[𝟗] 𝐃𝐨𝐫𝐧𝐫𝐨̈𝐬𝐜𝐡𝐞𝐧

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»Und Mr. Adams-« Ich war bei meiner unzähligsten Frage angekommen, als die Tür aufging und ich ein bekanntes Gesicht sah, obwohl ich hier gerade mal höchstens fünf Personen kennengelernt hatte. Es war Lia, die mich noch vor einigen Stunden herumgeführt hatte. Ich war gerade in meine Frage vertieft gewesen, weswegen ich mich räusperte.

»Liana, was gibt es?« Ich erkannte etwas in seinem Ausdruck, etwas Genervtes, etwas was ich noch nicht von ihm gesehen hatte. Er sprach sie beim Vornamen an und diese Tatsache bestätigte nur meinen Verdacht. Sie müssten sich wirklich sehr nah stehen und diese Einsicht vertrieb mir die Lust dazu, das Interview weiterzuführen. Auch wenn ich ihn nur zwei Tage kannte, hatten seine Augen mich schon ab dem ersten Moment in einen magischen Bann gezogen und zwangen mich, die Dinge, die er mir vorschrieb, sofort und ohne zu zögern zu machen. Doch ich musste endlich damit aufhören, auf so eine Art und Weise von ihm zu denken und anfangen, dass alles geschäftlich zu sehen. Niemals würden wir uns näher kommen. Niemals durften wir uns näher kommen. Unsere Position verhinderte dies.

Liana jedoch räusperte sich nur, als hätte sie uns gestört oder gar ertappt. »Hey liebes.«, begrüßte sie mich, bevor ihre braunen, mit etwas Unsicherheit gefüllten Augen zu ihm glitten.

»Leo, er ist da.«

»Wer?«, entgegnete dieser und stand auf, während ich schluckend meinen Stift in meiner Tasche verschwinden ließ.

»Er.«

Misstrauisch versuchte ich so zu tun, als würde ich in meiner Tasche wühlen. Dieses unwohle Gefühl überkam mich und ich hoffte diese Situation hätte bald ein Ende. Ich wollte ihnen nicht das Gefühl geben, dass ich zuhörte oder lauschte. Aber es ging sichtlich nicht an mir vorbei, dass sie über einen mysteriösen Mann sprachen. Es ging mich nicht wirklich etwas an, aber Er schien dafür zu sorgen, dass Mr. Adams nun sehr grimmig schaute.

»Sag ihm, ich bin in fünf Minuten da, danke Lia.«

Lia zwinkerte mir freundlich zu und verdutzt schaute ich ihr nach. War das nur einer ihrer Verabschiedungs-Arten oder aus welchem Grund hatte sie mir zugezwinkert? Hatte sie Angst, ich würde ihr ihren Mann nehmen? Ich wollte keinen Streit mit Lia anfangen oder ihr das Gefühl geben ich würde ihr ihren Mann nehmen wollen. Es war nicht meine Absicht.

Beunruhigt drehte ich mich wieder zu Mr. Adams und musste feststellen, dass er mich schon wieder anstarrte, als würde er jeden Zentimeter meiner Haut genau unter die Lupe nehmen, als würde er meinen Körper studieren. In seinen Augen erkannte ich diese Flammen, dieses Feuer, welches mich überkam und ich versuchte mich aus seinem Bann zu lösen. Das durfte nicht sein.

»Ich muss unser Gespräch leider auf morgen verschieben. Ist das in Ordnung?«, fragte er behutsam und nickend kam ich wieder zu mir während ich versuchte seine Augen aufs dringlichste zu vermeiden. »Schönen Tag noch, Mrs Adams.« Mit diesen Worten verabschiedete ich mich und stand auf, um mich auf den Weg zu Andrew zu machen, welcher überraschenderweise schon vor der Tür stand, als würde er wissen, dass ich jetzt gehen wollte. Während ich sein Büro verließ, spürte ich Mr. Adams stechenden Blick in meinem Rücken und versuchte so gut wie ich nun mal eben konnte, nicht zu ihm zurückzuschauen, obwohl ich mit Vergnügen noch einmal in seine braunen Augen geschaut hätte.

Als ich endlich zuhause ankam und geschafft meine Füße von meinen Schuhen befreien konnte entdeckte ich etwas Eigenartiges. Ich nahm diese Schuhe, welche weder mir noch Alex gehörten, genau unter die Lupe. Molly war hier?

Verwirrt warf ich einen Blick auf mein Handy. Ich hatte keine Nachricht von ihr erhalten.

»Molly??«, rief ich durch die Wohnung, bekam jedoch keine Antwort und ging deswegen in die obere Etage, wo sich mein Zimmer befand.

»Ava, hey!!«, sie war im Flur und kam gerade auf mich zu. Verwirrt musterte ich ihre Aufregung.

»Endlich bist du da, ich warte schon seitdem die Schule zu Ende ist in deinem Zimmer, Dornröschen.«, murmelte sie vor sich hin und ich folgte ihr in mein Zimmer.

»Wieso hast du mich nicht angerufen? Dann hättest du nicht warten müssen.«, erwiderte ich und wurde das eigenartige Gefühl nicht los, dass an ihrer Reaktion irgendetwas faul war. Ich war nicht misstrauisch oder skeptisch, jedoch war sie so nervös. Sie war eigentlich nie nervös und sofort bekam ich das Gefühl angelogen zu werden.

Umgehend bereute ich diesen Gedanken jedoch und warf ihn aus meinem Kopf. Molly würde mich nicht anlügen. Zumindest hatte sie das bis zu dem jetzigen Zeitpunkt noch nie.

»Molly, hör mal.«, fing ich an zu erzählen, während ich diesmal sicherging, dass kein Alex vor der Tür stand und diese schloss. Ich seufzte auf.

»Oh oh, Dornröschen ist aus ihrem Schlaf erwacht. Möchte sie mir etwas erzählen?« Die Art und Weise, in welcher Molly diesen Satz aussprach brachte mich dazu, in Gelächter auszubrechen.

»Es ist nichts Wildes. Ich habe mein Buch bei Mr. Adams verloren.« Brachte ich hervor und packte nun mein neues aus. Ich ließ es neben meinem Bett liegen, um nicht zu vergessen, es heute Nacht noch zu lesen.

Sie schien zu überlegen. »Ach, ja ich verstehe schon. Dein ‚Stolz und Vorwürfe' - Buch. Oder war es doch dein ‚Gefühl und Sinn' – Buch?«, fragte sie und ich wusste ganz genau, dass sie sich über meinen Büchergeschmack lustig machte. Sie scherzte nicht nur über meinen Geschmack, sondern über die komplette Tatsache, dass ich las. Sie las kaum, mit Glück überflog sie einmal den Titel einer vorgegebenen Schullektüre und damit hatte sich für Molly das Lesen auch schon erledigt.

»Stolz und Vorurteil, Molly!«, verbesserte ich sie eingeschnappt, als wäre es mein eigenes Werk.

»Wie auch immer. Und was willst du mir damit sagen?«, fragte sie beleidigt zurück.

»Er hat mir ein Buch ausgeliehen. Er liest genau die gleichen Bücher wie ich, Molly! Er hat einen ganzen Schrank voll von solchen Büchern!« Für einen Moment erinnerte ich mich zurück, aber nicht an die Bücher, sondern an seinen Atem in meinem Nacken, an die Art und Weise, wie er meinen Namen aussprach. Ich zuckte zusammen, als sie mich mit einem meiner Kissen bewarf und mich somit aus meiner schönen und gleichzeitig angsteinflößenden Vorstellung befreite.

»Das ging ja schnell zwischen euch beiden. Gott Ava, lass dich endlich von ihm durchnehmen und-« Um sie davon zu stoppen, auszusprechen was sie ansetzte zu sagen, schleuderte ich ihr das Kissen mit voller Wucht ins Gesicht. 

»Wag es nicht das auszusprechen, Molly Moore!« warnte ich sie und auf unser Lachen folgte eine Kissenschlacht.

✦✦✦

Am nächsten Morgen lief alles ab, wie die letzten zwei Tage auch. Ich machte mich auf den Weg zu meinem 'Arbeitsplatz'.

Angekommen wusste ich diesmal genau, wohin mich mein Weg führen würde und schon stand ich vor ihr. Endlich fiel mir auf, dass sich ein kleines Schildchen auf ihrem Tisch befand. 'Ellen Wright' war der Name der Sekretärin.

Ich lächelte sie an. »Ava, ich hoffe Ihnen geht es gut. Ich muss Ihnen mitteilen, dass Ihr Plan von Mr. Adams geändert worden ist. In genau Zehn Minuten ist ein Meeting auf der dritten Etage, er möchte Sie mitnehmen. Alles Weitere erfahren Sie von ihm. Er wartet oben auf Sie.«

»Vielen Dank, Mrs. Wright.«, antwortete ich und begab mich in Richtung Fahrstuhl. Aufgeregt drückte ich auf den Knopf und sah zu, wie die Fahrstuhltüren sich schlossen.

the interview | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt