Situation zwischen uns tief in meinem Inneren schmerzte, wollte ich nicht nachlassen. Konnte ich nicht nachlassen. Schließlich musste sie verstehen, wie sehr mich ihr Verhalten gekränkt hatte.

»Ava, ich bitte dich«, sie klang nun leicht wütend und etwas entsetzt musterte ich ihr Gesicht.  »Du kannst nicht für immer sauer auf mich sein. Was soll ich denn noch machen?«, fragte sie nun verzweifelt und legte etwas traurig die Sachen auf den Tisch. »Nicht hoffen, dass ein Milkshake alles wieder gut macht. Wir haben uns versprochen, dass wir uns niemals anlügen. Ich bin nicht sauer auf dich, nein. Ich bin enttäuscht, Molly. Und ich werde nicht für immer enttäuscht sein. Aber gib mir Zeit und..«, ich stoppte kurz, da ich schluckte und kurz ein und ausatmete, um mich zu konzentrieren. Mir tat jedes Wort, welches ich ihr an den Kopf warf, weh, jedoch musste ich stark bleiben und ihr zeigen, dass sie das nicht mit mir machen konnte, egal wie sehr ich sie liebte. »Und lass mich demnächst einfach in Frieden.«

Mit diesen mir schmerzenden Worten verschwand ich in mein Zimmer und drückte schluckend die Tür hinter mir zu. Tränen sammelten sich in meinen Augen und für einen kurzen Moment sah ich mein Zimmer nur noch in verschwommener Weise, bevor ich mich mit einem lauten Atmen wieder sammelte und mir meine Tränen schnell wegwischte. Ich wollte nicht mehr weinen, sondern wieder lernen zu lachen. Mein Leben brachte mich zurzeit durch verschiedene Höhen und Tiefen, aber ich musste lernen damit klarzukommen. Und genau das versuchte Lia mir auch beizubringen, denn ich wusste genau, dass sie merkte, wie aufgebracht ich war, weswegen sie mich heute ablenken wollte. Vielleicht redete sie sogar mit Leo und wusste genau, wie sehr er mir wehgetan hatte, vielleicht aber auch nicht. Fakt war, dass sie mich ablenken wollte und ich es vielleicht einfach nur zulassen sollte, anstatt mich davor zu fürchten.

Ich hatte noch fast zwei Stunden Zeit um mich fertig zu machen, weswegen ich mich beeilte und mich schließlich um acht vor meine Haustür stellte, um auf Lia zu warten.

the interview | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt