[𝟏𝟏] 𝐠𝐞𝐧𝐢𝐚𝐥𝐞 𝐈𝐝𝐞𝐞𝐧

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Aufgeregt starrte ich Mr. Reynolds an und wusste nicht, ob ich in diesem Moment lieber im Erdboden versunken oder einfach hinausgelaufen wäre. Hatte er mich das gerade wirklich gefragt?

Jetzt lagen auch Mr. Adams und Lias Blicke auf mir und das war noch nicht einmal das schlimmste. Alle Augenpaare lagen auf mir und warteten gespannt auf eine Antwort. Ich wurde so nervös wie noch nie und musste mich fast übergeben bei dem Gedanken, dass ich jetzt reden musste oder mich und Mr. Adams komplett bloßstellen würde.

»Uhm.. Ich habe kein... kein Problem Mr. Reynolds.«, sprach ich stotternd und er lachte auf. Es war kein nettes Lachen, kein Lachen, dass aussagte, es wäre okay gewesen und wir beide würden die Sache vergessen. Es war ein provokantes Lachen, eines, dass mich gerade innerlich dazu brachte, auf ihn loszugehen. Er sah Schwäche in mir, weil ich mich nicht traute mein Problem auszusprechen. Er lachte mich aus, weil er meine Nettigkeit mit Schwäche verwechselte.

»Dann behalten Sie ihre irrelevante Meinung im weiteren Verlauf für sich.«

Ich war keine wütende Person, ich hatte keinerlei Temperament oder war es gewohnt schnell aggressiv zu werden, aber er sah doch wohl, dass ich um einiges jünger und unerfahrener war? Und vor Allem neu?

Und mit einem Mal musste ich an Andrews Worte denken.

»Es ist ein schlichtes Meeting. Und sollte irgendetwas passieren, machen Sie sich keine Sorgen. Mr. Adams hat einen guten Grund Sie mitzunehmen, er sieht Potenzial in Ihnen. Und das passiert nicht oft.«

Ich erhob mich und ging nach vorne. Mutig stellte ich mich neben Mr. Reynolds. In diesem Moment hatte ich keine Zeit darüber nachzudenken, wie schockiert mich Mr. Adams und Lia anstarrten und auch nicht, wie nervös ich eigentlich gewesen bin, sondern konzentrierte mich nur auf meine Worte, die nur so aus meinem Mund sprudelten. Ich musste jetzt endlich anfangen erwachsen zu werden und meine Nervosität zur Seite zu schieben. Sonst könnte ich hier niemals arbeiten.

»Mr. Reynolds. Ihr Hotel ist eine unfassbar gute und durchdachte Idee. Das Projekt wird mit Sicherheit ein großer Erfolg werden.«, fing ich an zu sprechen und hatte die Aufmerksamkeit aller hier sitzenden Kollegen.

»Aber ohne unfreundlich zu klingen, Sie haben irgendwie nur das Oberflächliche gut durchdacht. Das Aussehen des Hotels, die Lage und die Größe spielen eine wichtige Rolle, aber wie wollen sie Kunden in dieses Hotel locken, wenn sie innerhalb fünf Kilometer keine einzige Parkmöglichkeit bieten?«, fragte ich unsicher, aber ich wollte und konnte jetzt nicht aufhören.

Ein Blick zu Lia bestätigte mir, dass ich recht hatte, denn sie schaute, wenn ich richtig lag, stolz und zwinkerte mir wieder zu. Sie beruhigte mich und instinktiv musste ich an Mollys Grimassen denken, die sie während meiner Präsentationen zog. Zeigs dem Typen, Ava hätte sie jetzt vermutlich gesagt.

Ich zeigte auf die Baupläne hinter mir.

»Das Hotel liegt zentral in Toronto, wie sie bereits erwähnten. Und da Sie ein paar Jahre älter sind als ich, müssten Sie doch wissen, dass Toronto zwar viele Parkplätze und Parkhäuser bietet, aber das nicht gerade günstig. Ganz im Gegenteil, wenn meine Eltern mit mir Einkaufen fahren bezahlen wir mehr für das Parkhaus als für die Einkäufe selbst.« Ich musste daran denken, wie viel wir letztens bezahlen mussten, nur weil wir für Weihnachten einen Großeinkauf gemacht hatten.

»Wenn sie Ihre Kunden wirklich zufriedenstellen wollen, müssen sie unmittelbar neben dem Hotel ein Parkhaus bauen, denn kein Mensch würde genau so viel für einen Parkplatz bezahlen wie für den Aufenthalt in dem Hotel. Sie wollen doch nicht, dass ihr Hotel direkt an so einer Kleinigkeit scheitert?«

Ich sah Lia, wie sie sich erst auf ihre Lippe biss und sich dann ihre Hand vor ihrem Mund hielt, um nicht unfreundlicherweise loszulachen. Mr. Adams jedoch veränderte keinen einzigen Millimeter seines Gesichts, kein Muskel hatte sich seitdem ich redete bewegt und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er nicht zufrieden gewesen ist. Zumindest schaute er mich nicht so begeistert an, wie Lia es tat. Hatte ich meine Chance auf einen Job komplett zunichte gemacht?

»Ms. Johnson. Wie stellen Sie sich das vor? Wie sollen wir einfach so ein Parkhaus eröffnen? Wer garantiert uns, dass wir nicht ins Minus gehen?«

»Die Kunden garantieren das!«, sprach ich meine Idee aus. »Sie können den Gesamtbetrag einfach erhöhen oder sie bieten einen niedrigen Zusatzpreis für die Parkmöglichkeit an. Und wenn sie es schaffen, können sie direkt unter dem Hotel eine Parkgarage erbauen.«

»Was denken Sie, Mr. Adams?«, fragte Mr. Reynolds nun zum ersten Mal nahm Mr. Adams seine Augen von mir. Ich war nicht erleichtert, ganz im Gegenteil. Ich fühlte mich schlimm und meine Wangen glühten. Ich wollte gar nicht wissen, wie rot ich wirklich war. Ich verspürte das dringende Bedürfnis etwas zu trinken und danach einfach zu verschwinden. Und nie wieder zu kommen.

»Ich werde das Hotel sponsern.«

Nachdem das Meeting endlich sein Ende fand ging ich mit schnellen Schritten aus dem Saal und atmete kurz ein und aus. Mr. Adams hatte mich nicht mehr angeschaut oder nach meinem Auftritt beachtet, weswegen mir übel wurde und ich mich fragte, was das für Konsequenzen mit sich tragen würde.

»Das war der Hammer. Ich mag diesen Reynolds sowieso nicht und du hast es ihm so richtig gezeigt, Liebes!« Lia kam lobend auf mich zu und umarmte mich. Ich brachte nur ein verdutztes Danke aus mir heraus und sie löste sich wieder als sie sah, wie Mr. Adams auf uns zukam.

»Ms. Johnson, folgen Sie mir bitte in mein Büro.«

Seine Miene blieb ernst und ich hatte keine andere Wahl, als ihm zu folgen. Mit einem Klopfen auf meiner Schulter verabschiedete Lia sich und verschwand in die andere Richtung.

Als wir vor dem Lift standen und warteten, war ich immer noch sehr aufgewühlt, jedoch ließ meine Nervosität allmählich nach und ich konnte wieder ruhig atmen. Immer wieder rutschte mein Blick zu ihm und zwang mich dazu, ihn anzuschauen. Ich hatte Angst vor seiner Reaktion und dem bevorstehenden Gespräch mit ihm. Ich fragte mich wie er war, wenn er wütend wurde. Ich hatte ihn nicht so erlebt, aber wie es aussah würde ich das in Kürze. Sein Kiefer war angespannt und er reagierte keineswegs auf meine suchenden Blicke. Er wusste, ich wollte wissen, was er dachte, aber er gewährte mir keinen Einlass in seine Gedanken. Schon wieder. 

Und erst als die Türen sich öffneten und wir hineintraten blickte er in meine Richtung. Ich folgte ihm und er lehnte sich lässig Gegen die Wand des Aufzuges, welche gleichzeitig das Fenster gewesen ist. Es war ein interessantes Bild ihn vor ganz Toronto sehen zu können. Als würde ihm diese Millionenstadt gehören.

Er schmunzelte als der Lift anfing sich zu bewegen. Er schmunzelte, Moment, er fand das etwa lustig?

»Werden Sie des Öfteren so nervös, obwohl sie geniale Ideen haben, Ms. Johnson?« Verdutzt über seine Frage starrte ich wieder in seine Augen, um mich zu vergewissern, dass er diese auch ernst meinte. Und tatsächlich schien in seinen Augen ein Hauch von Begeisterung zu liegen und er wirkte beeindruckt. Er hatte mich reingelegt.

»Mr. Adams...«, fing ich an zu reden, doch er hob seine Hand, um mich zu unterbrechen.

»Nenn mich doch bitte ab heute Leo.« Meine Augen weiteten sich und ich war mir nicht sicher, ob er sich seitdem wir in diesem Fahrstuhl gewesen sind, einen Spaß mit mir erlaubte oder ob es sein Ernst gewesen ist.

»Wir werden noch einige Tage miteinander arbeiten und dann können wir die Förmlichkeiten beiseitelassen.«, erklärte er mir und ich nickte lächelnd.

»Dann nenn mich Ava.« Ich war erstaunt darüber, dass ich ihn mit seinem Vornamen ansprechen durfte und mir gefiel der Gedanke.

»Deine Ideen entzücken mich sehr, Ava.« Seine raue, tiefe Stimme hatte mal wieder eine unglaubliche Wirkung auf mich. Meine Brust zog sich zusammen, als er zum ersten Mal meinen Vornamen aussprach. Noch nie in meinem Leben hatte jemand meinen Namen so ausgesprochen. So verdammt sexy. Mir gefiel es, wie er das tat und mein Inneres schrie danach, dass er meinen Namen noch einmal sagte.

Ich musste dringend aufhören so über ihn zu denken.

the interview | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt