𝟔𝟏. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥

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Stolz und zugleich glücklich verließen Molly und ich das Schulgebäude. Aufgeregt lief sie auf Alex zu, welcher draußen schon auf uns wartete und umarmte ihn ganz fest. Jetzt erst schien er zu bemerken, dass wir beide die Abschlussprüfungen bestanden hatten - nicht nur das, wir beide hatten super Noten und waren total zufrieden mit unseren Ergebnissen. Lächelnd strich er ihr über den Rücken.

Es war komisch mitanzusehen, wie Alex und Molly sich Umarmten oder gar küssten und es war komisch, nichts dagegen sagen zu können. In den letzten drei Monaten hatte ich irgendwie versucht mich an die Tatsache zu gewöhnen, dass sie beiden zusammen waren und mittlerweile freute ich mich auch irgendwie für die beiden. Nichtsdestotrotz war der Anblick noch immer gewöhnungsbedürftig. Oder eher: nicht auszuhalten. 

Mein Verhältnis zu Alex hatte sich nicht wirklich gebessert. Er war netter zu mir und gab mir nicht mehr das Gefühl, mich komplett zu hassen. Trotzdem mochte er mich nicht so sehr, wie Geschwister es eben untereinander taten. Und das fand ich schade. Ich hatte aufgehört mir zu erhoffen, dass er irgendwann mein cooler großer Bruder werden würde, dem ich alles erzählen konnte. 

»Also Leute, was machen wir zuerst? Feiern oder unsere Bücher verbrennen?«, fragte Molly lachend in die Runde und brachte Alex und mich zum schmunzeln, während wir Richtung Auto spazierten. »Wie wäre es wenn wir was trinken gehen?«, fragte Alex meine beste Freundin zurück und nahm ihre Hand. Molly aber blieb nur stehen und schaute mich lächelnd an. »Tut mir leid, Alex. Aber Ava und ich habe heute sehr viel zutun. Nicht war, Ava?« 

Ich schüttelte jedoch schnell meinen Kopf und schaute ihr eindringlich in ihre vor Aufregung funkelnden Augen. »Ich kann auch alleine ein Kleid besorgen, du musst nicht extra mitkommen«

»Oh doch«, sagte Molly nur und gab ihrem Freund einen Kuss, bevor sie meine Hand schnappte und mich hinter sich her zog. »Bis später, Alex«, rief sie und zwang mich den ganzen restlichen Tag in der Shoppingmall zu verbringen. 

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»Du siehst fantastisch aus!« 

Mary stand im Türrahmen und ich musste kurz zusammenzucken, als sie durch den ganzen Raum schrie. Sie kam auf Molly und mich zu und begutachtete mich von allen Seiten, während Molly mir die letzte Strähne glättete. Ich hatte mich bewusst dafür entschieden, meine Haare heute neutral zu halten und sie nicht zu locken oder zu frisieren - ich wollte schlicht und einfach nicht auffallen. »Einfach fabelhaft!«

»Finde ich auch«, erwiderte Molly lächelnd. Nach langem Herumirren in den ganzen Geschäften und unzähligen Anproben hatte ich mir für ein smaragdgrünes, schönes Kleid mit Trägern, die an der Schulter herunterfielen, ausgesucht. Molly trug ein schwarzes, etwas engeres Kleid und Mary hatte sich für ein hellgraues Blümchenkleid entschieden. Mittlerweile war sie schon fast im achten Monat, demnach sah man ihren Bauch schon durch jedes Kleidungsstück. Und je mehr ich sie anschaute und darüber nachdachte, dass das Kind bald da sein würde, desto glücklicher wurde ich. Ich freute mich. 

»Wäre ich Leo-«, fing Molly an, doch mit einer Handbewegung schnitt ich ihr das Wort ab. »Okay okay, schon verstanden. Ich soll seinen Namen heute nicht erwähnen, vergessen«, fügte sie seufzend hinzu und ich schaute ein letztes Mal, natürlich zufrieden, in den Spiegel. Ich war nicht bereit auf diese Hochzeit zu gehen. Noch heute Nacht hatte ich mir überlegt eine Magen-Darm-Grippe vorzutäuschen oder so zutun, als hätte ich die ätzendsten Kopfschmerzen überhaupt, aber ich wusste es wäre falsch. An dem Abend, an dem ich mit Lia am Pool redete und wir uns gegenseitig unser Herz ausschütteten, hatte sie mir gesagt wie sehr sie sich über meinen Besuch auf ihrer Hochzeit freuen würde. Und zu diesem Zeitpunkt hätte ich niemals gedacht, dass ich freiwillig nicht dort hin wollte. Doch ich wusste, dass ich meine Freundschaft mit ihr nicht darunter leiden lassen durfte. Sie hatte mir immer beigestanden und war für mich da gewesen, selbst als Leo, ihr eigener Bruder, mir wehgetan hatte. Und das würde ich nicht vergessen. Ich wäre eine miese Freundin wenn ich das an ihr auslassen würde. Aber es schmerzte zu wissen, dass ich ihn heute wiedersehen würde. Und ich wusste nicht genau wieso. 

»Ihr zwei Süßen, wollen wir los? Alex wartet draußen«, Mary hatte sich schon in ihre Jacke gekuschelt und verschwand nach draußen, während Molly mich ein letztes Mal eindringlich ansah.

 »Vergiss für einen Moment wie ungerne du "Du-weißt-schon-wen" sehen möchtest, oder wie gerne ich "Du-weißt-schon-wem" eine reinhauen würde und hab Spaß. Ich weiß wie traurig du die letzten Monate warst und ich weiß auch wie schwer es dir fällt, heute Abend rauszugehen und dich zu amüsieren. Aber Ava, das hast du dir verdient. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass "Du-weißt-schon-wer" es bereut. Du bist wunderschön.« 

Während ich von ihren Worten gerührt und etwas verloren im Gang rumstand, schnappte sie sich unsere Jacken und Taschen und lächelte mich an. »Danke Molly«, flüsterte ich und wusste genau, wieso sie meine beste Freundin war. Genau deswegen. »Kann es losgehen, Cinderella?«, fragte sie lachend und ging vor. 

»Klar, aber "Du-weißt-schon-wer" ist nicht mein Prinz Charming«, erwiderte ich, während ich ihr folgte und nach ihr einstieg.

»Wer weiß«, murmelte Molly vor sich hin, während Alex losfuhr und es für mich nun kein Zurück mehr gab. »Vielleicht verlierst du heute Nacht ja wieder deinen Slip. Ähm nein, deinen Schuh. Ich meinte natürlich deinen Schuh«, Molly lachte lauthals los und ich verzog mein Gesicht wie ein kleines Kind. »Nie wieder«

»Sag niemals nie, Cinderella« 

Während wir durch die Stadt fuhren wurde ich nervöser und fürchtete meine Begegnung mit Leo von Sekunde zu Sekunde immer mehr. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte oder wie ich drauf sein sollte. Sollte ich zu ihm schauen? Ihn begrüßen? Würde er mich ansprechen? Und was sollte ich dann sagen? 

Eine Sache war mir klar gewesen. Ich war nicht bereit für dieses Wiedersehen. 

the interview | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt