𝟔𝟔. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥

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Hier stand ich nun. Knapp eine Woche war vergangen. Ich hielt den Vertrag in der Hand und stand das erste Mal nach langer Zeit vor den Türen der Firma "Adams Industries". Ich begutachtete das Gebäude vor mir, als hätte ich es noch nie zuvor gesehen. Trotzdem rief es viel zu viele Erinnerungen in mir hoch. 

ich hatte mir heute Morgen fest versprochen, diese Erinnerungen und Gedanken an Leo ein für alle Mal loszulassen. Das musste ich, denn ab Montag würde ich hier arbeiten. Fest angestellt sein. Meinen Traum leben. 

Ich stand noch immer etwas überfordert vor dem Eingang. Für mich war das ein Moment, der mir immer im Kopf bleiben würde. Die letzte Woche war sehr viel passiert. Ich hatte mit jedem in meinem Umkreis noch einmal über diese Entscheidung gesprochen. Mit Alex, Mary, Dad und Molly. Alex riet mir dazu, mein Bestes zu geben und irgendwann zu weg zu gehen, wenn ich keine Lust mehr hatte. Ich könnte in eine bessere Firma gehen, sagte er. Und vielleicht stimmte dies auch. Mary sagte mir, ich solle auf mein Bauchgefühl hören und schauen, wie es mir heute dabei gehen würde. Sie erwähnte, dass ich jederzeit dort aufhören könnte, wenn es mir missfiel. Das munterte mich irgendwie auf. Diese Tatsache gab mir die Sicherheit jederzeit verschwinden zu können. Was Dad dachte wusste ich nicht genau. Er wollte sowieso nie, dass ich eine Ausbildung irgendwo machte, sondern wollte dass ich Jura studierte. In seine Fußstapfen trat. Aber das war nicht mein Traum. Er sagte gestern lediglich: »Wenn es das ist was du machen willst, dann nur zu. Ich unterstütze dich. Und sollte es ein Fehler sein, ist es nicht schlimm. Fehler macht man um aus Ihnen zu lernen. In meiner Kanzlei wird immer ein Platz für dich frei bleiben.«. Ich hoffte er war stolz auf mich. Auch wenn er es nicht wirklich zeigte. Mollys Ratschläge brachten mich eher zum lachen. Sie sagte nur Dinge wie: »Ach der Vollidiot wird sehen. Du suchst dir noch einen reicheren Typen und machst ihn eifersüchtig« oder »Der kann dir egal sein. Selbst ist die Frau. Du kannst auch ohne ihn leben«. Und irgendwie hatte sie recht. Ich würde Leo vielleicht öfter sehen, aber vielleicht würde mir diese Tatsache dabei helfen, ihn endlich zu vergessen. 

Das hatte ich mir selbst diese Woche versprochen. Keine Tränen mehr. Kein Liebeskummer mehr. Jetzt beginnt mein Leben. Dieser Job war mein Traum. Und diesen wollte ich mir nicht wegen so etwas kaputt machen lassen. Leo wollte mich nicht und das war in Ordnung. Er hatte mit Geheimnissen und anderen Dingen zu kämpfen, bei welchen ich ihm nicht helfen konnte. Ich hatte es versucht, aber war gescheitert. Jetzt konnte und musste ich nur noch an mich denken. Die schlechten Zeiten waren vorbei. Ich würde jetzt Karriere machen. Und ich war bereit. 

Tief atmete ich ein und aus. Ich musste daran denken, dass es hierbei um mich ging. Meine Zukunft. Nicht um die Vergangenheit mit Leo. 

Ich trat endlich hinein und brauchte mich nicht umzuschauen. Schließlich wusste ich, wie ich mich zurechtfinden konnte. Ms. Wright stand schon an der Empfangstheke und machte wie immer ihren Job. Sie hatte sich kein Stück verändert, sah noch immer so aus wie vor vier Monaten. Makellose Haut, grüne Augen, wellige Haare. Wie immer perfekt gestylt. 

Sie schaute zu mir auf und ich setzte instinktiv mein schönstes Lächeln auf. »Ms. Johnson, schön Sie hier zu sehen.«, fing sie an und lächelte ebenfalls. »Ich würde gerne mit Mr. Adams sprechen.«, erklärte ich und sie nickte. Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich vor ihr stand und nicht einmal einen Satz aus mir herausbringen konnte, ohne zu stottern. Es war schrecklich. Aber ich hatte dazu gelernt und war wie ein neuer Mensch. Ich hatte keine Angst mehr mich zu zeigen. »Er ist gerade in einer Besprechung, aber die dauert bestimmt nicht mehr lange. Sie können sich gerne in den Wartebereich setzen.« 

Gerade als ich mich bei ihr bedanken wollte, ertönte eine Stimme hinter mir. Eine komische Gänsehaut rannte über meinen Körper und für einen Moment vergaß ich wieder, weshalb ich hier war. Er durfte diese Wirkung nicht noch immer auf mich haben. Das musste enden. Und das würde es auch. »Ich bin schon fertig. Ava, folg mir am besten in mein Büro«, sagte er und ging vor. Mit einem schüchternen Lächeln verabschiedete ich mich von seiner Sekretärin und folgte ihm. Er trug einen dunkelblauen Anzug und seine Haare waren nach hinten gegeelt. Sie waren etwas länger als sonst. Es war nicht komisch, hinter ihm her zu gehen, schließlich würde es demnächst des Öfteren dazu kommen. Es war nur gewöhnungsbedürftig. Ich folgte Leo bis in den Lift. 

the interview | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt