Ich schaute nur teilweise zufrieden in den Spiegel. Fünf Minuten hatte ich auf der Toilette verbracht, um mir meine Traurigkeit zu vertuschen. Ich wollte Leo nicht dazu drängen zuzugeben, dass er sich verliebt hatte. Ich wollte nicht ich liebe dich hören. Das, was zwischen uns gewesen ist, konnte man vielleicht noch nicht als Liebe bezeichnen. Aber wieso versuchte er die Tatsache zu verdrängen, dass wir das beide wollten und nicht nur brauchten? Wir beide hatten uns bewusst geküsst. Weil wir es verdammt nochmal wollten.
Schluckend wollte ich gerade aus der Tür heraustreten, als ich gegen eine Frau knallte. Ich schaute zu ihr hoch, da sie ein kleines Stückchen größer als ich gewesen ist. Sie hatte braune Haare und schwarze, wunderschöne lange Haare. »Aufpassen.«, brummte sie und schien etwas verärgert. Sie hatte eine befehlende Stimme und musste hier bestimmt für irgendeine Abteilung zuständig sein. Ich war ungewollt etwas eingeschüchtert. »Uhm, tut mir leid.«, gab ich kleinlaut zurück und huschte schnell an ihr vorbei, um dieser unangenehmen Situation zu entfliehen.
Leo wartete schon und setzte zum Gehen ein, sobald er mich entdeckte. Stumm spazierte ich hinter ihm her und erkannte schon die Person, die ich sogar vermieden hätte, wenn sie sogar die letzte Person auf Erden gewesen wäre. Seine Stimme erkannte ich aus weiter Entfernung schon. »Ach, Mrs. Adams und seine super nette Praktikatin.«, begrüßte Mr. Reynold uns. Dieser Mann war unverschämt gewesen, nur traute sich anscheinend keiner, das auszusprechen. Ich verstand vor Allem Leo nicht. Wieso arbeitete er mit so einem Idioten zusammen?
»Das ist die Praktikantin, von der ich euch erzählt habe. Die, die die Idee mit dem Parkplatz hatte.«, erklärte er und etwas skeptisch hörte ich seiner Aussage zu. »Die Praktikantin heißt übrigens Ava Johnson.«, merkte ich ergänzend an und versuchte mir ein gefälschtes, nicht allzu provokantes Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Ich drängelte mich an allen vorbei und setzte mich auf meinen Platz. Ich erkannte, dass Leo sich direkt neben mir niederließ.
»Diesmal steht dein Zweitname drauf.«, stellte er fest, doch ich wollte jetzt nicht mit ihm reden. Ich wollte hier sitzen, zuhören und danach nur noch in mein Bett. Ich wollte Eis. Und ich wollte mir auch Frozen anschauen. Genau danach war mir in diesem Moment. »Das habe ich gesehen«
Auch Evan und seine Kollegen betraten endlich den Raum und er nutzte sofort die Gelegenheit, um sich in den Mittelpunkt zu stellen. Nach seiner detaillierten Einleitung und der Vorstellung seiner Baupläne und provisorischen Zeichnungen, verstand auch ich endlich, worum genau es heute Abend ging. Es sollte ein neues Schwimmbad gebaut werden. Aber an neue Schwimmbäder war keinesfalls zu denken.
Er erklärte, was genau er vorhatte, doch ich konnte seinen Worten nicht ganz folgen. Nicht weil er es missverständlich erklärte, sondern weil ich mich gedanklich fragte, wieso Leo mich abserviert hatte. War es, weil ich jünger war? War es, weil er nebenbei eine Freundin hatte? Oder vielleicht sogar eine Frau?
Plötzlich fiel mir auf, wie wenig ich von diesem Mann eigentlich kannte. Mein Blick huschte seitlich auf ihn. Ich hatte eine Nacht mit ihm verbracht aber kannte fast nur seinen Namen. Ich wusste noch nicht einmal wann er Geburtstag hatte. Mein Mund war nach dieser erschütternden Erkenntnis staubtrocken und ich nahm mir das Glas Wasser, welches vor mir stand. Ich wollte Leo kennenlernen und wissen wie er tickt, ich wollte wissen, wer er war. Aber er würde mich nicht lassen. Und dazu würde ich auch nicht kommen, wenn er seinen Gefühlen keinen freien Lauf ließ.
»Ms. Johnson, gibt es ihrerseits diesmal keinen Einwand?« Ich erstarrte kurz, als ich meinen Namen im Raum schallen hörte. Augenblicklich wurde mir etwas schlecht und ich hatte nicht damit gerechnet, mich noch einmal vor Reynolds rechtfertigen zu müssen. Dazu hatte ich auch keinen Kopf.
Aber er hatte sich dieses mal mit mir anlegen wollen und ich bemerkte, wie alle Augenpaare sich auf mich richteten. Ich hasste diesen Menschen. Ich mochte es nicht zu sagen, dass ich jemanden hasste, aber wieso musste er mich in solch eine unangenehme Situation bringen?
Eine unglaubliche Wut stieg in mir auf. Nicht nur wegen ihm. Ich bemerkte was für spezielle Wesen Männer wirklich waren. Ich schob heute möglicherweise einen Hass auf die gesamte männliche Bevölkerung. Meine Nervosität war wie weggefegt und ich hätte mich hier und jetzt mit ihm prügeln können. Ich war frustriert und wütend, verletzt und obendrauf gedemütigt. Und ich sollte hier sitzen und mir das alles gefallen lassen?
»Jetzt wo Sie es sagen, Mr. Reynolds. Ihre Skizze sieht ein wenig, wie soll ich sagen, monoton aus.«, gab ich wahrheitsgemäß zu. Es war ein normales, alltägliches Schwimmbad von ihm gezeichnet worden.
»Monoton?«, wiederholte er und ich nickte. »Was meinen Sie damit, Ms. Johnson?«, stellte er mir nochmals eine Frage und ich schluckte. Leos Blick lag seitlich ununterbrochen auf mir und machte mich nervös. Doch meine Wut übertraf meine Nervosität.
»Dass sie langweilig ist. Bauen Sie doch etwas, was alle Altersgruppen anspricht. Sprungbretter, Rutschen, eine Sauna und vielleicht sogar einen Yoga-Kurs. Wieso gibt es auf ihren Zeichnungen denn nur das Schwimmbecken? Was wäre mit einer Saune, einem Whirlpool?« Ich lächelte leicht, weil meine Ideen ausgesprochen gar nicht so schlecht klangen. »Lassen sie den Kunden ein Abenteuer erleben.«, fügte ich ergänzend hinzu und erhaschte einen undefinierbaren Blick von Mr. Reynolds.
»Und ein Yoga-Kurs zieht also Kundschaft an? Ich bitte Sie, Ms. Johnson. Das ist nicht gerade produktiv.« Ich verkreuzte meine Arme vor meiner Brust und schaute ihn an. Was war denn an meiner Idee so unproduktiv gewesen? Jeder der in ein Schwimmbad gehen würde, würde schauen ob sich das Angebot lohnen würde. Keine Familie mit Kindern würde in ein Schwimmbad ohne Rutschen gehen. Und ältere Menschen machten doch sicherlich gerne Yoga? Und das taten übrigens nicht nur ältere Menschen sondern viele Menschen, egal welchen Alters und Geschlechts.
»Leute in Ihrem Alter würde ein Yoga-Kurs sicher nicht schaden.«
Erst als ich meine Antwort ausgesprochen hatte erkannte ich, was ich da gerade angerichtet hatte. Leo neben mir entfloh ein leises Lachen und ich schaute intuitiv zu ihm. Er versuchte sich sein Lachen zu verkneifen, während Mr. Reynolds mich fassungslos musterte. Aber ich war genau so fassungslos über meine Aussage wie er gewesen. Auch die restlichen Personen, welche sich in dem Raum befanden, hielten für eine kurze Sekunde ihre Luft an. Ich sagte nichts weiter.
»Nagut.«, presste er hervor und schaute nun zu Leo neben mir. »Dann erfüllen wir der Praktikantin doch ihren Wunsch, oder Mr. Adams?« Er wollte mich mit seiner Aussage provozieren und wie ich schon immer sagte, war ich kein streitlustiger Mensch, aber heute waren meine Nerven besonders strapaziert. Ich war gerade dabei, meine Antwort vorzubereiten. Mein Mund schien schneller zu arbeiten, als mein Gedächtnis eine Antwort vorbereitete, doch gerade als ich ansetzte, etwas gemeines zu erwidern, spürte ich eine warme Hand auf meinem Oberschenkel. Ich schaute zur Seite und tatsächlich ist es Leos Hand gewesen. Er bemerkte meine innere Unruhe und verhinderte, dass ich noch einmal etwas Dummes von mir geben würde. Ich hieß es nicht für gut, dass er mich anfasste, aber er hatte mich für diesen Moment beruhigt und ich beließ Mr. Reynolds und meine Diskussion dabei.
»Wenn Ms. Johnsons Vorschläge eingeführt werden, werde ich das Hotel sponsern.«
Das waren die letzten Worte von Leo. Ich lehnte mich an in meinem Stuhl zurück und lächelte triumphierend, während seine Hand noch immer auf meinem Oberschenkel ruhte.
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the interview | ✔️
Romance𝐜𝐞𝐨 𝐥𝐨𝐯𝐞𝐬𝐭𝐨𝐫𝐲 Die fleißige aber schüchterne Schülerin Ava Johnson hat während ihres letzten Schuljahres die Möglichkeit bekommen, für die Schülerzeitung ein Interview mit dem jungen, zum dahinknien gutaussehenden Unternehmer Leo Adams zu...